Cheng Enfu wurde 1950 in Shanghai geboren und ist Präsident des Institutes für Marxismus der Chiensischen Akademie der Sozialwissenschaften und Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität für Finanzen und Wirtschaft in Shanghai. Größere Bekanntheit erlangte er durch seine Interventionen in die seit 1987 geführte Debatte innerhalb der Kommunistischen Partei Chinas über die Entwicklungsstufen des Sozialismus. Strukturiert legte er 1991 seine Gedanken in der Monographie „Die Theorie der drei Phasen des Sozialismus“ dar, in welchem er den chinesischen Weg nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in einem allgemeineren historischen Rahmen einzuordnen versuchte. Danach begann sein steiler akademischer Aufstieg. Neben den oben genannten Ämtern ist er nunmehr Präsident der World Association of Political Economy (WAPE), sowie der chinesischen Gesellschaft für ausländische Ökonomie.
Er gehört zur so genannten Vierten Generation der chinesischen Ökonomen, welche nicht mehr – wie die dritte – rein wachstumsorientiert denken, sondern sich Gedanken um eine gerechte Verteilung des akkumulierten Reichtums machen. Cheng Enfu kann man somit zur neomaoistischen Strömung des politischen Spektrums der Volksrepublik zählen. Als Antwort auf neoliberale Ökonomen zeigte er innerhalb seiner Studien zur chinesischen Ökonomie, dass bereits unter Mao wirtschaftliche Erfolge erzielt werden konnten, auf denen die Periode der Kapitalöffnung später aufbauen konnte. Zwischen 1949 und 1978 seien chemische und die Schwerindustrie in eine Lage versetzt worden, welche die Öffnung Chinas in den folgenden Perioden erst möglich gemacht hätte. Diese Phase beschreibt er als das „erste Wunder“. Ohne die unter Mao gelegten Grundlagen wäre es nicht möglich gewesen, trotz des Zusammenbruchs der Sowjetunion, diversen Blockaden durch imperialistische Staaten und einen starken Bevölkerungsanstieg das Bruttosozialprodukt um jährlich durchschnittlich 6% zu steigern. Entgegen einem in der Partei bekannten Credo, wonach Mao China widerstandsfähig, Deng Xiaoping es reich und Xi Jinping stark gemacht habe, legt Cheng wert darauf, dass das Land bereits unter Mao stärker und reicher geworden sei.
Cheng selbst rechnet sich der Strömung des innovativen Marxismus zu, welche durchaus bereit ist Modifikationen am Wertgesetz oder der Leninschen Imperialismusdefinition vorzunehmen. Unter diesen Gesichtspunkten sucht Cheng immer wieder die chinesische und internationale Öffentlichkeit. 2006 gab er das chinesischsprachige fünfbändige Werk „Die Geschichte des marxistischen ökonomischen Denkens“ heraus, ebenso 2015 „Die neuere Entwicklung des Marxismus im China der Gegenwart“. Auf Englisch publizierte er zahlreiche Artikel in verschiedensten Fachmagazinen, die sich mit dem Verhältnis zwischen der jüngeren Geschichte Chinas, marxistischer Philosophie und politischer Ökonomie befassten. 2013 erschien in den Marxistischen Blättern sein Artikel „Sieben Strömungen. Gesellschaftliche Überlegungen und ihre Entwicklung im China der Gegenwart mit einem Fokus auf den innovativen Marxismus“.
Cheng war dreimal für den Nationalen Volkskongress Chinas abgeordnet und begleitete durch viele Eingaben und Empfehlungen insbesondere die Erstellung der Wirtschaftspläne und den Ausbau des Rentensystems. Seine Vorschläge zielten dabei meist auf eine Verringerung der Unterschiede zwischen Arbeiter*innen, Bäuer*innen und Funktionär*innen in der Höhe der Löhne und Renten. Sein wirtschaftliches Leitbild war das Bruttowohlfahrtsprodukt, welches die ökonomische Leistungsfähigkeit eines Landes nicht nur an den kapitalistischen Parametern des BIP messen sollte, sondern zahlreiche soziale Faktoren mit berücksichtigte.