Zement, in Gold verpackt: Venezuela, Raubbau und der marxistische Kunstbegriff

⋄ Abstrakte Kunst hat das Potential, bei der historisch-materialistischen Erkenntnis über die Welt behilflich zu sein.

⋄ Kunst ist eine bewusste Manipulation der sinnlichen Wahrnehmung, die Eindrücke gewährt, die sonst verborgen bleiben.
Abstrakte Kunst kann dies für abstrakte Kategorien leisten.

⋄ Santiago Costa führte dies am Beispiel des wichtigsten Motivs der venezolanischen Künstlerin Esperanza Mayobre aus: goldbschichteten Zementblöcken.

⋄ Diese thematisieren einerseits die Dialektik von Tauschwert und Gebrauchswert in Form und Inhalt von Naturprodukten, die sowohl gesellschaftlich konstituiert, als auch mit dem planetaren Metabolismus verbunden sind.

⋄ Konkret bezieht sie sich andererseits auf ein Goldabbaugebiet in Venezuela, in der die widersprüchliche und brutale Wirklichkeit sozialistischer Versuche unter den Bedingungen imperialistischer Repression deutlich wird.

Abstrakte Kunst gilt nicht unbedingt als das Lieblingsfeld von Marxist*innen. In den 1920er Jahren stand sie noch, ausgeübt durch künstlerische Avantgarden, symbolisch für den Aufbruch der alten Welt durch die Oktoberrevolution. Adorno schrieb ihr Widerstandsfähigkeit gegenüber der Kulturindustrie zu, aber auch den Hang zur Unverbindlichkeit leerer Abstraktionen. Vielen praktischen Revolutionären galt die abstrakte Kunst als kleinbürgerliche Selbstbeschäftigung ohne Bezug zu den proletarischen Massen. Dass Kunstwerke wie Beuys’ Fettecke 1986 vom Hausmeister in den Müll geschmissen wurden, anstatt die Reorganisation von Form und Stoff zu würdigen, ist eine der bekanntesten Anekdoten über die Entfremdung moderner Künstler*innen von den Werktätigen. Für Marx wiederum stellte nicht die moderne Kunst ein Rätsel dar, sondern warum klassische griechische Kunst und die Stücke Shakespeares trotz ihrer jeweiligen Gebundenheit an gesellschaftliche Formen auch später noch Reiz ausübten.

Abstrakte Kunst sollte jedenfalls ein adäquater Ausdruck einer Gesellschaft sein, deren gesellschaftliche Verhältnisse einen so hohen Abstraktionsgrad eingenommen haben, dass sie im Wesentlichen durch Objekte vermittelt werden, ohne, dass es noch auffällt. Esperanza Mayobre hat solche Objekte zum Zentrum ihrer Installationen gemacht: vergoldete Zementblöcke. Was diese über das Verhältnis von Mensch und Natur und die Goldindustrie in Venezuela lehren, arbeitete Santiago Acosta im Journal of Latin American Cultural Studies heraus.

Spiegelmetapher und die materialistische Funktion der Kunst

Zunächst sollte man sich der abstrakten Kunst über die Frage annähern, welchen Erkenntniswert Kunst im Allgemeinen überhaupt haben kann. Erkenntnis oder Bewusstsein wird in der marxistischen Theorie gerne mit der Spiegelmetapher umschrieben. Diese Metapher beinhaltet hierbei drei Aspekte: Während es eine zweifellos objektive Realität gibt, ist Erkenntnis in der Lage, diese im Bewusstsein adäquat widerzuspiegeln. Dennoch fehlt dem Spiegelbild die Dimension der Tiefe. Egal, wie gut der Spiegel ist und aus welcher Perspektive ein Ding angeschaut wird; dahinterliegende Aspekte können nur durch aktive Bewegung entdeckt werden. Der dritte Aspekt ist der, dass die herausgespiegelte Dimension keine räumliche Natur besitzen muss, sondern sehr abstrakter Gestalt sein kann. Die formelle Logik etwa abstrahiert durch zeitlose Definitionen vom Aspekt des Werdens der Realität.

