⋄ Williams Jefferies argumentiert, dass die ökonomische Größe Fixed Capital Stock (FCS) nicht, wie von einigen Marxisten angenommen, als fixes Kapital behandelt werden kann. ⋄ Vielmehr seien im FCS bereits zulünftige Profite mit einberechnet anstatt das vorgeschossene Kapital anzugeben. ⋄ Dadurch würde das konstante Kapital strukturell überschätzt, während die Profitraten unterschätzt würden. ⋄ Für die USA ließe sich ein Schätzwert für das fixe Kapital über den DALD ableiten, der in den Daten der Steuerbehörde zu finden sei. ⋄ Die korrigierten Berechnungen zeigen auf, dass der Trend zur Angleichung der Profitraten zu einer allgemeinen Profitrate tatsächlich nachweisbar ist. |

Falsche Freunde kennt jeder aus dem Fremdsprachenunterricht: Wörter, die ähnlich klingen, aber unterschiedliche Bedeutungen haben. Ein Engländer wird zwar nicht verstehen, was ein Handy ist, sich aber mehr über Gift freuen als ein Deutscher. Und im Russischen ist ein Butterbrot eben nicht nur mit Butter bestrichen. Übersetzen müssen auch marxistische Ökonomen. Wirtschaftsdaten werden in der Regel von bürgerlichen Institutionen erhoben – Ministerien, Universitäten, etc. – und beruhen in der Regel nicht auf den Definition aus dem Kapital. Man muss also schon genau hingucken, was passt und sei es mit ein bisschen Ziehen und Zerren.
William Jefferies behauptet in einer aktuellen Studie in der Capital&Class, dass viele Empriker, die mit Daten der UNO, OECD und WIOD gearbeitet haben, ebenfalls einem falschen Freund aufgesessen seien. Sie hätten den Fixed Capital Stock als fixes Kapital interpretiert. Warum das aber nicht funktioniert, wie dies berechnete Profitraten verfälscht und welche Alternativen es gibt, darüber soll der folgende Artikel einen kurzen Einblick geben.
Die Tautologie von Wykoff und Hulten
Marxist*innen verfügen in der Regel nicht über die riesigen wissenschaftlichen Apparate bürgerlicher Institutionen und müssen sich daher auf bürgerliche Datenerhebungen stützen. Da diese jedoch in aller Regel nicht auf marxistischer Theoriebildung basieren, muss immer die kritische Frage gestellt werden, welche Daten benutzt werden können und ob die zugrunde liegende Methodik die Verwendung erlaubt. Und genau hier wirft William Jeffries einigen bekannten marxistischen empirischen Forschern wie Cockshott und Cottrell, Anwar Shaikh, Michael Roberts oder Deepankar Basu vor, sich bei der Bemessung des fixen Kapitals unzulässigerweise auf das von Charles R. Hulten und Frank C. Wykoff geprägte System of National Accounts zu stützen. Die WIOD, die Penn Table oder die OECD-Daten arbeiten alle mit diesem System. Sie würden die Größe des Fixed Capital Stock als verausgabtes fixes Kapital interpretieren. Hulten und Wykoff hatten aber keinesfalls eine solche Größe im Sinn.
Dem Fixed Capital Stock liege der so genannte Net Present Value – im Deutschen der Kapitalwert – zugrunde. Der Kapitalwert zähle dabei nicht die Kosten für die gekauften Produktionsmittel, sondern weil der Wert eines Kapitals ja in seiner Eigenschaft besteht, Mehrwert zu generieren, wird diese Eigenschaft bereits mitgezählt. Zukünftige Profite sind also bereits in den Wert der Produktionsmittel von vorneherein eingepreist oder genauer: er den Wert von Kapitalgütern als diskontierte Summe zukünftiger Erträge (z. B. Mieten, Gewinne), nicht als historische oder reproduktionskostenbasierte Ausgaben. Die OECD stellte dies 2009 in der Beschreibung der von ihr erhobenen Größen auch nochmals klar. Die Folge ist, dass das fixe Kapital viel zu hoch erscheint und folglich die Profitrate p=m/(c+v) viel zu niedrig.
