Arbeitszeitverkürzung für das Kapital

In Zeiten des von der Bourgeoisie ausgerufenen Fachkräftemangels tritt eine Bestimmung wieder an die gesellschaftliche Oberfläche, die Karl Marx bereits im ersten Kapital-Band feststellte: im Wesen ist jeder Klassenkampf ein Kampf um die Länge des Arbeitstages. Während die Gewerkschaften mit Blick die Überlastung der Belegschaften in jedem Tarifstreit immer wieder auf Arbeitszeitreduzierung pochen, fordern die Parteien der Kapitalisten CDU, FDP und AfD die Abschaffung der 40-Stunden-Woche, wobei diese mit Steuernachlässen und mehr „Flexibilität“ schmackhaft gemacht werden soll. In Chile wird gerade der umgekehrte Weg beschritten. Ein Gesetz reduziert hier bis 2028 den durchschnittlichen Arbeitstag von 9 auf 8 Stunden.

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Geld, Wein oder Shopping Mall? Klassenfragen südafrikanischer Kollektivbetriebe

Viele Linke sehen in Genossenschaften eine transformative Organisationsform, um Keimzellen solidarischen Wirtschaftens bereits im Kapitalismus aufzubauen. Auch Südafrikas Regierungen, die immerhin von der Zusammenarbeit mit den Kommunisten beeinflusst wurden, versuchten über Genossenschaften, der unvollendeten Landreform neue Impulse zu versetzen, um der armen schwarzen Agrarbevölkerung mehr Kontrolle über Land und Arbeit zu geben. Brittany Bunce, Donna Hornby und Ben Cousins untersuchten zwei Fallbeispiele solcher südafrikanischer Kollektivwirtschaften. Sie entdeckten alten Klassenkampf in neuen Schläuchen, aber auch eine ganze eigene Formfrage dieses Klassenkampfes.

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Sanktionen machen Feinde der Feinde zu Feinden

Es ist eine politische Binsenweisheit, dass man über die wirklichen Auswirkungen von Wirtschaftssanktionen kaum Bescheid weiß. Dabei haben sie sich in den letzten Jahren zu einem der wichtigsten politischen Druckmittel jenseits militärischer Interventionen entwickelt. Man sollte daher meinen, die herrschenden Klassen ein bescheidenes Interesse daran haben dürften, mehr über den Nutzen und Schaden zu erfahren. Ein Schelm könnte aber auch vermuten, dass man es gar nicht so genau wissen möchte. Denn betroffen sind in der Regel nicht nur verfeindete Zielländer, sondern auch unabhängige Staaten oder gar Verbündete. Abraham L. Newman und Qi Zhang haben in der Review of Political Economy die Sanktionen 2010 gegen den Iran untersucht und überprüft, wie sie vermittelt wurden und wer von ihnen betroffen war.

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Nepal: von der maoistischen Bodenreform zur Bodenspekulation

Denkt man an Nepal, kommen einem vielleicht drei Dinge in den Sinn. Erstens liegt hier das Dach der Welt, das Himalaya-Gebirge. Zweitens waren es sehr häufig Nepalesen, die auf den Baustellen der WM 2022 in Katar tödlich verunglückten. Und drittens führten die nepalesischen Maoist*innen einen der letzten blutigen Bürgerkriege der jüngeren Geschichte der kommunistischen Bewegung. Noch heute führt der Vorsitzende der maoistischen Nepalesischen Kommunistischen Partei, Pushpa Kamal Dahal (Kampfname: Prachanda), das Land als Ministerpräsident. Doch seine Macht bröckelt. Jacob Rinck lebte lange Zeit in einer nepalesischen Kleinstadt und hat mit Angehörigen aller Klassen und Kasten gesprochen. Er erzählt eine spannende Geschichte, wie maoistischer Aufstand, Arbeitsmigration, Bodenspekulation, Kastensystem und die Hoffnung auf eine bessere Zukunft zusammenhängen.

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Eine kleine Geschichte des Huhns im Kapitalismus

Wäre der Spätkapitalismus eine Mahlzeit, so wäre er sehr wahrscheinlich ein Chicken Nugget. Da mittlerweile fast alle Restbestandteile eines Huhns im Nugget verarbeitet werden können, wurde der konkrete Inhalt sogar so beliebig gegenüber seiner Form geworden, dass vegane Chicken Nuggets quasi nicht vom „Original“ zu unterscheiden sind. Doch nicht nur das Chicken Nugget ist ein hochverarbeitetes Produkt. Das Huhn selbst hat 250 Jahre Kapitalismus auch nicht ohne Veränderung überstanden.