Ein Dilemma tut sich dort auf, wo sich das gespiegelte Objekt nicht verschieben lässt. Die marxistische Erkenntnistheorie zielte daher auf eine Praxis ab, die Veränderung als notwendige Voraussetzung der Erkenntnis ansah. Nun ist die revolutionäre Bewegung nicht nur in Deutschland, sondern auch global zu schwach aufgestellt, um die Wirklichkeit mehr als punktuell zu verändern. Auch Nadelstiche sind nicht nichts, bewegen ihren Gegenstand und sorgen für Erkenntnis. Aber sie rütteln doch kaum an seit 200 Jahren ankonditionierten Ideologien. Wo sich das Objekt nicht ändern lässt, da lässt sich aber der Spiegel verändern. Der Wissenschaft selbst ist das verboten, denn sie soll den adäquatesten Ausdruck der Realität finden. Die bewusste Konstruktion eines Zerrspiegels ist damit der Kunst vorbehalten. Es wird also bewusst ein Raum geschaffen, der die Erkenntnis selbst bewegen soll, ohne die Realität verändern zu können und durch die bewusste Distanzierung von der sinnlich wahrnehmbaren Realität wird verhindert, dass hier Verwechselung auftreten. So erlaubt die Manipulation der sinnlichen Wahrnehmung eine kontrollierte, zeitweilige veränderte Auffassung von der Wirklichkeit, die nach Rückkehr Differenzen erkennt. Insbesondere, wo es wie im Marxismus, um häufig abstrakte Kategorien geht, ist jede Möglichkeit sinnlicher Wahrnehmung Gold wert.

Fetischwahrnehmung der Natur

Eine solche abstrakte Beziehung ist sicherlich der Warenfetischismus. Der Fetisch der kapitalistischen Gesellschaft besteht für Marx darin, dass soziale Beziehungen als Beziehungen zwischen Sachen erscheinen, sprich objektiviert sind. Der Kapitalist besitzt Produktionsmittel und Kapital, der Arbeiter benötigt Waren zur Reproduktion seiner Arbeitskraft und so erscheint als schlichtes Tauschgeschäft, was eigentlich die Herrschaft der Bourgeoisie über den Proletarier für acht Stunden Arbeitszeit am Tag ist. Acht Stunden, die den Arbeiter körperlich und seelisch ruinieren dürfen und die für den Arbeiter keinen Sinn machen müssen. Die abstrakteste Form der hierbei getauschten Waren ist dabei das Geld, das selbst zwar nur die Summe abstrakt menschlicher Arbeit widerspiegelt, aber letztendlich auch durch andere Waren reflektiert werden können muss, von denen die allgemeingültigste das Gold ist.

Nun ist aber selbst das Gold als abstraktester materieller Ausdruck der Warengesellschaft eben kein bloßes Abstraktum. Gold ist ein Naturprodukt. Gold entsteht innerhalb eines globalen Metabolismus. Obwohl Gold abstrakten Reichtum am unmittelbarsten widerspiegelt, wird kein Land vom Goldabbau reich. Dafür löst der Rausch nach Gold soziale Spannungen aus und führt häufig zur nachhaltigen Zerstörung der Umwelt, von der Gesundheit der giftigen Chemikalien ausgesetzte Bergleute ganz zu schweigen. Gold ist eben nicht durch die chemische Struktur seiner Atome „Wert“, sondern nur in den Beziehungen zwischen Ländern und Klassen. Der Warenfetisch ist damit sogar ein doppelter: einmal wird der Tauschwert so behandelt, als sei er nicht Produkt menschlicher Beziehungen und einmal, als wäre er nicht Teil eines planetaren Metabolismus.

Das Kunstwerk aus postkolonialer Sicht

Und genau diesen doppelten Warenfetischismus problematisiert etwa die venezolanische Künstlerin Esperanza Mayobre in ihrem Werkzyklus A.M.O. Arco Minero del Orinoco. Eines ihrer bekanntesten Motive sind dabei verschiedene Variationen goldbeschichteter Zementblöcke. Mehr muss man eigentlich gar nicht wissen. Die einzelnen Variationen betonen sicherlich unterschiedliche Aspekte, aber allein dieses Motiv reicht zum Verständnis der darunter liegenden Ebenen.