Was der Fixed Capital Stock ausdrückt, ist eher etwas, was Marx als den imaginären Wert des Bodens in der Grundrententheorie umschreibt. Der Preis eines Stücks Land bemisst sich dabei nach der voraussichtlichen Grundrente in einem festgelegten Rahmen. Für die bürgerliche ökonomische Theorie ist das auch sehr passend. Wenn ohnehin alle „Produktionsfaktoren“ zum Wert einer Ware beitragen, dann stören spitzfindige Unterscheidungen innerhalb der einzelnen Assets nur. Da Wykoff und Hulten den Wert der Produktionsmittel als Opportunitätskosten inklusive zu erwartender Profite beschreiben, sehen sie die Produktionsmittel auch als die Quelle des Profits an und nicht die Arbeit, die durch die Produktionsmittel ermöglicht wird. Das ist konzeptionell ein riesiger Unterschied zum marxistischen Ansatz und hat auch nichts mit Abschreibungskosten (Näheres hier) zu tun. Die sind auch wichtig, können aber nur durch stichprobenartigen Vergleich der Preise der Produktionsmittel mit denen auf dem Second-Hand-Markt ermittelt werden, wobei auch in zweiterem die zukünftigen Profite eingepreist sind.
Joan Robinson wies bereits 1953 auf die Zirkularität der Berechnung des FCS hin. Denn in der bürgerlichen Statistik werden Profite als Differenz von Preisen und Kosten berechnet. Wenn die Kosten der Produktionsmittel aber bereits den zukünftigen Preis enthalten, dann ist der Profit ohnehin schon von vorneherein unterstellt. Die OECD gab in Measuring Capital diese Zirkularität sogar offen zu und verwies auf eine exogene „plausible Profitrate“, die man hier ansetzen müsse. Das heißt auch, man rechnet mit Daten aus der Zukunft; ein Widerspruch in sich.
Da im Marxismus die Diskussion um den tendenziellen Fall der Profitrate wichtiger ist als die absolute Höhe der Profitrate, muss allerdings auch gesagt werden, und das zieht Jeffries nicht in seine Erwägungen ein, dass mit Nutzung des FCS auch der Fall – sollte die Profitrate fallen – flacher erscheint. Denn sinken die generierten messbaren Profite, wird auch der Wert der Assets durch den FCS niedriger bewertet. Damit sinkt der Wert des Zählers und die fallende Profitrate wird mit ihrem Sinken immer weniger stark unterschätzt. Bei einer Profitrate von 0% würde sogar der FCS dem fixen Kapital entsprechen.
Berechnung des verausgabten Kapitals
Wenn es also nicht möglich ist, den Fixed Capital Stock zur Bestimmung des fixen Kapitals zu nutzen, gibt es Alternativen? Jeffries fasst zusammen, dass das fixe Kapital aus drei Bestandteilen besteht: den historischen Kosten für die Anschaffung, die Kosten für die Installation und die Kosten für den Erhalt der Produktionsmittel. Man muss sich dabei noch einmal die Metamorphose des fixen Kapitals klar machen. Zuerst liegt es in Geldform in der Tasche des Kapitalisten vor. Nachdem er es in Form von Produktionsmitteln verausgabt hat, ist es nicht mehr in Geldform verfügbar, sondern seine Gebrauchswert geht konkret in die Produktion ein, während der Tauschwert innerhalb der Produktion auf den Warenwert übertragen wird, ohne neuen Wert zu schaffen. Mit jedem Verkauf der produzierten Waren fließt ein Teil des vorgeschossenen Kapitals in die Taschen des Kapitalisten zurück, während der Gebrauchswert durch Verschleiß oder moralische Entwertung auf Grund des technischen Fortschritts abnimmt. Kurz gesagt, kann man annehmen, dass das fixe Kapital während seiner durchschnittlichen Lebensdauer linear jedes genutzte Jahr den proportionalen Anteil seines Werts wieder zurück in die Taschen der Kapitalisten spült. In der bürgerlichen Ökonomie wird dieser Prozess durch die Abschreibungstheorie behandelt, welche etwa die Grundlage für die Besteuerung von Unternehmen ist.
