Zwischen Nützlichkeit und Eigensinn: Simon Schaupps “Stoffwechselpolitik”

Simon Schaupp ist einer der Shootingstars der zeitgenössischen deutschsprachigen Soziologie. Das liegt nicht nur am Umfang seiner jüngeren publizistischen Tätigkeit in den vergangenen Jahren, die eine beeindruckende Bandbreite aufweist und dass er mit den Themen Digitalisierung, Arbeitssoziologie und Ökologie drei moderne Kassenschlager bearbeitet. Auch die theoretische Qualität, die methodische Kreativität und der Umfang an Querverweisen, Verknüpfungen und Beziehungen, die in seinen Texten aufgemacht werden, beeindrucken. Nun hat Simon Schaupp mit „Stoffwechselpolitik“ eine Monographie vorgelegt, die seine bisherigen Arbeitsgebiete in einem umfassenderen Konzept zusammenführt.

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Was bringt eigentlich die Theorie des ungleichen Tauschs?

Über den ökonomischen und ökologischen ungleichen Tausch entspinnt sich seit Jahren eine Debatte, sowohl über seine Funktionsmechanismen, als auch politische Konsequenzen. Die Capitalism Nature Socialism dokumentierte stellvertretend einen Streit zwischen Andrea Ricci, Alf Horborg und Peter Sommerville (hier bereits dokumentiert). Jüngst veröffentlichte Ricci in diesem Journal eine erneute Antwort, in der er insbesondere die Bedeutung des ungleichen Tausches für die internationale soziale Bewegung diskutierte.

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In Gedenken an Winfried Wolf

Vor einer Woche, am 22. Mai 2023 starb Winfried Wolf an den Folgen einer Leberkrankheit. Freund*innen und Mitstreiter*innen schrieben in einem Nachruf: „Winfried war für die meisten von uns schon in seinen und unseren jungen Jahren ein Linker, für den Theorie und Praxis nicht auseinanderfielen, der mit seinen analytischen Fähigkeiten und seiner rhetorischen Begabung Grenzen überschreitende Zusammenarbeit und Zusammenhänge stiften konnte.“ Diese Charakterisierung, zugleich wissenschaftlicher Autor und Aktivist gewesen zu sein, durchzieht alle Erinnerungen an den Chefredakteur der Lunapark21. In Gedenken an Wolf sollen hier einige seiner theoretischen und philosophischen Ansätze nachgezeichnet werden.

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ökologischer und ökonomischer ungleicher Tausch

Dass die Ärmsten die höchsten Kosten des Klimawandels tragen, ist so offensichtlich, dass es eine Binsenweisheit geworden ist. Und gerade, weil es so ein Allgemeinplatz geworden ist, haben sich viele Ökonom*innen und Ökolog*innen auf die Suche nach einer Präzisierung gemacht. Ein Großteil stützt sich mehr oder weniger auf den Begriff des ungleichen ökologischen Tausches.
Andrea Ricci, Assistenzprofessor an der Universität in Urbino, hat vor zwei Jahren ein herausragendes Buch zum ungleichen ökonomischen Tausch vorgelegt. Er hat in der aktuellen Capitalism Nature Socialism seine mit der ökomarxistischen Metrik des ungleichen ökologischen Tauschs nach Foster und Holleman verglichen. Das Ergebnis: der Zusammenhang von Armut und Umweltzerstörung lässt sich mit großer Signifikanz messen.

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Politische Ökonomie der Heteronormativität (1/2)

Manchmal muss man sich auch ein Jubiläum an den Haaren herbei ziehen. Die Review of Radical Political Economics feiert 50 Jahre feministische politische Ökonomie. Der Anlass ist kein festes Datum, sondern die Tatsache, dass 1972 noch 2% aller Professuren in den Wirtschaftswissenschaften von Frauen* besetzt waren und es an vielen Fakultäten kein Verständnis dafür gab, „wozu man Frauen oder Marxisten“ brauche.
Seither hat sich vieles geändert, wenn auch nicht alles. Feministische Forscher*innen haben entweder eigene Institute gegründet oder konnten Anerkennung in etablierten Einrichtungen gewinnen. Die Review of Radical Political Economics druckte daher einige Aufsätze zur zeitgenössischen Forschung aus diesen Gebieten ab. Zunächst widmen wir uns einem Aufsatz von Sirisha Naidu.

