Zur Klassenanalyse der Bauern

Die aktuellen Bauernproteste haben gezeigt, dass die Bauernschaft als politisches Subjekt nicht ganz aus dem Fokus der Linken verschwinden sollte. Paramjit Singh und Mukesh Kumar von den Universitäten in Panjab und Toronto haben den Exploitation-Index zur Kategorisierungen der bäuerlichen Klassen in Indien untersucht. Ist jeder, der Landarbeiter*innen anstellt, gleich ein Ausbeuter? Reicht die Fläche des Bodens aus, um auf die soziale Stellung zu schließen? Und wie wirkt sich die zunehmende Mechanisierung in der Landwirtschaft aus?

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Zur Klassenanalyse Afrikas

Wohin geht Afrika? Wenn ein*e Marxist*in eine Antwort auf diese Frage sucht, dann wird sie sicher zunächst die Produktionsverhältnisse und die daraus hervorgehende Klassenstrukturierung anschauen. Das ist jedoch gar nicht so einfach. Eine politisch fruchtbare Klassenanalyse bereit schon in den imperialistischen Kernländern Probleme, wo es eine exorbitante Datenlage und vergleichsweise konventionelle und homogene kapitalistische Gesellschaftsorganisationen gibt. Afrika ist viel pluraler, viele Regionen sind politisch instabil, der Kapitalismus prallt noch immer auf vormoderne Lebensweisen und das koloniale Erbe lastet in verschiedenen Facetten auf den einzelnen Ländern. Paris Yeros von der Staatlichen Universität in Sao Paolo hat sich in seinem Paper Generalized Semiproletarianization in Africa an eine gesamtafrikanische Klassenanalyse gewagt.

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Obdachlos in Seattle

Häufig reicht die Kritik an Gentrifizierung nicht über den moralischen Appell, besetzte Häuser nicht zu räumen, die Punkerkneipe von nebenan stehen zu lassen und vielleicht ein bisschen Nachbarschaftshilfe zu organisieren hinaus. Marxistische Analyse und Durchdringung der hinter Gentrifizierung stehenden sozialen Beziehungen bleiben eher Mangelware. Die US-amerikanischen Wissenschaftler Matthew B. Anderson, Elijah C. Hansen und Jason Y. Scully von der Eastern Washington University haben die politische und ökonomische Entwicklung eines ehemaligen Industrieviertels von Seattle unter die Lupe genommen. Sie verknüpften in ihrem Dossier „Class monopoly rent and the urban sustainability fix in Seattle’s South Lake Union District“ in der aktuellen Economy and Space die kommunalpolitischen Programme hinter der Gentrifizierung mit der Marxschen Rententheorie.

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100 Jahre Proletariat in China – eine Jubiläumsschrift

Anlässlich des 100. Geburtstages der Kommunistischen Partei Chinas haben Ivan Franceschini und Christian Sorace einen Sammelband Proletarian China – A Century of Chinese Labour im Verso-Verlag herausgebracht. In diesem beleuchten etwa 70 Artikel die Geschichte des chinesischen Proletariats als Klasse. Das Buch verbindet dabei die große Geschichte Chinas mit den kleinen Geschichten der Arbeiter*innen. Eine Rezension.

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Schuften im Boss-Mode

Je weniger man das Gefühl hat, vom Chef rumkommandiert zu werden, desto größer die Jobqualität; so lautet eine einfache Rechnung. Aber stimmt der Zusammenhang überhaupt? Oder nutzen Unternehmen hier nur einen Trick, um Aufgaben, die früher durch gut bezahltes, qualifiziertes Führungspersonal erledigt wurden, auf die einfachen Angestellten abzuwälzen?
Yoko Asuyama von der Waseda-Universität in Japan hat den Zusammenhang vergleichend für 20 Länder untersucht. Für Marxist*innen ist die Frage dahingehend interessant, dass bürgerliche Kritiker*innen behaupten, die Marxsche Entfremdung könne allein auf Industriearbeiter*innen im Taylorismus zutreffen, die keine Autonomie über ihre konkreten Aufgaben besäßen. Mit der modernen Gesellschaft und die Abflachung von Hierarchien hingegen, würden die Arbeiter*innen auch weniger entfremdet.