Fündig kann man also bei der Steuerbehörde werden. Im Falle der USA ist das die IRS. Diese Behörde erhebt die Depreciable Assets Less Depreciation (DALD), also die Basis noch nicht abgeschriebener Investitionen, auf deren Grundlage dann die Abschreibung erfolgt. Jedes Produktionsmittel, dass länger als ein Jahr genutzt wird, zählt hier nicht mehr unter zirkulierendem Kapital und wird behandelt. Im Unterschied dazu zählt Marx jedes Produktionsmittel, dass länger als einen Umschlag fungiert. Ebenso umfasst die Größe keine immateriellen Produktionsmittel wie Nutzungsrechte, Patente oder Lizenzen, noch etwa Boden, der durch eine andere Methodik besteuert wird. Dennoch kommt dieser Wert dem fixen Kapital im Marxschen Sinne am nächsten. Damit ließe sich nun auch eine realistischere Profitrate berechnen. Alle Daten, die hierzu weiter benötigt werden, finden sich ebenfalls bei der IRS. Da Jeffries nicht die jährliche Profitrate, sondern die pro Umschlagszeit berechnen will, benötigt er letztere, die durch den Net Operating Cycle beschrieben werden. Das produktive Kapital (Cost of Goods Sold) teilt er durch die Umschlagszeit, während das unproduktive Kapital (Total Deductions – Cost of Goods Sold) von der Umschlagszeit unberührt bleibt. Neben dem DALD als fixem Kapital fungieren noch die Invertories als zirkulierendes Kapital. Der Gewinn selbst wird durch das Net Income Less Deficit angegeben, durch das man alle aufgezählten Ausgaben teilen kann, um auf die Profitrate zu kommen.
Was lernen wir mit den neuen Daten?
Wir kennen also nun die passendere ökonometrische Größe. Wie groß ist denn nun der Unterschied zur Nutzung des FCS? Jeffries hat das Verhältnis zwischen Abschätzung des fixen Kapitals auf Basis des FCS und auf Basis des DALD verglichen und kommt zu einem erstaunlichen Ergebnis. Je nach Methodik unterscheiden sich die berechneten Werte um 427% bis 688%. Auch die einzelnen Sektoren weisen extreme Unterschiede auf.

Da im Dienstleistungsgewerbe in der Regel nicht so viel fixes Kapital im Vergleich zum variablen und im Baugewerbe zum zirkulierenden genutzt wird, sind hier die Differenzen eher gering. Aber insbesondere im Bergbau überschätzt der FCS das fixe Kapital um das Siebenfache. Denn hier werden die Effekte der relativen und absoluten Grundrente mit in den Wert des fixen Kapitals hineingerechnet. Das sind alles erhebliche Unterschiede in der Bewertung des fixen Kapitals, welche sich auch in der Berechnung der Profitrate niederschlagen müssen.
Dabei scheint sich zunächst eine Voraussage von Marx zu erfüllen. Der Anteil des fixen Kapitals in Form immer modernerer und selbstständiger arbeitenden Produktionsanlagen steigt im Beobachtungszeitraum an. Im Dienstleistungssektor macht sich vor allen Dingen die Digitalisierung als Wachstum der organischen Zusammensetzung bemerkbar. Jeffries weist zu Recht auf den Einfluss des US-Handels mit China hin, bei dem immerhin knapp 50% aus Maschinerie bestehen. Denn während zwar die technische Zusammensetzung des Kapitals (als Maß für die effektive Produktivität des konstanten Kapitals) stieg, bildete sich das lange Zeit nicht in einer ansteigenden organischen Zusammensetzung ab, da die Importprodukte vergleichsweise billig waren. Mit den schon Ende der 2010er Jahren einsetzenden Entkopplung von China, stieg derweil die organische Zusammensetzung teilweise sprunghaft an, da die billigen Importprodukte nun durch teurere US-Erzeugnisse substituiert werden mussten, wenn man nicht Produktivkraftverluste hinnehmen wollte. Der Einschub macht deutlich, dass Kontext zum Verständnis der Daten eine wesentliche Rolle spielt.
Die Berechnung der Mehrwertrate ist etwas umständlich, da zwischen produktiver wertbildender Arbeit und unproduktiver Arbeit differenziert werden muss. Die unproduktive Arbeit geht dabei wie das konstante Kapital in die Bilanz des Kapitalisten ein, da sie Mehrwertschöpfung ermöglicht, aber keinen Mehrwert schafft. Auch hier zeigt sich ein nach Marx erwartbares Bild. Während die Dienstleitungen recht geringe Mehrwertraten aufweisen, da hier bei der Bildung der Profitrate nicht annähernd so hohe Kosten für die Produktionsmittel kompensiert werden müssen, liegt die Mehrwertrate in der Industrie etwa bei 280%; gesamtökonomisch wuchs sie von knapp 100% Anfang der 90er Jahre auf nunmehr ca. 150%. Arbeitete also früher eine Arbeiter*in die halbe Zeit des Tages für den Kapitalisten, sind es nunmehr 60%.
