⋄ Anders als landläufig behauptet, finanziert nicht der amerikanische Steuerzahler das US-Militär, sondern dank der Weltwährung Dollar finanziert die ganze Welt fleißig mit. ⋄ Der preisgekrönte Ökonom Jongchul Kim von der Songang-Universität in Seoul zeichnet die facettenreichen Wirkungen des Dollar-Imperialismus nach. ⋄ Insbesondere geht er auf das Quantitative Easing ein, wodurch Staatsschulden gesenkt werden können, indem die FED Staatsanleihen aufkauft. ⋄ Die Inflationssteuer zahlt die Welt, welche auf den US-Dollar zum Öl-Kauf und als Währungsreserve angewiesen ist. ⋄ Trump gilt als Gegner des Quantitative Easings, da Biden insbesondere seine Corona-Politik damit finanzieren konnte und sucht nun nach anderen Wegen zur Rettung des US-Imperialismus. |

Es ist in den aktuellen bürgerlichen Medien eine absolute Binsenweisheit: Seit Jahrzehnten habe die USA uneigennützig die Sicherheit in Europa garantiert. Da der amerikanische Steuerzahler nicht mehr länger in die Pflicht genommen werden solle, müsse Europa nun selbst aufrüsten und das leisten, was zuvor die Vereinigten Staaten geleistet hätten. So spricht Trump und so sprechen es die deutschen Politiker*innen bis in die Reihen der SPD nach. Kritisch sind sie nur gegenüber Trumps Befund, dass das US-Außenhandelsdefizit endlich sinken müsse, notfalls mit einer strengen Schutzzollpolitik. Dass die militärische Neuorientierung der USA und die Zollpolitik zusammengehören, erkennen dabei die wenigsten. Ein Blick auf das internationale Währungssystem seit dem Zweiten Weltkrieg verrät aber: das tut es. Jongchul Kim von der Songang-Universität in Seoul, der 2014 den Outstanding Paper Prize der Association of Evolutionary Economic gewonnen hat, rollte in der WRPE nochmal den roten Faden ab.
Weltwährung US-Dollar
Beginnen wir ganz grundsätzlich. Die kapitalistische Produktionsweise beruht auf Ausbeutung, was bedeutet, dass durch die Arbeiter*innen ein Mehrwert geschaffen wird, der sich auf Seiten der Bourgeoisie akkumuliert. Einem immer weiter wachsenden Berg an Kapital, der sich immer weiter verwerten will, steht dabei eine begrenzte zahlungsfähige Nachfrage gegenüber, die zu immer mehr brachliegendem Geld in den Taschen der Bourgeoisie führt. Damit sich dieser Widerspruch nicht gewaltsam in einer Krise entlädt, hat die Bourgeoisie immer neue Wege finden müssen, von denen der globale Imperialismus nur einer ist. Imperialismus im modernen Sinne definiert sich dabei nicht durch die Besetzung von Ländern oder die direkte Eroberung von Rohstoffquellen, sondern durch die Schaffung der politischen Grundlagen für die ökonomische Dominanz der imperialistischen Staaten über die peripheren. Dazu bedarf es zentralisierter Finanzinstitutionen, welche führend an die Spitze der vielen konkurrierenden und häufig konkursbedrohten Geschäftsbanken treten, diesen Regeln diktieren und gleichzeitig eine Schnittstelle zwischen ideellem Gesamtkapitalisten und dem Finanzkapital schaffen.
Die USA, die nach dem Zweiten Weltkrieg in vielen Sparten des Welthandels Monopole auf fortgeschrittene Produktionsmittel und die fortschrittlichsten Konsumgüter besaßen, konnten ihre Währung als Weltwährung etablieren und somit anfangen, die akkumulierten Überschüsse an Geld als Mittel der globalen Dominanz zu verwenden. So hat beispielsweise die Zinspolitik der USA einen erheblichen Einfluss auf die internationale Ökonomie. Als in den 1970ern einige Länder des globalen Südens sich auf den Weg der importsubstituierenden Industrialisierung machten, kam das Kapital im Wesentlichen aus den USA oder den anderen westlichen Ländern. Die USA reagierten Anfang der Achtziger Jahre mit einer Hochzinspolitik, die das Kapital mit fast 30% Leitzins wieder zurück in die USA lockte und die beginnenden Versuche zum Aufbau einer produktiven Wirtschaft im globalen Süden abwürgte. Die Wechselkurse brachen ein und die brachliegenden Produktionsanlagen konnten dann später wiederum von selbigen billig aufgekauft werden.
