⋄ Im KPD-Prozess ging es weniger um die rechtliche Bewertung der Verfassungsfeindlichkeit der Kommunistischen Partei, sondern um die Reaktion der Bevölkerung. ⋄ Um von der Öffentlichkeit verstanden zu werden, benutzten Anklage und Verteidigung eine stark metaphorische Sprache. ⋄ Timo Pankakoski von der Universität im finnische Turku hat die Metaphorik in den Prozessakten des KPD-Verbots genauer untersucht. ⋄ Insbesondere die taktisch-strategische Flexibilität wurden dabei in Metaphern diskutiert, wie die stark durch militärische Lehnbegriffe geprägte Parteisprache der KPD. ⋄ Die Anklage benutzte hierbei auch Metaphorik aus dem Dritten Reich, wie zum Beispiel den Begriff „Infektionsherd“, der auch schon für Juden verwendet worden war. |
Der Verbotsprozess gegen die Kommunistische Partei Deutschlands 1954/55 war mehr als nur eine juristische Angelegenheit. Es war ein öffentliches Ereignis. Die Bundesrepublik veröffentlichte den ersten Band der Prozessdokumente noch während des Verfahrens und jeder Bundesbürger erhielt sie auf Anforderung sogar kostenlos. Das Verbot sollte das Adenauer-Regime klar politisch im Kalten Krieg definieren und jeder sollte es wissen. Kein Wunder also, dass Anklage und Verteidigung sich nicht auf juristische Argumente beschränkten, sondern mit einer möglichst öffentlichkeitswirksamen Sprache die Stimmung außerhalb des Gerichtssaals beeinflussen wollten.
Eine solche Sprache bedient sich am liebsten der Metaphorik. Metaphern setzen am Alltagsbewusstsein an und ihr Verständnis oder Unverständnis definiert soziale und kommunikative Räume, in denen sie widerhallen und entsprechende Emotionen auslösen. Timo Pankakoski von der Universität im finnische Turku hat die Metaphorik in den Prozessakten des KPD-Verbots genauer untersucht.
Der KPD-Prozess und Metaphern in Gerichtssaal
Der Prozess über das Verbot der KPD in Westdeutschland fand von November 1954 bis Juli 1955 statt. Mit Richtern, die bereits im Hitlerfaschismus Karriere gemacht hatten und unter den Umständen des Kalten Krieges war sich die Adenauer-Regierung ob des Ausgangs weitestgehend sicher. Entschieden wurde ja nur, ob die KPD verboten werden könne; das Verbot selbst war von der Reaktion in Bevölkerung abhängig. Der Lackmustest bestand darin, ob auch die diese die antikommunistische Ausrichtung der jungen Bundesrepublik mittragen würde oder ob sich Gewerkschaften und Sozialdemokratie eher mit den einstigen Genoss*innen im antifaschistischen Kampf solidarisieren würden. Der wesentliche Adressat der Beweisführung war also die Öffentlichkeit und das wusste die Regierung, die noch während des Prozesses den ersten Band der Prozessakten veröffentlichte und kostenfrei anbot. Dessen war man sich auch in der Verteidigung der KPD bewusst; insbesondere Chefverteidiger Friedrich Karl Kaul bemühte sich um die Darstellung der Kontinuität von NS-Unrecht im aktuellen Verfahren.
Um die Öffentlichkeit zu erreichen, mussten Anwälte und Richter sich natürlich einer Sprache bedienen, die auch von der Öffentlichkeit verstanden werden konnte. Und als solche gilt das Juristenlatein nicht gerade. Metaphern sind hier die Blumen, die in der linguistischen Wüste blühen, und von diesen besitzt die Jura reichlich. Bereits die „Verletzung des Rechts“ ist eine medizinische Metapher. Die „Erschöpfung des Rechtsweges“ in den mahlenden „Mühlen der Justiz“ ist ebenfalls vielen geläufig. Dennoch wird in der Fachdisziplin selbst eine mit Metaphern einhergehende begriffliche Ungenauigkeit bemängelt und manchmal gar Metaphernverbote gefordert. Allerdings urteilen Gerichte explizit auf der Grundlage dessen, wovon sie überzeugt sind, und nicht, was der Fall ist; und bei solch einer Überzeugungsarbeit kann die Veranschaulichung durch bildhafte Vergleiche durchaus zuträglich sein. Wie die genannten Beispiele zeigen, ist zuletzt die Unterscheidung zwischen einem organischen Begriff und einer Metapher gar nicht immer zu treffen, wenn etwa Metaphern als eindeutige Begriffe in die Fachsprache übernommen wurden.