Eine erste Dimension zur Erschließung dieses Werks ist der zwischen ursprünglicher Akkumulation und kapitalistischer Akkumulation. Die Suche nach Gold war eine der Triebkräfte der Entstehung der kapitalistischen Weltgesellschaft seit dem Ende des 15. Jahrhunderts. Sie führte die Spanier und Portugiesen nach Südamerika und befeuerte die koloniale Unterwerfung der indigenen Völker. Der Goldhandel war Katalysator für den Sklavenhandel an der afrikanischen Westküste. Die Kolonialmächte tauschten zunächst europäische Waren gegen Gold bei den bereits etablierten ansässigen Königreichen, womit die weitere Warenproduktion befördert wurde, der Anstieg nach Arbeitskräften stieg und der Bedarf an Sklaven den an Gold überwog. Das führte dazu, dass sich Afrika als Goldproduzent ökonomisch nicht mit der europäischen und kolonialen Produktion mit entwickelte. Der Widerspruch besteht somit darin, dass auf der einen Seite der Abbau von Gold zwar die ursprüngliche Akkumulation stimulierte, aber die Goldproduktion selbst immer unrentabler wurde. Gerade weil sich der Goldabbau nur schlecht intensivieren ließ, war Gold überhaupt ein gutes Maß an Werten, die ansonsten einer hohen Inflation ausgesetzt gewesen wären. Umso absurder erscheint, dass für den Goldabbau indigene Völker vertrieben oder vernichtet und Lebensräume zerstört wurden.

Von Ebene zu Ebene der Widersprüche

Das Motiv des goldummantelten Zementblocks verdeutlicht diesen Widerspruch. Unter der Oberfläche des Goldes, das als Träger von Wert angesehen wird, sind es die in Massenproduktion herstellbaren Waren, wie Betongebäude, die den Wert der Sache ausmachen. Wert mag die Form von Gold annehmen, aber das innere Wesen des Werts ist die gewöhnliche vergegenständlichte Arbeit und was könnte diese besser repräsentieren als Zement oder Beton. Diese Stoffe besitzen nicht den Glanz des Goldes und werden nicht als Schmuckstücke getragen. Sie bestehen aus sehr profanen Naturstoffen, die weitläufig verfügbar sind: Sand, Wasser, Gips, etc.. Sie sind nicht nur beim Abbau relevant, sondern auch im Baugewerbe, das häufig als Inbegriff der einfachen abstrakten Arbeit gezählt wird. Hier gibt es viele Arbeitsschritte, die weitestgehend ungelernt ausgeübt werden können und die Potenz von komplizierterer zu einfacher Arbeit wird auf der Baustelle deutlicher als irgendwo anders. Während Beton zwar lagerbar und transportierbar ist, ist es ohne den Eingang in die weitere Produktion dennoch kein Wertspeicher, sondern der Wert wird direkt von Zeiten des Baubooms oder der Bauflauten bestimmt; also von der allgemeinen kapitalistischen Wirtschaftstätigkeit. Während Gold etwas knappes und besonderes ist, umgibt uns Beton in Häusern, Fabriken und Straßen allgegenwärtig in allen Sphären der kapitalistischen Wirtschaft: Produktion, Distribution und Reproduktion. Während Beton omnipräsent ist, fehlte Gold vor der neueren Computertechnik fast jeder Gebrauchswert.

Dass das Gold als Ebene der Erscheinung auftritt, deutet an, dass der Mensch für den Warenfetisch nicht wegen der Abstraktheit der bürgerlichen Verhältnisse anheim fällt, sondern gerade, weil er ein sinnliches Wesen ist. Und das führt uns zum zweiten symbolischen Widerspruch. Obwohl Gold und Beton unterschiedlicher kaum sein könnten, so teilen sie sich eine Gemeinsamkeit. Gold als Träger des Tauschwerts und Beton als Träger des Gebrauchswerts werden beide extraktiv und unter toxischen Verfahren aus der Erde gewonnen. Während jedoch die Schädlichkeit des Betons jedem sinnlich erfahrbar wird, der schon einmal welchen angerührt hat und den Zementstaub eingeatmet hat, umgibt das Gold ein Schein von Reinheit, der dessen Ursprung verkleidet. Mayobre nutzt zusätzlich die gemeinsame Form des Ziegels oder Blocks, die jedoch vollkommen unterschiedlich kontextualisiert sind. Der Goldbarren symbolisiert die Lagerbarkeit des Tauschwerts in seiner Goldform, während der Ziegel die symbolische Grundform des Gebrauchswerts von Bauwerken ist. Die Verhüllung konträrer Inhalte in der gleichen Form, die sprichwörtlich auch in der Alltagssprache, die Straßen nicht aus Gold gepflastert sieht, zum Ausdruck kommt, hält dem Warenfetischismus hier den Zerrspiegel vor. Disparitäten werden etwa durch ungleich hohe Türme dargestellt, bei denen der Betrachter wählen kann, welcher Turm Stoff und welcher Form repräsentiert.