Das hat viele Länder dazu veranlasst, sich mit großen Währungsreserven in US-Dollar einzudecken, um zeitweilige Engpässe an der Weltwährung überdauern zu können. Die Verausgabung eines großen Teils des Außenhandelsüberschuss zur Haltung von Devisen gehört damit wesentlich zu den Reproduktionssystemen des globalen Südens.
Das amerikanische Reproduktionssystem
Der amerikanische Staat als ideeller Gesamtkapitalist reproduziert sich gegensätzlich in einer ganz anderen Weise, die mit der Verfügungsmacht über eine Weltwährung und einem Außenhandelsdefizit untrennbar verbunden ist. Auf der einen Seite muss der Staat für die Arbeiter*innenklasse ein hinreichend leistungsfähige öffentliche Infrastruktur bereitstellen, auf der anderen möchte die USA als Niedrigsteuerland möglichst viele Initiative und Freiheit im privaten Sektor belassen. Ganz wesentlich beruht das amerikanische System auf einer günstigen individualisierten Mobilität, dessen Kosten niedrig gehalten werden müssen. Da immer weniger Amerikaner dennoch in der Lage sind, ihre Arbeitskraft komplett aus den Löhnen zu reproduzieren, betragen mittlerweile die staatlichen sozialen Transferleistungen fast 30% des BIP. Diesen Widerspruch können die USA im Wesentlichen durch Staatsverschuldung bewältigen, der auf den ersten Blick als Belastung künftiger Generationen erscheint.
Unter der Bedingung der Verfügungsmacht über eine Weltwährung lässt sich aber ganz anderes anstellen. Ganz grundsätzlich gibt es für die USA die Möglichkeit, Geld zu drucken und die inflationäre Wirkung mittels der Währungsreserven des Auslands abzufedern. Das passiert dadurch, dass durch die Ausschüttung von Geld alle Dollar abgewertet, die einheimischen wie die ausländischen, während nur die USA selbst über die neuen Dollar verfügen (Näheres hier).
Quantitative Easing
Allerdings druckt eine Regierung nicht einfach so Geld, sondern es gibt verschiedene Möglichkeiten, die im Umlauf befindliche Geldmenge zu erhöhen, von denen jede andere Sekundärwirkungen hat. Nimmt etwa ein Staat Schulden auf, indem er Staatsanleihen verkauft und somit geparktes Kapital akquiriert, das er über öffentliche Projekte wieder in Umlauf bringt, führt das im Allgemeinen zu einer Erhöhung der Zinssätze, wodurch wiederum Investitionen verteuert werden und ein entgegengesetzter Effekt entsteht.
Daher wurde in den letzten beiden Jahrzehnten häufiger auf das so genannte Quantitive Easing zurückgegriffen. Bei diesem kauft die Zentralbank auf dem Markt verfügbare Staatsanleihen auf. Das Geld hierfür kann die Zentralbank selbst drucken und durch den Kauf haben es die verkaufenden Banken als Cash unmittelbar zur Verfügung. Der eigentliche Vorteil hierbei ist, dass die Zentralbank ihre durch die Zinsen auf die Staatsanleihen generierten Gewinne an die Regierung ausschüttet, wodurch faktisch die Schulden gesenkt werden. Alle Zinsen, die der Staat nun an die Zentralbank zahlt, fließen über die Ausschüttungen wieder zurück. Werden die Staatsanleihen auf unbestimmte Zeit ausgeschrieben, sinkt somit die Staatsverschuldung und die Zinslast des Staates. Da die Geschäftsbanken nun über wesentlich mehr Angebot an Geldware verfügen, sinken in der Regel die Zinsen, was zu einer Zunahme der Investitionstätigkeit führen kann. An sich wirkt die Maßnahme nicht unbedingt inflationär, da nicht einfach Geld auf den Markt geworfen wird, sondern dieses vorher bereits durch die Staatsanleihen repräsentiert war. Das ganze beruht letztlich auf dem Trick, dass Zentralbank und Regierung zwar als unterschiedliche Personen auftreten, aber in Wirklichkeit koordiniert handeln.
Natürlich gibt es auch hier Grenzen und Probleme. In Krisenzeiten flüchtet sich das private Kapital in der Regel in die Staatsanleihen und denkt nicht daran, die sichere Zinsquelle einfach zu verkaufen. Normalerweise jedenfalls. Während der US-Krise 2020 hingegen haben private Anleger eher die Staatsanleihen abgestoßen. Grund war, dass die schnelle Verfügung über freies Geld Spekulationen um mögliche Zahlungsunfähigkeiten den Wind aus den Segeln nahm.
