Zur Aktualität des Denkens von Ruy Mauro Marini

Die aktuellen Latin American Perspectives beschäftigen sich in einer Doppelausgabe mit der Dialektik von Abhängigkeits- und Entwicklungstheorien. Sie stellen den Kampf um das Framing der Politik als einen Klassenkampf dar, indem die Bourgeoisie unter dem Label „Entwicklung“ durch kapitalistische Öffnung eine Annäherung an den Lebensstandard der westlichen Welt verspricht, während proletarische Organisationen gerade in der „Abhängigkeit“ vom Weltmarkt einen Angriff auf Arbeiter*innenrechte erblicken. Allen Autor*innen gemeinsam ist der Bezug auf einen Namen: Ruy Mauro Marini, der selbst 16 Jahre lang für das Journal arbeitete. In diesem Artikel sollen Leben und Werk Marinis unter der Frage vorgestellt werden, warum ausgerechnet er heute in der neomarxistischen Debatte in Lateinamerika eine so bedeutende Rolle spielt.

Weiterlesen

Krieg der Narrative

In diesen Tagen verschärft sich der Konflikt um die Volksrepubliken Lugansk und Donezk zusehends und bringt die Region erneut in die Gefahr einer größeren militärischen Auseinandersetzung. Für den Großteil der deutschen Medienlandschaft ist bereits jetzt klar, dass die Vorfälle, wie die wechselseitige Verletzung der Waffenruhe oder die Autoexplosion in Donezk, nur den erwünschten Vorwand für einen Einmarsch russischer Truppen in die Ostukraine darstellen. Woher wissen die Journalist*innen dies, wenn sie sich weder in den betroffenen Gebieten aufhalten, noch Kenntnisse über die Pläne Moskaus haben?

Weiterlesen

Afrofuturismus und Klimakrise

Dass der zukünftige Gang der Produktivkraftentwicklung ganz maßgeblich von der Klimakrise abhängen wird, ist weitgehend unstrittig. Um Modellrechnungen eine narrative und emotionale Komponente hinzuzufügen, hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten die Cli-Fi – die Climate Fiction – als Seitenarm der Science Fiction herausgebildet. Werke der Cli-Fi können dabei als Gedankenexperimente verstanden werden, welche Szenarien unter Voraussetzung einiger Modellwerte entwerfen und sich selbst weitertreiben. In Carl Deaths Aufsatz „Africanfuturist Socio-Climatic Imaginaries and Nnendi Okorafor´s Wild Necropolitics“, welche in der aktuellen Antipode, einem Journal für kritische Geographie erschienen ist, untersucht der Autor eine ganz spezielle Perspektive.

Weiterlesen

Ronald Grigor Suny – ein marxistischer Historiker zwischen den Fronten

2021 erhielt Ronald Grigor Suny den Isaac-und-Tamara-Deutscher-Preis für sein Buch „Stalin – Passage to Revolution“. Auch wenn das Buch wenig neues enthält und zu relevanten Fragen heutiger Marxist*innen an die sowjetische Geschichte nur wenig beiträgt, so ist es der Autor, welcher der Würdigung wert ist. Obwohl er in den Vereinigten Staaten einer der wenigen Marxist*innen ist, die/der als Wissenschaftler*in einen exzellenten Ruf genießt, scheint er hierzulande auf bisher geringes Interesse gestoßen zu sein. Keines seiner Bücher wurde bisher ins Deutsche übersetzt. Es gibt noch nicht einmal einen deutschsprachigen Wikipedia-Artikel über ihn.

Weiterlesen

Rezension: Der Isaac-und-Tamara-Deutscher-Preis 2021

Ende letzten Jahres zeichnete die Jury des Deutscher-Preises das Werk „Stalin: Passage to Revolution“ von Ronald Grigor Suny aus. Das Leitmotto des Buches ist das alte russische Sprichwort, von der Wahrheit nicht mehr zu erwarten als sie hergibt. Der Untertitel „Passage to Revolution“ erklärt den Charakter des Buches vortrefflich. Die Passage verweist darauf, dass Suny Stalins Leben als eine Entwicklung beschreiben möchte, deren Ende noch nicht im Anfang angelegt war.

Weiterlesen