Talmudismus
Im Prozess gegen der KPD spielten Metaphern aber eine besonders exponierte und aufgeladene Rolle. Der juristische Dreh- und Angelpunkt des Verbotsprozesses war der Nachweis einer aktiv kämpferischen Haltung der KPD gegenüber der Bundesrepublik. Dass die Ideologie der KPD die Überwindung des Privateigentums an Produktionsmitteln vorsah, das im Grundgesetz unauslöschbar verankert ist, stand nicht zur Debatte. Allerdings genügt alleine die teilweise oder vollständige Ablehnung der Verfassung nicht für ein Verbot. Nach den Erfahrungen der Weimarer Republik wollte man sich noch nicht zu sehr auf die Endgültigkeit des Grundgesetzes versteifen, zumal sie ja nur in einem Teil Deutschlands galt. Eine Partei müsse daher auch aktive Schritte einleiten, um die Verfassung kurz- oder mittelfristig anzugreifen. Von der KPD konnte man dies allerdings schlecht behaupten. Die KPD arbeitete in der verfassungsgebenden Versammlung, wie in Parlamenten und Gewerkschaften fast ausschließlich legal mit. Max Reimanns Prophezeiung, dass man der letzte Verteidiger des Grundgesetzes sein werde, passte nicht in diese Charakterisierung.
Der Anklage blieb daher wenig anderes übrig, als sich auf Texte der Klassiker Marx, Engels, Lenin und Stalin zu berufen, die alle die Notwendigkeit notfalls gewaltsamer Revolutionen nicht leugneten. Die Verteidigung erhob Einspruch, da es sich beim Marxismus-Leninismus um eine wissenschaftliche Lehre handle, die mit den Mitteln der Wissenschaft und nicht der Justiz diskutiert werden müsse, doch das Gericht ließ eine Exegese der Schriften zu. Die Anklage trug nun seitenweise Fragmente aus klassischen Texten und KPD-Broschüren, die sich auf die bezogen, zusammen.
Die KPD rügte nun nochmals die Art der Beweisführung als „Talmudismus“, also als Form von dogmatischer oder übermäßig detailverliebter Intellektualität, bei der kleine, oft marginale Punkte in einer Weise debattiert werden, dass sie den praktischen Sinn oder das Verständnis des eigentlichen Themas verlieren. Die meisten zitierten Stellen seien nur im Kontext ihrer jeweiligen Entstehung zu verstehen, etwa aus der Situation im Bürgerkrieg nach der Oktoberrevolution oder den Schlächtereien des Ersten Weltkriegs. Eine revolutionäre Situation, in der Gewalt eine Rolle spiele, sei aus Sicht der 50er Jahre zu weit entfernt, um den Anforderungen eines Parteiverbots gerecht zu werden. Die Anklage hingegen wendete die Metaphern des Talmudismus gegen die theoretische Praxis der KPD selbst. Wer sich selbst ständig auf Textstellen von Lenin und Stalin berufe, könne diese nicht einfach als bedeutungslos ablehnen. Allerdings wurde spätestens seit 1953 eine zu enge Bezugnahme auf die Klassiker innerhalb der kommunistischen Bewegung selbst kritisiert. Unter der chaotischen Bedingungen der Nachkriegszeit entstanden viele sozialistische und Mischsysteme in Osteuropa und zwar keinesfalls auf revolutionärem Weg. Sowohl Stalin in der UdSSR als auch die SED warnten hier vor einem „Talmudismus“, der die praktische Handlungsfähigkeit der Arbeiterparteien lähmen könne, da sich die führenden Parteien doch zu vielerlei Zugeständnisse an andere Klassen drängen ließen.
Flexibität
Und hier kommt jetzt eine physikalische Metapher ins Spiel und zwar die der Flexibilität. Die KPD bediene sich zwar momentan der Mittel parlamentarischer Arbeit und außerparlamentarischer Aktionen, wie Streiks und Demonstrationen. Aber bereits Lenin habe gelehrt, dass die Partei sehr flexibel ihre Kampfmittel zwischen Propaganda und Bewaffnung entsprechend der gegebenen Umstände ausrichten müsse. Wenn die KPD daher vornehmlich friedlichen Protest übe, dann, weil die Bedingungen für einen bewaffneten Aufstand nicht gegeben seien und nicht, weil sie der Gewalt abschwöre. Und wenn diese Bedingungen erst einmal erreicht seien, wäre das Kind schon in den Brunnen gefallen.