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Kohei Saitos neues Buch: Marx im Anthropozän

Kohei Saito kann mit Recht als einer der Popstars der zeitgenössischen marxistischen Theorie gelten. In Japan wurde Saitos Buch Capital in the Anthroposcene mit 250.000 verkauften Exemplaren ein unerwarteter Bestseller. Seine Promotionsschrift Natur gegen Kapital wurde durch den renommierten Campus-Verlag herausgegegeben und für eine doch recht trockene Abhandlung vielfach gelesen.

Das ist nicht zuletzt dem Thema geschuldet. Saito beschäftigt sich mit der Frage, was Marx zur Analyse der ökologischen Krise beitragen kann und wie sich grüne und rote Bewegung in fruchtbare Einheit bringen ließen. Als Mitarbeiter an der zweiten Marx-Engels-Gesamtausgabe und Kenner der deutschen Sprache besitzt er aus internationaler Perspektive privilegierten Zugang zu sämtlichen Schriften von Marx und Engels und half, nicht-deutschsprachigen Leser*innen Aspekte von Marx zugänglich zu machen, die sonst ungehört blieben. Mit Marx in the Anthroposcene hat er diesen Januar nun ein neues Buch vorgelegt. Hierin will er zeigen, dass die Marxsche Theorie hin zu einem Degroth-Kommunismus zeige.

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War Marx Speziesist?

Die Kritik am Speziesismus, die Ablehnung, Tiere zum Mittel des menschlichen Genusses zu degradieren oder für sich nutzbar zu machen, stellt insbesondere für Tierrechtsaktivist*innen eine Motivation dar, auf Fleisch zu verzichten. Mit dem Marxismus verbindet sie eine Hass-Liebe. Auf der einen Seite stellt der Marxismus angesichts der Zuspitzung des Tierleids im industriellen Kapitalismus einen natürlichen Bündnispartner dar. Auf der anderen Seite wird Marx eine Verengung seiner Kritik auf das menschliche Elend unterstellt, die auf Grund eines teleologischen Fortschrittdenkens und übersteigerten Humanismus das Schicksal von Tieren als Produktionsmittel rechtfertige.
Die beiden unabhängigen Hamburger Wissenschaftler Michael Sommer und Christian Stache haben sich der Frage nach einem vermeintlichen Speziesismus von Karl Marx über seinen Arbeitsbegriff angenähert. Ihr Aufsatz Marx’s non-speciesist Concept of Labour erschien aktuell in der Capital&Class als Online First.

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Der moralische Verschleiß der Kohle

Die Räumung von Lützerath für die Interessen von RWE hat in der gesamten Linken Solidarität geweckt. Die Politikanalystin und Forscherin am Center for Sustainable Energy Systems (ZNES) der Europa-Universität in Flensburg, Andrea Furnaro, hat den Kohleausstieg im Kontext des Marxschen Begriffs des moralischen Verschleißes untersucht. Diese Analyse eröffnet nicht nur eine neue Perspektive auf auf den Kampf um den Kohleausstieg, sondern auch auf den Begriff des moralischen Verchleißes von Marx.

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Mit Marx Krötentunnel graben

Das Konzept eines radikal biozentrischen Ökosozialismus, der auf einem dynamischen Gleichgewicht beruht. Das klingt doch nach war. Nicht weniger möchte Bence Peter Marosan von der Budapest Business School in Ungarn in der aktuellen Capitalism Nature Socialism vorstellen. Was es damit auf sich hat und ob Marosan das Versprechen einhalten kann, soll im Folgenden diskutiert werden. Denn schließlich geht es um nicht weniger als das Überleben unserer Spezies und Millionen anderer.

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How to Blow Up a Pipeline

2020 bringt ein schwedischer Autor ein Buch mit dem Titel “How to Blow Up a Pipeline” heraus. Am 10. September 2022 wird erstmals der gleichnamige Film gezeigt. Nur zwei Wochen später kommt es tatsächlich zu Anschlägen auf die Pipelines Nord Stream 1 und 2. Kann das Zufall sein? Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit schon. Aber es ist dennoch gutes Meme-Material für Photoshops, wie nach Gusto Biden, Putin oder Scholz mit dem Buch in der Hand dasitzen.
Der Autor des Buches heißt Andreas Malm. Die Berliner Philosophin Rahel Jaeggi nannte den Autoren Malm „eine prominente Stimme eines erneuerten ökologischen Marxismus“, wie der Freitag zu berichten weiß. Daher sind Autor, Filmpremiere und der hellseherische Titel Grund genug, mal einen Blick ins Buch zu werfen. Wer ist der Autor? Was steht drin? Argumentiert es wirklich marxistisch? Und lernt man tatsächlich etwas über das Hochjagen von Pipelines?

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