ARIMARX (Methodenartikel)

Wirtschaftliche Zusammenhänge sind komplex. Es gibt oft dutzende, wenn nicht hunderte oder tausende Einflussfaktoren auf ökonomische Trends. Versinnbildlicht wird dies gerne durch lustig zappelnde Aktienkurslinien, die scheinbar völlig chaotisch mal nach oben, mal nach unten sausen. Mittlerweile gibt es jedoch einen Apparat an statistischen Methoden, mit denen Muster im Chaos identifiziert werden können. Und auch Marxist*innen machen zunehmend Gebrauch von ihnen. Eine ist die ARIMAX-Methode. In den beiden Beiträgen zu Carlos Alberto Duque Garcia wurde sie schon einmal angerissen. Hier soll sie einmal etwas ausführlicher dargestellt werden.

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Das Verbrechen der Verbrechen

Er gilt als das schwerwiegendste Verbrechen im Völkerrecht: der Genozid. Unter ihm werden Handlungen verstanden, die darauf abzielen, eine nationale, rassische, religiöse oder ethnische Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören. Das muss nicht die physische Vernichtung sein, sondern kann auch die Auslöschung einer Identität bezeichnen. Obwohl oder gerade weil der Vorwurf so schwerwiegend ist, wird er häufig gebraucht.
A. Dirk Moses ist ein australischer Genozidforscher mit deutschen, polnischen und jüdischen Wurzeln. In seinem aktuellen Buch The Problems of Genocide. Permanent Security and the Language of Transgression. unternimmt er eine Reise durch die Problemgeschichte des größten Verbrechens unter den Verbrechen.

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Frankreichs gefährliche Klassen

In Frankreich geht gerade ein ganzes Volk gegen die Rentenreformpläne von Präsident Macron auf die Straße. Die momentane Situation in Frankreich ist deshalb so besonders, da insbesondere der gewaltsame Protest ansonsten Ausdrucksform der marginalisierten Gruppen ist. People of Color aus den Banlieues, subkulturelle Jugendliche oder Illegalisierte in kriminellen Parallelwelten. Viele postmoderne Linke sehen längst in einer Klasse, die Marx einst als das Lumpenproletariat bezeichnete, das eigentliche revolutionäre Subjekt. Und sie kritisieren Marx für seine vermeintliche Verachtung gegenüber diesen Subalternen. Jérôme Beauchez und Djemila Zeneidi haben in der aktuellen Space and Culture eine Gruppe vorgestellt, die Marx vermutlich Pate bei seiner Charakterisierung des Lumpenproletariats im Achtzehnten Brumaire gestanden hatte: die Zoniers.

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Die deutsche „Industriestrategie 2030“ im Jahre 2023

Quizfrage: Wann hat die Bundesregierung das letzte Mal ein Konzept zur weitreichenden Verstaatlichung von Schlüsselindustrien vorgelegt? Wer denkt: Das war doch 2019 Wirtschaftsminister Peter Altmaier von der CDU, der liegt goldrichtig. Seine Industriestrategie 2030 (NDI) schlug dies und damit ein Ende der seit der Wiedervereinigung vorherrschenden neoliberalen Ausrichtung vor. Nun sind Covid, der Ukrainekrieg und ein Regierungswechsel dazwischen gekommen. Was ist also aus dem Paradigmenwechsel der Wirtschaftspolitik geworden?

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Die Heuschrecken sind weitergezogen

Zeitreise ins Jahr 2003/04. Deutschlands Wirtschaft schrumpfte das bisher einzige Mal nach dem Zweiten Weltkrieg in zwei aufeinander folgenden Jahren. Die Arbeitslosiggeit hatte einen der höchsten Stände nach der Wiedervereinigung erreicht. Die SPD-Linke ernannte die Orientierung am Shareholder Value zum Sündenbock. Anstelle der geradezu familiären Unternehmensführer, die sich noch um ihre Angestellten sorgten und nur das Beste für den Wirtschaftsstandort Deutschland im Blick hätten, regierten nun die „verantwortungslosen Heuschreckenschwärme, die im Vierteljahrestakt Erfolg messen, Substanz absaugen und Unternehmen kaputtgehen lassen“ (Müntefering 2005). Fast 20 Jahre später hat sich die Debatte zwar wieder abgekühlt, Aktionär*innen gibt es jedoch immer noch und man fragt sich, was denn seit dieser Zeit aus der Shareholder Value Orientierung geworden ist. Diliara Valeeva, Tobias J. Klinge und Manuel B. Aalbers haben in der New Political Economy die Ausschüttungen an Aktionäre weltweit empirisch untersucht.