Eine weitere Dimension ist die zwischen lokaler Produktion und globaler Zirkulation. Der Goldbarren symbolisiert als global anerkanntes Wertmaß sozusagen die weltweite Standardisierung kapitalistischer Wertimperative. Und nicht weniger normiert der Beton durch seine Formbarkeit und Allgegenwertigkeit die bürgerliche Gefühlswelt. Doch trotz dieser Normierung in der zweiten Dimension der Form, dem Block, ist die kapitalistische Realität eben nicht überall gleich. Es macht einen Unterschied, wo Gold gewonnen und wo es gelagert wird. Es macht einen Unterschied, wo Zement und Sand abgebaut werden und wo sie in Beton gegossen werden. Überall, wo die Rohstoffe gewonnen werden, leidet die menschliche Gesundheit mit der Umwelt, bleiben die Menschen arm und führen Krieg um die Krumen von Kuchen, während sich die imperialistischen Zentren Umweltstandards, Klassenkompromisse und Rechtsstaatlichkeit dank der Überausbeutung der Peripherie leisten können. Der Schein der bürgerlichen Gleichheit in den entwickelten Ländern basiert auf dem Wesen der globalen Ungleichheit.

Goldindustrie in Venezuela

Nun lässt sich die Dialektik der Wertform in Gold und Beton nicht nur abstrakt zeichnen. Mayobre bezieht sie auf ein ganz konkretes Gebiet in Venezuela. Die Orinoco Mining Arc (OMA) ist ein ressourcenreiches Gebiet im venezolanischen Amazonasgebiet, dass etwa 12% der Landesfläche einnimmt. Noch unter Hugo Chavez wurde mit den Planungen zu seiner Erschließung begonnen und 2016 unter Maduro wurde es zu einer nationalen Entwicklungszone erklärt. Es liegt südlich des Flusses Orinoco, dem viertwasserreichsten Süßwassersystem der Welt, der die Lebensader des dortigen Regenwaldes darstellt. Neben Gold birgt die OMA auch Coltan, Diamanten und Öl und sollte mittelfristig die Ölabhängigkeit des Landes reduzieren. Zudem sollten durch den Goldexport Sanktionen besser umgangen werden können.

Doch bis heute regieren viele Probleme die Region. Lokale Mafia- und Guerillatruppen betreiben dutzende illegaler Minen, erpressen die lokalen Bevölkerungen und liefern sich blutige Auseinandersetzungen mit den Regierungstruppen. Um Sanktionen vorzubeugen und evtl. Spekulationen über die tatsächliche Leistungsfähigkeit des Bergbaus zu vorzubeugen, werden über Produktion und Exporte keine Zahlen veröffentlicht. Das wiederum öffnet jedoch der Spekulation über Korruption durch die sozialistische Regierungspartei Tür und Tor, ob berechtigt oder nicht. Umweltschutz- und UNO-Organisationen wiederum berichten auf Grund der semilegalen und illegalen Aktivitäten von riesigen Waldrodungen, alarmierenden Auswirkungen auf die angrenzenden Wassersysteme, Vertreibungen von Indigenen und Menschenrechtsverletzungen gegenüber Arbeiter*innen. Die guyanische Region Esequibo, auf die Venezuala seit einiger Zeit wieder verstärkt territorialen Anspruch erhebt, grenzt an das Orinoco-Gebiet, sodass der Konflikt im Zusammenhang mit dem Raubbau in der Region betrachtet werden muss.

