Ausblick auf die Rosa-Luxemburg-Konferenz 2024: Torkil Lauesens globale Perspektive

Am 13. Januar 2024 findet zum 29. Mal die Rosa-Luxemburg-Konferenz der Tageszeitung junge Welt unter dem Motto »Wem gehört die Welt?« im Tempodrom in Berlin statt. Sie wird als Livestream übertragen, Tickets sind aber noch an der Tageskasse erhältlich. Die große thematische Klammer wird die Bewertung des zeitgenössischen Antiimperialismus sein. Mit Fikrejesus Amahazion wurde ein Menschenrechtsforscher aus Eritrea, mit Sevda Karaca ein türkische Abgeordnete der Arbeiterpartei und mit Ignacio Ramonet eine zentrale Figur des Weltsozialforums eingeladen. Jeremy Corbyn wird gemeinsam mit anderen britischen Aktivisten eine Manifestation abhalten. Das Programm ist also recht bunt gemischt und keinesfalls ausschließlich marxistisch oder kommunistisch. Als dezidierten Kommunisten könnte man wohl noch am ehesten Torkil Lauesen bezeichnen, der über die Frage, wie Widerstand, praktische Solidarität und Antiimperialismus heute zu organisieren seien, referieren wird. Sein Buch Die globale Perspektive wurde letztes Jahr beim Unrast-Verlag aus dem Dänischen ins Deutsche übersetzt. Wir nutzen seine Einladung, um die zentralen Thesen des Buches vorzustellen und einen kleinen Vorgeschmack auf die Konferenz zu geben.

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Isaac-Deutscher-Preis 2023: Heide Gerstenbergs „Market and Violence”

Heide Gerstenberger von der Universität Bremen hat in diesem Jahr als erste Frau seit 1986 und erste*r deutsche*r Autor*in überhaupt den bekanntesten marxistischen Wissenschaftspreis – den Isaac-und-Tamara-Deutscher-Preis – gewonnen. In ihrem Buch Market and Violence, der englischen Übersetzung von Markt und Gewalt. Die Funktionsweise des historischen Kapitalismus (2019)beschreibt sie, wie der Kapitalismus in allen seinen Phasen, von der ursprünglichen Akkumulation bis zum entwickelten Imperialismus immer fundamental auf Gewalt beruhte, und zwar nicht nur im Sinne eines passiven Herrschaftsverhältnisses, sondern in Form von unmittelbarer, blutiger und historisch einmaliger Gewalt. Eine Rezension.

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Zur Dialektik des Zionismus

Die Bewertung des Zionismus als politische Theorie und praktische Bewegung ist global hoch umstritten. In der radikalen Linken wird zum einen der Begriff des Siedlerkolonialismus verwendet, welcher den Zionismus als ein koloniales Projekt in eine Reihe der Vertreibung, Entrechtung und Ausbeutung der indigenen Bevölkerung der Amerikas, der Ausplünderung der afrikanischen Rohstoffe oder mit dem einstigen südafrikanischen Apartheidsregime stellt. Andere Linke – insbesonders im deutschen Diskurs – sehen in Israel die notwendige Konsequenz aus der Shoah, dass Jüd*innen weltweit einen Schutzraum bräuchten und sich damit antizionistische Argumentationen auch gegen alle Jüd*innen in und außerhalb Israels richteten. Raef Zreik entwarf eine dialektische Analyse des Zionismus. Anstatt den Zionismus entweder als eine Form des Kolonialismus oder als historischen Sonderfall zu charakterisieren, müsse man ihn als das nehmen was er ist, die Einheit der beiden widersprüchlichen Elemente.

