⋄ Die Gruppe CibCom (Cyberkommunismus) ist eine spanische Arbeitsgruppe, die sich mit Problemen der Wirtschaftsplanung beschäftigt. ⋄ Sie schließt an die Konzepte Paul Cockshotts an und steht politisch der Association for the Design of the History nahe. ⋄ Noch betreibt die Gruppe keine eigene Grundlagenforschung, sondern popularisiert wissenschaftliche Erkenntnisse im Kontext des kybernetischen Kommunismus. ⋄ Diesen Monat brachte sie eine kostenlose Broschüre „Mathematik der Wirtschaftsplanung: Eine Einführung in die cybersozialistische Berechnung“ heraus. ⋄ Diese soll eine Brücke zwischen einführender und tiefgreifender Literatur zur Wirtschaftsplanung schaffen. |
Dieser Blog möchte neben aktuellen Aufsätzen auch hin und wieder Personen und Institute vorstellen, die für die zeitgenössische marxistische Diskussion relevante sind. Unter Institut wird dabei nicht nur eine rein universitäre Arbeitsform begriffen, sondern alle Arten von Arbeitsgruppen, die sich strukturiert und wissenschaftlich mit Problemen sozialistischer und kommunistischer Theorie und Praxis beschäftigen. Heute soll die Gruppe CibCom vorgestellt werden, eine spanischstämmige Arbeitsgruppe aus jungen Wissenschaftler*innen und Aktivist*innen, die sich hauptsächlich mit Fragen demokratischer und ökologischer Wirtschaftsplanung auseinandersetzen.
Das Institut
Die Cibcom ist eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe aus Spanien, die sich der Erforschung der Möglichkeiten sozialistischer Wirtschaftsplanung unter den aktuellen technologischen Bedingungen (Informatik, Telekommunikation und künstliche Intelligenz) beschäftigt. Cibcom ist dabei das Akronym für Cyberkommunismus. Die Gruppe veröffentlicht Blogbeiträge, Videos und umfassendere Text, von denen die meisten auf Spanisch, einige jedoch auch in englischer Sprache zu lesen sind. Sie sieht sich in der Tradition Paul Cockshotts und möchte auf seinen Grundlagen die institutionellen, wirtschaftlichen und informatischen Grundlagen zu schaffen, um ein tragfähiges und effizientes Modell einer demokratisch geplanten sozialistischen Wirtschaft aufzubauen, die von den Ideen von Marx inspiriert ist.
Cibcom veröffentlicht, übersetzt und rezensiert wissenschaftliche Beiträge, welche sich mit demokratischer Wirtschaftsplanung auseinandersetzen. Dabei geht es sowohl um mathematisch-methodische Fragen, als auch um die der politischen Umsetzbarkeit und Übergangsprogramme. Inhaltlich fokussiert man sich auch ökonomisch-ökologisch-soziale Analysen, Planungsgeschichte und demokratische Philosophie. Unter anderem unterstützen neben Paul Cockshott Tomas Härdin, Ian Wright, Dave Zachariah and Fahd Boundi das Projekt durch diverse Beiträge, Lizenzüberlassungen und Korrekturen. Die bisher veröffentlichten Beiträge dienen noch vordergründig der Popularisierung cyberkommunistischer Theorien und Methoden. Wirkliche Forschungsarbeit an konkreten Problem wurde noch nicht geleistet, ergibt sich perspektivisch jedoch aus dem Anspruch der Cibcom.
Politisch steht man der Association for the Design of the History nahe, die sich lose um das „Beschleunigungsmanifest für eine akzelerationistische Politik“ von Nick Srnicek und Alex Williams organisiert. Cibcom geht davon aus, dass die wichtigsten mathematischen Werkzeuge zur Umsetzung einer effizienten Planwirtschaft seit den 1940er Jahren bestehen. Sie sieht aber in der Bewältigung der Informationsmengen und in der Echtzeitbearbeitung noch ungeklärte Forschungsfragen. Jedoch stelle sich nicht die Frage, ob Wirtschaft geplant werden, sondern ob sie von einer oligarchischen Klasse oder demokratisch durch alle Bürger*innen geplant werde.
Die Mathematik des Cyber-Kommunismus
Diesen Monat veröffentlichte die Gruppe Cibcom eine Broschüre mit dem Titel „Mathematik der Wirtschaftsplanung: Eine Einführung in die cybersozialistische Berechnung“. Die Autor*innen erkannten, dass es zwischen einführenden, oberflächlichen und weiterführenden, tiefgreifenden Texten eine fehlende Brücke gäbe, die es Interessierten schwer mache, sich vertieft mit Konzepten der Wirtschaftsplanung auseinanderzusetzen.
Das Ziel der Broschüre ist dabei klar: Gefragt sind Konzepte für eine Wirtschaft, in der bewusst nach den Bedürfnissen der Menschen geplant wird, an den natürlichen Ressourcen orientiert und demokratisch. Dazu sollen moderne Rechnerleistungen und Algorithmen genutzt werden. Um nun die Leser*innen in die Lage zu versetzen, die technischen Bedingungen informiert beurteilen zu können und Interessierten die Grundlagenmathematik an die Hand zu geben, um sich tiefgreifender mit der Materie zu beschäftigen hat das CibCom nun die „Mathematik zur Wirtschaftsplanung“ herausgebracht.