Mittlerweile ist das Quantitative Easing jedoch Kritiker*innen zufolge zu einer Art Droge geworden. Denn das ersetzt die Notwendigkeit, eine progressive Einkommensbesteuerung zu Lasten der Reichen einzuführen, um die reproduktiven Funktionen des Staates zu erhalten. Und das möchte eine Trump-Regierung keinesfalls. Zudem stärkt die Staatsverschuldung und deren Abbau auf dem Papier ungemein das Finanzkapital, da die Rückkäufe massiv Geld in die Geschäftsbanken pumpen. Und insbesondere liberale Staaten wie die USA haben das Staatsgeld in der 2008er Krise dazu verwendet, um die Banken zu stützen, welche ins Wanken geraten waren. Dafür haben die USA die Öffentlichkeit verschuldet und dann über die FED aus den Schulden bei genau diesen Banken herausgekauft.
Das Wesen des Öl-Imperialismus
Natürlich wird im Gesamtprozess die Geldmenge ausgeweitet, da durch gedrucktes Geld die Staatsanleihen aufgekauft werden, die vorher zur Schuldenaufnahme herausgebracht wurden. Jedes Land, das seine Geldmenge derart ausweiten würde wie die USA, müsste mit einem deutlichen Niedergang seines Wechselkurses rechnen. Warum eigentlich die USA nicht? Die Antwort ist, dass der US-Dollar tatsächlich nach und nach an Kaufkraft verliert. Seit der Abkopplung vom Goldstandard hat der US-Dollar etwa 3.500% an Kaufkraft auf durchschnittliche Waren des Weltmarktes verloren. Und der Wert fiel auch in guter Annäherung umgekehrt proportional zur Dollarmenge. Aber der Wechselkurs des US-Dollars blieb stabil, weil die Fremdwährungsreserven des Auslands gleichzeitig massiv entwertet wurden. Warum lassen sich diese Länder das gefallen?
Progressive Wirtschaftswissenschaftler*innen sehen die Ursache in der Petrodollarallianz der USA und Saudi-Arabiens. Nach dieser wird das Öl der OPEC-Staaten nur in US-Dollar gehandelt. Da jedes Industrieland auf Öl als wichtigster Ressource seit Mitte des 20. Jahrhunderts angewiesen ist, wird jedes Land gezwungen, US-Dollar zu besitzen und damit zu handeln. Als Gegenleistung erhielt die Golfmonarchie Saudi-Arabien von den USA militärischen Schutz. Die Militärausgaben werden wiederum durch das Haushaltsdefizit der USA finanziert, zu dessen Deckung auf Quantitative Easing zurückgegriffen wird, was nur funktioniert, weil alle Welt US-Dollar besitzen muss, um an Öl zu kommen. So der ganz praktische Zirkel. Natürlich gab es Versuche, das System zu durchbrechen. Saddam Hussein kündigte 2000 an, auch Euro für Öl akzeptieren zu wollen. Zwei Jahre später wurde er unter Falschangaben durch die USA gestürzt, wobei Deutschland und Frankreich als größte europäische Mächte sich nicht beteiligten. In Venezuela bekämpft die USA die Möglichkeiten der Regierung, ihre Ölproduktion zu modernisieren und gegen andere Währungen zu tauschen mit einem aggressiven Regime-Change-Programm (was nicht alle Fehler dieser Regierung entschuldigen kann und soll). Dem Rückzug der USA aus dem Atomdeal mit dem Iran ging die Ankündigung voraus, iranisches Öl auch in anderen Währungen zu wechseln.
Es ist also überhaupt nicht der US-Steuerzahler, der für die militärischen Kosten aufkommt, sondern es ist die Welt, die mit der Abwertung ihrer aufgezwungenen Dollarreserven genau jenen Apparat bezahlt, der das Dollarmonopol auf Öl überhaupt materiell absichert.
Probleme und Alternativen
Dieses System bringt wesentlich mehr Probleme mit sich als die Abhängigkeit der Welt vom politischen Willen der USA. Die Preise für Weltmarktprodukte sind durch das Dollar-Monopol sehr eng an die Ölpreise geknüpft. Und die unterliegen extremen Schwankungen. Allein in diesem Jahrtausend variierte der Preis eines Barrels Öl zwischen 20 und 120 Dollar. Und damit schwanken auch Preise für Weizen und andere Nahrungsmittel. Da viele Länder nicht mehr subsidär Landwirtschaft betreiben können, sondern Grundnahrungsmittel auf dem Weltmarkt kaufen, hat dies Hungerkrisen zur Folge, obwohl genug Nahrung produziert wird. Für die USA ergibt sich als Risiko, dass der Kanal, den Dollar über Öl stabil zu halten, eine Angriffsfläche zur Untergrabung des US-Imperialismus darstellt. Sowohl eine sinkende Nachfrage nach Erdöl auf Grund des Ausbaus erneuerbarer Energien, als auch eine Infragestellung des Petrodollarsystems durch aufstrebende und konkurrierende imperialistische Zentren können das gesamte Reproduktionssystem der US-Hegemonie zum Einsturz bringen, ohne dass die USA auch nur auf einem Quadratzenitmeter eigenen Bodens Krieg führen müssten.