Dieser konkrete Bezug lässt über einen letzten Widerspruch nachdenken. Während Antikommunisten die Prozesse im Orinoco-Gebiet quasi als natürliche Auswüchse eines sozialistischen Systems betrachten, ist die Wahrheit wesentlich komplexer. Die rechte Opposition hat die Legalität der PSUV-Regierungen seit Chavez nie akzeptiert und einen unverbrüderlichen medialen bis gewaltsamen Krieg gegen die sozialistische Regierung geführt,was in einigen Landesteilen staatliche Integrationsprozesse bis heute verhindert und damit die Basis für die illegal agierenden Gruppen schafft. Die Umgehung von Sanktionen durch die USA erfordert notwendigerweise ein gewisses Maß an Konspiration, dass von dieser Opposition aber durch Gerüchte genutzt werden kann. Und dass die Entwicklung des Landes weg von der Ölabhängigkeit und unter dem Versuch des sozialen Ausgleichs Kosten erfordern wird, lässt sich kaum umgehen. Die Einbettung Venezuelas in den aktuellen internationalen Konflikt zwischen den USA/EU und China/Russland, die einseitige Hofierung der venezolanischen Opposition durch die westlichen Medien, die Legende von Hugo Chavez und die Schläge der Maduro-Regierung selbst gegen linke Kritik, haben das Land auch zu einem Streitfall der internationalen kommunistischen Bewegung gemacht. Die Regierung, insbesondere unter Maduro, von Fehlern frei zu sprechen, wäre sicherlich vollkommen verkehrt, aber die Widersprüchlichkeit der kapitalistischen Gesellschaft an sich, sollte auch den Blick auf die realen Widersprüche in Venezuela lenken anstatt in Campismus zu verharren.

Zusammenfassung

Der Minimalismus der vorgestellten Kunstwerke ist eine adäquate Ausdrucksweise der abstrakten Kategorien des Gebrauchswerts und des Tauschwerts von Waren. Die Diskussion der Installation vollzieht auch die Marxsche Darstellungsmethode im Kapital nach, wonach abstrakte Kategorien begrifflich zunächst leer erscheinen, durch ihre Genese einer ganzen historischen Totalität real jedoch extrem reich sind. Erst durch die Entfaltung des dialektischen Entwicklungsprozesses, der aus dem Widerspruch von Tauschwert und Gebrauchswert entspringt, lässt sich diese Totalität nach und nach freilegen, wodurch beide Kategorien nach ihrer begrifflichen Entfaltung nicht mehr so leer sind wie vorher. Und anhand dieses Entfaltungsprozesses lässt sich auch der Wert abstrakter Kunst bestimmen. Viele Kunstwerke bieten leere Abstraktionen. Reine Formen und willkürliche Stoffe, die sich zwar mannigfaltig kombinieren lassen, aber keine notwendige dialektische Bewegung zur Erschließung ihres Inhalts in Gang setzen. Das ist hier bei Esperanza Mayobre anders.

Dabei gehört Mayobre zum oppositionellen Lager Venezuelas, dessen eigene Verantwortung für die eklatante soziale Ungleichheit der Vor-Chavez-Zeit, in der die arme Bevölkerung Venezuelas trotz größerem Reichtum des Landes und guten Handelsbeziehungen zu den USA nicht besser lebte als heute, gerne vergessen wird. Ihr Engagement erstreckt sich dabei nicht nur auf Umweltgruppen, die der vermeintlichen Ausbeutung der Umwelt durch die Regierung naturgemäß kritisch gegenüberstehen, sondern reichte bis hin zur Unterstützung des rechtsgerichteten Interimspräsiedenten Juan Guaidó. Der Charakter der Kunst als Zerrspiegel erlaubt es jedoch eben, durch Einnahme verschiedener Standpunkte die Einbettung Venezuelas in den Weltimperialismus in vielen Facetten anzuschauen; auch in den nicht von der Künstlerin selbst vertretenen.

Literatur:

Acosta, S. (2025): Unearthing value: Visions of gold in contemporary Venezuelan art. In: Journal of Latin American Cultural Studies. Online First. DOI: 10.1080/13569325.2025.2478445.

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