Das Ziel der Broschüre ist dabei klar: Gefragt sind Konzepte für eine Wirtschaft, in der bewusst nach den Bedürfnissen der Menschen geplant wird, an den natürlichen Ressourcen orientiert und demokratisch. Dazu sollen moderne Rechnerleistungen und Algorithmen genutzt werden. Um nun die Leser*innen in die Lage zu versetzen, die technischen Bedingungen informiert beurteilen zu können und Interessierten die Grundlagenmathematik an die Hand zu geben, um sich tiefgreifender mit der Materie zu beschäftigen hat das CibCom nun die „Mathematik zur Wirtschaftsplanung“ herausgebracht.
Obwohl sich die Broschüre um Allgemeinverständlichkeit bemüht und einen kleinen Grundkurs in Sachen Matrizenrechnung enthält, sollte man ein klein wenig anwendungsbereites Wissen aus der Oberstufenmathematik parat haben. Die optisch schöne Umsetzung und viele einfache Rechenbeispiele (Leontieff-Matrizen werden am Beispiel einer urkommunistischen Gesellschaft eingeführt) erleichtern zwar das Verständnis, aber es ist doch ein bisschen viel auf einmal für Neulinge. Wer allerdings schon immer mal ein bisschen in die Matrizenrechnung einsteigen wollte, kann das Buch und ein paar Youtube-Tutorials zur Grundlage nehmen.
Die Mathematik berührt Lösungsansätze für zwei Grundprobleme der Wirtschaftsplanung: die Erfassung großer Güter- und Arbeitsströme in riesigen Matrizen und die automatische, „kybernetische“ Lösung der bestmöglichen Produktionsmechanismen durch lineare Optimierung. Sich auftuende Probleme werden immer wieder zwei bis drei Lösungsmöglichkeiten ergänzt. Ein spannender Aspekt ist beispielsweise,wie der CO2-Verbrauch direkt in die Produktionsplanung integriert werden kann, um Umweltvorgaben direkt umsetzen zu können.
Leser*innen, die bereits mit Cockshott, Cottrell, Dunkhase (hier) und Sandleben (hier) vertraut sind, wird wenig neues begegnen, aber erstens legt die Broschüre nochmal viel Wert auf ein Verständnis der Grundlagenmathematik von Planwirtschaft und zweitens ist es ein übersichtliches, schick gestaltetes und frei zugängliches Werk, welches in Diskussionen oder für Interessierte immer sofort zugänglich ist.
weitere interessante Artikel
Die Gruppe CibCom bietet eine übersichtliche, aber qualitativ hochwertige Sammlung an Artikeln und Beiträgen zu Planungsgeschichte und -methoden, demokratischer Philosophie, ökologischen, ökonomischen und sozialen Analysen, Artikeln zu Fragen des Übergangs, Kurzbiographien und Buchrezensionen an. Hieraus ein paar kleine Beispiele:
Tomás Hardin diskutiert in seinem Artikel „Der 5-Sekunden-Plan“, dass bei einer Impulsstörung des Produktionsprozesses die menschliche Trägheit mit berücksichtigt werden muss. Keine*r Arbeiter*in ist es zuzumuten, alle fünf Sekunden wieder vor einen neuen Produktionsplan zu stellen, um jede neue Störung des Gesamtsystems exakt zu beantworten. Dafür müssen ökonomische, technische und politische Lösungen gefunden werden. Andere spannende Aufsätze finden sich unter: https://www.haerdin.se/tag/cybernetics.html
Der Artikel „Inter-Njet“ beleuchtet die Geschichte der russischen Versuche auf dem Gebiete der Kybernetik. Der Autor Slava Gerowitsch beschreibt die Anfangseuphorie, die Angst der Vereinigten Staaten vor dem Gelingen und geht der Frage nach, warum die UdSSR eigentlich nie ein Internet aufgebaut hat, obwohl die technischen Grundlagen durchaus gelegt hätten werden können. Er macht letztinstanzlich einen Kompetenzstreit verantwortlich, da die Militärangehörigen nicht wollten, dass ihre Infrastruktur für zivile Zwecke genutzt werde.
Im Gegensatz zu Dunkhase und Sandleben haben sich in einem Beitrag zu Übergangsprogrammen Paul Cockshott, Allin Cottrell und Heinz Dieterich mit Fragen der Transformation von einer Markt- zu einer Panwirtschaft beschäftigt. Im Wesentlichen skizzieren sie einen Drei-Stufen-Plan, bei dem Euro-Noten erst durch arbeitsbezogene Euro-Scheine und dann Arbeitszeitkonten umgewandelt werden. Der Markt soll über den Hebel öffentlicher Banken langsam in einer Netz der Cyberkoordination überführt werden. Eine Verstaatlichung der Industrie sehen die drei Autoren zu Gunsten von Änderungen des Handelsrechts und einer Stärkung der Arbeiter*innenbeteiligung nicht vor. Damit würden kurz- und mittelfristig teure Entschädigungen vermieden. Als Binnenmarkt kalkulieren sie mit der EU und nicht den einzelnen Nationalstaaten.
Zusammenfassung
Die Gruppe CibCom ist ein junges, spannendes und anregendes Projekt. Auch wenn die Ressourcen noch begrenzt sind, stellt sie bereits viele spannende Artikel zur Verfügung. Für jeden, der sich für Wirtschaftsplanung interessiert, stellt die Seite zudem einen idealen Ausgangspunkt für die weitere Recherche dar, da viele Bücher, Autor*innen und Aufsätze verlinkt sind. Let´s plan again!
Literatur:
CibCom (2022): Mathematics to plan an economy. Introduction to cyber-socialist calculus. Ohne Ort: CibCom. [online: https://cibcom.org/mathematics-to-plan-an-economy-an-introduction-to-cyber-socialist-calculation/]
Internetseite der CibCom: https://cibcom.org