Nach Jongchul Kim gibt es verschiedene Alternativen. Die USA könnten eine progressive Einkommens- und/oder Vermögenssteuer einführen, um das Staatsdefizit zu senken und weniger von der Weltwährung abhängig zu sein. Als Anreiz könnte der Dollar fest an einen umfassenderen Weltwarenkorb gekoppelt werden, um globale Preise zu stabilisieren. Für den Warenkorb wäre eine internationale Warenbank zuständig, welche Getreide, Öl und andere lagerbare Güter verwalten würde. Die zweite Möglichkeit wäre die Gründung einer internationalen Handelsbank, welche den weltweiten Handel abwickelt. Das würde Keynes’ Vorschlag zur Ablösung des Bretton-Woods-Systems entsprechen. Beide Alternativen würden allerdings ein Ende des Weltwährungscharakters des Dollars und des kostenarmen Quantitative Easings bedeuten.
Eine Interpretation an Stelle einer Zusammenfassung
Soweit die facettenreiche Darstellung Jongchul Kims. Vor diesem Hintergrund lässt sich das Dilemma erörtern, vor welchem Trump steht. Die Politik des Quantitative Easing gilt ihm als verbraucht. Nicht nur kann er mit Verweis auf die Rettung von Großbanken während der Krise von 2008 ein Ressentiment „gegen die da oben“ in der werktätigen Bevölkerung adressieren. Insbesondere die Politik von Joe Biden während der Corona-Pandemie, als strenge Regeln erlassen und Gewinnausfälle durch den Staatshaushalt kompensiert wurden, kann emotional genutzt werden. Hätte man doch lieber gleich den Bürgern ihre Freiheit gelassen, anstatt durch den Aufkauf der Staatsanleihen die Finanzmärkte durcheinander zu bringen, so die der Trumpsche Kurzschluss. Steuererhöhungen, insbesondere für Reiche, lehnt die Trump-Regierung genauso ab wie eine Machtübergabe an internationale Finanzinstitutionen. Die Ankündigungen, weniger Geld für das Militär auszugeben, um den Staatshaushalt zu entlasten, wirkt da auf den ersten Blick konsistent, untergräbt aber das Dollarmonopol. Dabei steht Trump vor dem innenpolitischen Problem, dass die Ökonomie ganz wesentlich auf Spekulation aufgebaut ist, aber zur Senkung der Inflation eigentlich eine Anhebung der Zinssätze erforderlich wäre, um den Preis der Geldware zu verteuern.
Um fair zu sein, kann Trump in dieser Lage nur falsch handeln. Die Idee hinter der Zollpolitik ist die, auf der einen Seite die internationale Umlaufgeschwindigkeit des Geldes zu drosseln, um genug Geld für spekulative Geschäfte auf nationaler Ebene bereitzustellen und gleichzeitig, den Leitzins anzuheben, um die Inflation zu drosseln. Dass man dabei den geopolitischen Konkurrenten aus China und Europa noch eins auswischen kann, macht die Politik umso reizvoller. Ob nun wegen der Zollpolitik politische Konzessionen gemacht werden, welche den USA Kosten zur Aufrechterhaltung des Status des Dollars als Weltwährung anders als militärisch garantieren oder eben durch Zölle genug Geld ins Land fließt, um die Steuern der Besserverdienenden zu senken, kann als gleich gut angesehen werden. Die Gefahr ist natürlich, dass sich der Rest der Welt technologisch und ideologisch von Produktionsmittelmonopolen in den USA emanzipiert hat, aber die politische Solidarität Europas zu den USA scheint zu gefestigt, als dass eine eurasische imperialistische Formation wirklich auf der Tagesordnung stünde. Trumps Politik ist damit schwer als falsch einzuschätzen, sondern als eine gewagte Politik einer absteigenden Weltmacht. Der Katzenjammer der hiesigen Bourgeoisie sollte man nicht zur Hymne des Proletariats erheben.
Literatur:
Jongchul Kim (2025): Monetary Expansionism, Global Commodity Prices, and Global Inequality. In: World Review of Political Economy. Jahrgang 16. Ausgabe 1. S.105-136.