Flexibilität beschreibt hierbei eine Materialeigenschaft, die dazu führt, dass ein Gegenstand unter Belastung seine Form ändert, aber stets die Gelegenheit habe, ohne Belastung in den ursprünglichen Zustand zurückzukehren. Die Definitionsfrage war nun die: was ist der Belastungszustand und was der natürliche? Die KPD sah sich natürlich als eine Partei an, die im wesentlichen eine friedliche und von Klassenkämpfen befreite Ordnung anstrebe und nur im Zustand der Revolution, also unter Belastung notgedrungen zur Waffe greifen müsse. Allerdings seien auch unblutige gesellschaftliche Umwälzungen bei entsprechend geringer Gegenwehr der Bourgeoisie denkbar. Die Anklage hingegen verfocht die Interpretation, dass die KPD von sich aus gewalttätig sei, aber wegen der fehlenden Mittel und Möglichkeiten gezwungen, ihre Konzessionen an das politische System zu machen. Staatssekretär Hans Ritter von Lex ging sogar noch weiter. Für ihn war bereits die Flexibilität selbst ein Verbrechen; ein Merkmal von fehlender Integrität, Amoral, Zynismus und Unberechenbarkeit. Eigentlich könne eine Partei, die sich flexibler Methodik zur Erreichung ihrer Zielsetzungen bediene, gar kein satisfaktionsfähiges Rechtssubjekt sein, da auf unklaren und sich stets ändernden Grundlagen geurteilt werde. Daher könne man auch die Relativierung und Historisierung ihrer eigenen Grundlagentexte nicht für voll nehmen.
Kampforganisation und andere militärische Metaphern
Der entscheidende Schlag gegen die KPD sollte jedoch über deren eigene militärische Metaphorik erfolgen. Die KPD sah sich selbst als eine Kampfpartei. Sie verschrieb sich dem Klassenkampf. Man sang vom „letzten Gefecht“. Sie verlangte von ihren Mitgliedern Parteidisziplin. Sie sprach von den Waffen der Propaganda und von Etappen (damals war die Bezeichnung einer Etappe für das Nachschubgebiet einer Armee noch geläufiger als heute) zur Revolution. Sie suchte nach passenden Parolen für ihre Forderungen. Der Aufbau der KPD war im wesentlichen auch militärischen Strukturen nachempfunden. Man suchte nach der richtigen Strategie und Taktik. Kurz: die politische Sprache der KPD war voll von militärischer Rhetorik. Das alles ist natürlich nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die kommunistische Bewegung als eigenständige zur sozialistischen aus dem Ersten Weltkrieg hervorgegangen ist. Aber der Punkt der Anklage ist leicht nachzuvollziehen: wer sich so elementar auf militärische Metaphorik stützt, bereitet sich aller Wahrscheinlichkeit nach auch auf eine militärische Praxis vor.
Die KPD wies die Vorwürfe natürlich ab. Militärische Metaphorik lasse sich überall in der Gesellschaft finden, auch bei anderen Parteien. Schon allein das Ziel einer wehrhaften Demokratie, was durch den Prozess zu realisieren versucht werde, stützt sich auf eine militärische Metapher. Der Klassenkampf sei nicht anders zu verstehen als ein Interessengegensatz, wie er auch bei einem juristischen Streit auftrete. Sie ging hier sogar in die Offensive. Die Anklage müsse aus der Klassikerexegese doch mitgenommen haben, dass der Klassenkampf jegliche Form der Auseinandersetzung zwischen Arbeiter*innen und Kapitalist*innen beschreibe. Setze man nun diesen mit revolutionärer Gewalt gleich, würde man die Kampfmittel der Arbeiter*innen per se delegitimieren. Bei der Durchforstung etwa des Kommunistischen Manifests müsse die Anklage auch über Sätze wie „Das Proletariat, die unterste Schicht der jetzigen Gesellschaft, kann sich nicht erheben, nicht aufrichten, ohne dass der ganze Überbau der Schichten, die die offizielle Gesellschaft bilden, in die Luft gesprengt wird.“ gestolpert sein. Dies Satz kann nur sinnvoll als Metapher verstanden werden. Schließlich sei er, so Kaul, wörtlich genommen technisch gar nicht möglich.