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Was das globale Proletariat eint

Warum kämpfen sowohl die sozialen Bewegungen der kapitalistischen Zentren und der Peripherie gegen den Freihandel? Ließe sich auch nicht eine global gerechte Handelsordnung etablieren? Andrea Ricci möchte mit Hilfe des Konzepts des ungleichen Tauschs zeigen, warum der Kampf gegen den Freihandel die lohnabhängigen Klassen weltweit einigen könnte. Er schließt damit an eine Debatte an, die im letzten Jahr in der „Capitalism Nature Socialism“ eröffnet wurde.

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Wie erneuerbare Energien den Kolonialismus in Mexiko erneuern

Vergangene Woche wurde mit Claudia Sheinbaum nicht nur die erste Präsidentin Mexikos und zugleich die erste jüdische Präsident*in Südamerikas gewählt, sondern auch eine ausgebildete Klimaforscherin. Sie gilt als Ziehtochter des scheidenden Präsidenten Obrador, dessen Politik sie weiterzuführen versprach; außer, dass sie den energiepolitischen Fokus noch stärker auf erneuerbare Energien setzen wolle. Sheinbaum versprach dabei, weniger auf die Kräfte des Marktes zu setzen, private Beteiligungen am Energiemarkt zu deckeln und staatlich Milliarden zu investieren. Dass der Ausbau der erneuerbaren Energien in einem multiethnischen Land mit bis heute prägender kolonialer Geschichte ein riesiges politisches Problem ist, zeigte Carlos Tornel von der Universität in Durkham.

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Profite trotz Krise? Das Patriarchat macht’s möglich

Der Kapitalismus ist eine patriarchale Herrschaftsform, sagen die einen. Nein, er ist blind gegenüber dem Geschlecht und sucht nur nach Profitmaximierung, sagen die anderen. Beide haben Recht, wenn man den entsprechenden Analyserahmen anlegt, sagt die Social Reproduction Theory. Denn die Bourgeoisie maximiert ihre Profite nicht im luftleeren Raum oder der kapitalistischen Gesellschaft in ihrem idealen Durchschnitt, sondern unter den von ihr vorgefundenen konkreten gesellschaftlichen Bedingungen. Und hier bedienen sich die Kapitalisten gerne der bestehenden sexistischen und rassistischen Strukturen oder akuten Ereignisse, wie etwa der Corona-Pandemie. Shahram Azhar und Aabida Ali untersuchten, wie patriarchale Strukturen den Zulieferbetrieben der Textilindustrie und großen Modeketten dabei halfen, mit gestiegenen Profitraten aus der der Krise während der Pandemie zu kommen.

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Die Wertkritik im globalen Bürgerkrieg

Die Krisen des Kapitalismus spitzen sich aktuell immer dichter zu militärischen Konflikten zu. Ob in der Ukraine, in Israel und Palästina oder an den Grenzen Chinas. Überall stehen Pulverfässer oder sind bereits explodiert, obwohl die bürgerliche Politik nach Ende des Kalten Krieges ein Zeitalter des Friedens heranbrechen zu sehen glaubte. Marxist*innen stellt sich hierbei nicht nur die Frage, wie man sich in diesen Konflikten positionieren soll, sondern auch, wie sie eigentlich mit dem Kapitalismus zusammenhängen.

Einen Ansatz hierfür lieferte die etwa zur Jahrtausendwende populär gewordene Wertkritik rund um ihren bekanntesten Kopf Robert Kurz. Frederick Harry Pitts von der Universität in Exeter rekapitulierte im European Journal of Social Theory die Ansichten der Wertkritik über das Verhältnis von Gewalt und Kapital. Über den globalen Bürgerkrieg.

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Middle Class Struggles

In Deutschland gehört das Bekenntnis zur politischen und gesellschaftlichen Mitte zur institutionellen Folklore. Doch die Medien beklagen geradezu die Erosion der gesellschaftlichen Mitte, die als systemstabiliserend und wohlstandssichernd angesehen wird. Was es aktuell mit den Mittelklassen und ihrer Veränderung auf sich hat, haben in letzter Zeit mehrere Studien untersucht. An dieser Stelle wollen wir zwei Studien diskutieren, die politische Prozesse entlang der Unterscheidung von Neuen und Alten Mittelklassen entwickeln; eine aus Europa und eine aus Marokko.

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