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Zur Geschichte hinter „Free Palestine“ (1/2)

„Free Palestine“ ist eine Parole, die sich gerade massiver Kritik ausgesetzt sieht. In den Medien wird sie mit der Zustimmung zur Hamas, islamischem Antisemitismus und vor allen Dingen vermeintlich fehlendem Wissen assoziiert. Während die gleichen Medien die massive Repression, die durch Abschiebeforderungen, Vereins- und Veranstaltungsverbote, sowie Racial Profiling ausgeübt wird, mit keinem Wort erwähnt, wird bei jeder Kundgebung genau Buch geführt, ob sich ein*e Redner*in nicht deutlich genug von Terror distanziert hat. Es bleibt meist bei der Verurteilung einzelner Wortfetzen; die ganze Geschichte, die von Palästinenser*innen erzählt wird – und die man am Ende immer noch kritisieren könnte – bleibt für die Mehrheitsgesellschaft unerzählt. Um die Wissenslücken zu füllen, entschloss sich der linke Haymarket-Verlag, drei E-Books für begrenzte Zeit zum kostenlosen Download anzubieten. Eines davon ist Palestine – A Socialist Introduction. An dieser Stelle sollen einige Thesen des Buches dargestellt werden.

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Das panafrikanische Finanzkapital

Seit der Weltwirtschaftskrise 2008 bricht sich auf dem afrikanischen Finanzmarkt ein interessanter Trend Bahn. Während europäische und amerikanische Banken scharenweise den Kontinent verlassen, gewinnen immer mehr Panafrikanische Banken (PABs) an Bedeutung. Unter diesen werden jene Banken verstanden, welche ihren Hauptsitz in einem afrikanischen Staat haben und in mindestens zehn Ländern aktiv sind. Sieben solcher Continental Player gibt es: drei aus Marokko, zwei aus Togo und jeweils einen aus Nigeria und Südafrika. Bedeutet dies einen Sieg für Antiimperialismus und postkoloniale Souveränität?

Hannah Appel hat sich im Journal of Cultural Economy dieser Frage gewidmet. Um ihr auf die Spur zu kommen, reiche es nicht aus, nur nach Besitzern und Firmensitzen zu fragen, sondern prinzipiell die Funktionsweise einer Bank zu analysieren. Was tun Banken in wessen Interesse und welche Wirkung erzielen sie damit? Welche Bedeutung hat dies für Marktzugang und Währungspolitik?

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Das Verbrechen der Verbrechen

Er gilt als das schwerwiegendste Verbrechen im Völkerrecht: der Genozid. Unter ihm werden Handlungen verstanden, die darauf abzielen, eine nationale, rassische, religiöse oder ethnische Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören. Das muss nicht die physische Vernichtung sein, sondern kann auch die Auslöschung einer Identität bezeichnen. Obwohl oder gerade weil der Vorwurf so schwerwiegend ist, wird er häufig gebraucht.
A. Dirk Moses ist ein australischer Genozidforscher mit deutschen, polnischen und jüdischen Wurzeln. In seinem aktuellen Buch The Problems of Genocide. Permanent Security and the Language of Transgression. unternimmt er eine Reise durch die Problemgeschichte des größten Verbrechens unter den Verbrechen.

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Zur Klassenanalyse Afrikas

Wohin geht Afrika? Wenn ein*e Marxist*in eine Antwort auf diese Frage sucht, dann wird sie sicher zunächst die Produktionsverhältnisse und die daraus hervorgehende Klassenstrukturierung anschauen. Das ist jedoch gar nicht so einfach. Eine politisch fruchtbare Klassenanalyse bereit schon in den imperialistischen Kernländern Probleme, wo es eine exorbitante Datenlage und vergleichsweise konventionelle und homogene kapitalistische Gesellschaftsorganisationen gibt. Afrika ist viel pluraler, viele Regionen sind politisch instabil, der Kapitalismus prallt noch immer auf vormoderne Lebensweisen und das koloniale Erbe lastet in verschiedenen Facetten auf den einzelnen Ländern. Paris Yeros von der Staatlichen Universität in Sao Paolo hat sich in seinem Paper Generalized Semiproletarianization in Africa an eine gesamtafrikanische Klassenanalyse gewagt.

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Die weißen Massai

David Thomas Suell hat die Bedeutung der Dimension Zeit bei der ursprünglichen Akkumulation in Tansania und Kenia untersucht. In seinem Aufsatz The Creation of capitalist Time: Rethinking Primitive Accumulation through Conservation aus der aktuellen Society & Space zeigt er auf, welch vielfältige Rolle die Zeit bei der Enteignung der Massai spielte. Er schreibt damit ein spannendes Kapital über den Kolonialismus und die Hybris westlicher, philanthropischer Bewahrungspolitik.

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