Infektionsherd
Die wohl problematischste Metapher der Anklage war die des Infektionsherdes; eine Metapher aus der Hygiene, bei der eine kleine, aber toxische Stelle vor der Infektion eines gesunden Körpers, entfernt werden muss. Selbst in der bürgerlichen Sekundärliteratur zum Prozess wurde dieses Argument als äußerst unklug kritisiert. Denn die direkte Referenz zur nationalsozialistischen Sprache liegt hier vollkommen offen zu Tage. Während Hitler Juden als Bazillen und Krankheiten beschrieb, benutzte Goebbels auch mehrfach den konkreten Begriff des Infektionsherdes. Pankakoski relativiert zwar, dass Ankläger von Lex, der dieses Argument hervorbrachte, sich eher einem christlich motiviertem Antisemitismus und Antikommunismus zuzurechnen sei, er aber dokumentiert große Sympathien für das Vorgehen der Hitlerfaschisten gegen die Kommunist*innen an den Tag legte. Nicht weniger pikant: in den 30er Jahren nahm von Lex eine führende Rolle im paramilitärischen Verband Bayernwacht ein, der sich aggressiv-kämpferisch gegen die Weimarer Republik wandte.
Aber auch aus anderen Gründen ist die Metapher problematisch. Liegt nur ein Infektionsherd vor, dann sind meist die Symptome noch nicht sichtbar. Die Metapher verlangt also nach vorbeugenden Maßnahmen, erklärt aber nicht, wie die Parteipraxis und eine eventuelle Gefahr wirklich zusammenhängen, sondern suggeriert die Gleichheit mit einem medizinischen Prozess. Genau deshalb nutzten die Nazis die Metapher auch, um Juden zu beschreiben. Eine besondere beobachtbare Gefahr ging von ihnen nicht aus; sie konnten nur als hypothetische Gefahr betrachtet werden.
Der dritte Aspekt, der diese Metapher besonders mies macht, ist, dass er zwischen einem gesunden Volkskörper und von außen eindringenden Parasiten unterscheidet. Dass die KPD selbst ein Produkt dieses Volkskörpers ist, das aus dessen eigener Dysfunktionalität hervorgegangen ist, lässt die Metapher nicht zu. Von Lex hatte hier vor Augen, dass die KPD eine Tochterpartei der SED sei und spielte im Prozess mehrfach auf die Einheit zwischen KPD und SED an. Aber indem die Metapher die KPD außerhalb des Volkskörpers stellt, spricht sie dieser eigentlich auch hier das Recht ab, als Teil der durch die deutsche Gerichtsbarkeit erfassten Subjekte gezählt zu werden und damit gleiches Recht zu genießen.
Von Lex schoss sich damit mehrere Eigentore. Erstens war das Argument logisch abstrus. Wenn die KPD kein Teil des Körpers sei, wie sollte er dann selbst als Ankäger in einem Prozess auftreten, der für deutsche Rechtssubjekte bestimmt war. Die KPD konnte eine „Hexenjagd“ durch die Adenauer-Regierung belegen und die Kontinuitäten zwischen NS- und Adenauer-Justiz plausibel machen, die sich in der Person von Lex widerspiegelte. Die Klage griff daraufhin eher auf die Metapher der Amputation zurück. Verteidiger Kaul sagte, dass wenn das Gericht diesen Prozess schon als Operation betrachte, dann sicher keine zur Rettung des Patienten.
Zusammenfassung
Der ausführliche Einsatz von Metaphorik im Verbotsprozess gegen die KPD zeugt davon, wie sehr der Prozess eigentlich ein Ringen um die öffentliche Meinung und weniger ein juristischer Prozess war. Die Metaphern sollte nicht nur Affekte wecken. Je nach ideologischer Zugehörigkeit weckten gleiche Metaphern bei unterschiedlichen Betrachtern unterschiedliche Affekte. Während etwa die Infektionsherd-Metapher bei den einen die Erinnerung an das Dritte Reich wachrief, appelierte sie bei den anderen an den jahrzehntelange durch alle Regierungen gepflegten Antikommunismus.
Das eigentlich dramatische an dieser Situation war nicht, dass die KPD den Prozess verlor. Die Kontinuitäten zwischen den Beamtenapparaten im Dritten Reich und der frühen Bundesrepublik sind wohl bekannt. Das tragische ist, dass die Öffentlichkeit offensichtlich auf die den Nazis entlehnten Metaphern noch hinreichend anspring, um sich nicht mit der KPD zu solidarisieren. Der genau Blick darauf, welche Metaphern in der deutschen Bevölkerung im Jahr 1955/56 verfingen und welche nicht, lässt damit Rückschlüsse auf den Stand der Denazifizierung des real existierenden Westdeutschlands zu.
Literatur:
Pankakoski, T. (2024): Elasticity, militancy, and infection: metaphorical argumentation in the trial against the German Communist Party, 1954–56. In: History of European Ideas. Online First. DOI: 10.1080/01916599.2024.2430946.