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99% gegen eins, eine für die 99%? Analysen zur Krise des Linkspopulismus

Dass die Linkspartei in Deutschland in einer Krise steckt ist offenkundig. Die Bildung einer linkspopulistischen Wahlalternative durch Sahra Wagenknecht erscheint in absehbarer Zeit als nicht unwahrscheinlich. Die Ankündigung, nicht wieder auf den Listen der LINKE. Für den Bundestag zu kandidieren, wirft jedenfalls seine Schatten voraus. Ein Wähler*innenpotential von annähernd 20% gilt als möglich.

Gesamteuropäisch betrachtet steckt der Linkspopulismus jedoch in einer tiefen Krise. Plattformen wie Podemos oder Syriza leiden unter beständigem Vertrauensverlust, obwohl sich die kapitalistischen Krisen eher verschärft als abgemildert haben. In mehreren wissenschaftlichen Journalen wurde daher in den letzten Wochen versucht, zu analysieren, woran dies liegt. Vielleicht kann man für Deutschland hieraus lernen.

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Rezension: Spezialoperation und Frieden (Ewgeniy Kasakow)

Russland ist ein Land, in dem es offiziell keine Kriegsbefürworter*innen gibt. Denn es gibt offiziell keinen Krieg. Kundgebungen für die Spezialoperation zu organisieren, ist ebenfalls nicht erwünscht. Politischer Aktivismus würde ja bedeuten, es handle sich um eine große Sache. Es ist für dem Kreml aber keine große Sache. Doch auch, wenn es weder Krieg noch Kriegsfreunde in Russland gibt, es gibt Kriegsgegner*innen. Auch wenn diese erst recht nicht protestieren dürfen.
Ewgeniy Kasakow hat in seinem Buch Spezialoperation und Frieden die Positionen der linken Kriegsgegner*innen zusammengetragen. Dazu hat er Interviews geführt, Quellen ausgewertet und die Geschichte einer zersplitterten politischen Bewegung aufgerollt. Herausgekommen ist eine Mischung aus politischer Enzyklopädie, Essaysammlung und kommentiertem Zeitgeschehen.

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Zur Klassenanalyse Afrikas

Wohin geht Afrika? Wenn ein*e Marxist*in eine Antwort auf diese Frage sucht, dann wird sie sicher zunächst die Produktionsverhältnisse und die daraus hervorgehende Klassenstrukturierung anschauen. Das ist jedoch gar nicht so einfach. Eine politisch fruchtbare Klassenanalyse bereit schon in den imperialistischen Kernländern Probleme, wo es eine exorbitante Datenlage und vergleichsweise konventionelle und homogene kapitalistische Gesellschaftsorganisationen gibt. Afrika ist viel pluraler, viele Regionen sind politisch instabil, der Kapitalismus prallt noch immer auf vormoderne Lebensweisen und das koloniale Erbe lastet in verschiedenen Facetten auf den einzelnen Ländern. Paris Yeros von der Staatlichen Universität in Sao Paolo hat sich in seinem Paper Generalized Semiproletarianization in Africa an eine gesamtafrikanische Klassenanalyse gewagt.

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David Harvey begleitet in die Abgründe der Grundrisse

Die Grundrisse einer Kritik der politischen Ökonomie von Karl Marx nehmen in dessen Werk etwa die Stellung von Episode 1 im Star Wars-Universum ein. Seit mehreren Jahrzehnten hält der amerikanische Marxist und kritische Geograph David Harvey universitär wie außeruniversitär Vorlesungen und Seminare, die jungen und alten Menschen die Grundrisse näher bringen sollen. Anfang diesen Jahres hat er nun seinen Companion to Marx’s Grundrisse vorgelegt, in welchem er diesen reichhaltigen Erfahrungsschatz bündelte.

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