Und die Profitrate?
Zuletzt kommen wir zu den Profitraten selbst. Diese unterliegen zwar einem gewissen Zyklus, sind aber im Beobachtungszeitraum von tendenziell 6% auf eher 10% gestiegen.

Wie schon frühere Untersuchungen gezeigt haben, sind die Industrieprofiten die maßgeblichen für die gesamte Ökonomie. Beide Kurven liegen enorm dicht beieinander. Das weist darauf hin, dass Marxens Preisbildungsmechanismus, der sich ja um den warenproduzierenden Bereich als Dreh- und Angelpunkt bewegt, auch in der Realität so funktioniert. Aber hatte er nun Unrecht mit dem Fall der Profitrate? Nun, einige Relativierungen müssen hier vorgenommen werden. Erstens ist die fallende Profitrate in einer globalisierten Wirtschaft auch nur als weltweit fallende Durchschnittsprofitrate zu interpretieren (Näheres hier). Der ungleiche Tausch (Näheres hier, hier oder hier) oder die Rolle des US-Dollars als Weltwährung sorgen dafür, dass ein großer Teil der produktiven Arbeit eigentlich im globalen Süden verrichtet, aber in den USA realisiert wird. Da die Wirtschaft sich im Beobachtungszeitraum weltweit enorm liberalisiert hat, sind hier steigende Übergewinne erwartbar. Der Anstieg der Handelsprofite deutet auf diesen Zusammenhang hin. Zweitens haben wir es, wie bereits gesagt, mit einer Deflation von Produktionsmitteln, insbesondere im Dienstleistungssektor zu tun. Billige EDV aus Asien hat über einen beschränkten Zeitraum die Kosten des fixen Kapitals gesenkt, um die Profit zeitweilig zu steigern. Drittens ist es schon fraglich, ob ein Sektor wie der Bergbau wirklich sechs Jahre lang im Minus verweilen kann oder ob die Metrik hierfür doch prinzipiell hinterfragt werden muss. Viertens unterliegen die Daten natürlich auch Schwankungen in der Steuergesetzgebung. Was ein Unternehmen bei der Versteuerung angeben kann und muss, ist sehr von der politischen und wirtschaftlichen Konjunktur abhängig.
Die Daten zeigen aber auch etwas weiteres. Abgesehen vom Bergbau, dessen sehr unnatürliche Profitrate vielleicht in Problemen mit der Bodenrententheorie begründet sein könnte und dem Finanzsektor, dessen Zinsprofite sich zum großen Teil aus erst noch zu realisierenden, erwarteten Profiten der Produktion speisen, befinden sich alle Profitraten innerhalb einer Standardabweichung der Durchschnittsprofitrate. Damit scheint es einen Trend zu einer allgemeinen Profitrate zu geben, der zumindest in Zeiten, in denen sich die Produktivkräfte nicht sprunghaft entwickeln, mit der Marxschen Theorie konsistent wäre.
Zusammenfassung
William Jeffries weist überzeugend nach, dass der häufig benutzte Fixed Capital Stock nicht genutzt werden kann, um das fixe Kapital zu berechnen. Damit sollten viele bereits berechnete Profitraten zu hoch ausfallen. Dass die Daten der US-Steuerbehörde konsistenter mit marxistischer Theorie vereinbar sind, legte Jeffries plausibel dar, auch wenn aus der Folge kaum noch internationale Vergleiche der Profitrate möglich sind, insbesondere, weil die einfach zugreifbaren Datensätze die entsprechenden Werte nicht sammeln. Dabei gibt es dennoch einige Merkwürdigkeiten. Ausgerechnet zu eigenen Berechnungen, die noch auf dem FCS beruhten, weicht die von Jeffries berechnete Profitrate gar nicht maßgeblich nach unten ab (Näheres hier).
William Jeffries erweist sich erneut als intelligenter, skeptischer und detailversierter marxistischer Ökonometriker, der wichtige Fragen stellt und somit zum Überdenken der Kritik der politischen Ökonomie anregt. Dabei zerschlägt er bereits einige Eier, auch wenn das Omelett noch nicht ganz rund ist.
Literatur:
Jefferies, W. (2025): The enterprise rate of profit in key US sectors 1994–2020: An examination of the tendency towards the equalization of sectoral profit rates and a critique of Hulten and Wykoff fixed capital stock valuations in the US. In: Capital&Class. Online First. DOI: 10.1177/03098168251341165.