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Algorithm is a Battlefield

Sind Produktionsmittel immer etwas Stoffliches? Ist eine Maschine in jedem Fall ein metallener Kasten oder kann auch ein Code eine Maschine, eine Plattform eine Fabrik und ein Algorithmus ein Produktionsmittel sein? Aitor Jiminez Gonzalez von der Universität in Melbourne begründet in der Critical Sociology, warum es sinnvoll ist, auch immaterielle Maschinen und Fabriken als solche anzuerkennen. Er leitet daraus Folgerungen für einen zeitgemäßen Klassenkampf für, mit und durch das digitale Proletariat ab.

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Durch die Dornen in den Nebel – Yuliya Yurchenkos Buch „Ukraine and the Empire of Capital“

Der Kampf in der Ukraine ist schon jetzt ein Mythos. Für die einen der Kampf eines wehrhaften Volks für Freiheit und Demokratie, für die anderen die Befreiung von Faschismus und Willkürherrschaft der NATO. Mythen bleiben zwar Mythen, aber sie sind doch von dieser Welt. In ihnen spiegeln sich die materiellen Grundlagen des Kampfes der Klassen und ihrer historischen Blöcke wieder. Yuliya Yurchenkos Buch „Ukraine and the Empire of Capital“ über die ursprüngliche Akkumulation durch Diebstahl in der postsowjetischen Ukraine ist eines der meist rezipierten Bücher in der englischsprachigen Linken zur jüngeren Geschichte des Landes. In Deutschland wurde es kaum wahrgenommen.

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Überstunden für das Kapital

Die Elementarform des Kampfes zwischen Kapital und Arbeit ist der Kampf um die Länge des Arbeitstages. Durch unbezahlte Überstunden oder unerfüllbare Arbeitsnormen versucht das Kapital die Artbeitskraft immer stärker auszubeuten. Telford und Briggs untersuchten, wie sich dies auf Arbeiter*innen in Nordostengland auswirkt. Sie fanden heraus, dass die Produktivität immer weiter sinkt, dass sich eine Kultur des Opportunismus entwickelte und dass es zu verschätften Spannungen am Arbeitsplatz kommt. In einer Studie über Arbeitsnormen und Überstunden arbeiten Luke Telford und Daniel Briggs in der aktuellen Capital & Class die Rolle des mittleren Managements im Kampf um den Arbeitstag der neuen Servicesektoren heraus. Wie verschleiert die Rolle dieser Klasse den fundamentalen Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit?

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Structural Turn – Vivek Chibbers neues Buch “The Class Complex”

Bestimmt die gesellschaftliche Struktur die Kultur oder ist es die Kultur, welche die Gesellschaft formt? Vivek Chibber, bekannt als Journalist für das Jacobin-Magazin, möchte diesen Streit in die nächste Runde führen. In seinem neuen Buch „The Class Complex – Social Theory after the Cultural Turn“ versucht er die Kulturtheorie dadurch auszustechen, dass er sie in sein Konzept einer Klassenstruktur integriert.

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Die neue kybernetische Proletarisierung

Digitalisierung, Smart Production on Demand, Industrie 4.0: leuchtende Begriffe, die unsere Zukunft retten sollen. Was Sozialstaat und Löhne für ein angenehmes Leben nicht mehr zu leisten im Stande sind, sollen nur Transistoren und Algorithmen schaffen. In einer Fallstudie zeigt Simon Schaupp, Lehrkraft der Universität von Basel und Ko-Vorsitzender des Zentrums für Emanzipatorische Technikforschung, dass den Tendenzen des Ausschlusses von Arbeitskraft ebenso Tendenzen der Reintegration von entwerteter Arbeitskraft gegenüberstehen.

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