⋄ Der Mandelanbau ist einer der wichtigsten Sektoren der kalifornischen Landwirtschaft, aber mehr als die Hälfte der zur Bestäubung benötigten Bienenvölker sind im letzten halben Jahr gestorben. ⋄ Silicon Valley bietet nun so genannte Smart Hives an, die mit Sensoren die Bienenstöcke überwachen und durch Algorithmen Gesundheit und Ausbringungsorte steuern sollen. ⋄ Richie Nimmo interpretierte diese neue Technik als Fortsetzung der reelen und formellen Subsumtion der Natur unter das Kapital. ⋄ Nicht nur werden die bisher kleinbürgerlich produzierenden Imker durch das neue konstante Kapital aus dem Wettbewerb gedrängt. ⋄ Auch die Bienen als bisher nur halbdomestiziert genutzte industrielle Reservearmee der Natur wird zielgenauer zu Akkumulationszwecken eingesetzt. |

Bienen gelten neben den Ameisen als das natürliche Gegenstück des Arbeiters. Oder besser gesagt der Arbeiterin. Ihr Fleiß gilt als sprichwörtlich. Und schon Marx drückte im ersten Band des Kapitals seine Bewunderung für Baukunst der Bienen aus. Aber so richtig stimmt die Metapher nicht. Nicht einmal Imker vermögen es, Bienen vollständig zu domestizieren. Sie können zwar die Bienenstöcke verändern, die Bienen selbst aber fliegen über Zäune und Grenzen, die Völker bilden unabhängige Stimmungen aus und bei Unzufriedenheit vermehren sich die Bienen einfach nicht und lassne ihre Völker aussterben. Dazu wäre auch das gequälteste Huhn nicht in der Lage, geschweige denn der domestizierte Mensch.
Das Kapital möchte diesen Zustand der Halbwildheit natürlich nicht einfach akzeptieren und womöglich noch die eigenen Profitinteressen der Bienengesundheit unterordnen. Smart Hives rücken bald mit allerhand Sensortechnik und Algorithmen den Schwärmen auf den Pelz, denn von der Bestäubung hängen riesige Agrarkonzerne ab. Richie Nimmo interpretierte in der Nature and Space diese Entwicklung als reelle Subsumtion unter das Kapital.
Die California Pollination Crisis
80% aller weltweit verkauften Mandeln stammen aus nur einem US-Staat: Kalifornien. Auch wenn Mandeln hier nicht heimisch sind, so bietet das trockene mediterrane Klima gute Voraussetzungen für den kommerziellen Anbau. Jährlich werden im Staat über eine Millionen Tonnen Mandeln geerntet, was etwa ein Viertel aller landwirtschaftlichen Exporte im Wert von fünf Milliarden Dollar ausmacht. Knapp 110.000 Landarbeiter*innen sind direkt in der Mandelindustrie oder in angeschlossenen Gewerben beschäftigt. Im US-chinesischen Handelskrieg sind die kalifornischen Mandeln immer wieder ein beliebtes Ziel von Zöllen. Im ersten Zollkrieg 2018 führte eine 50%ige Verzollung von Mandeln dazu, dass die kalifornische Landwirtschaft mit 14 Mrd. Dollarn an Staatsgeld subventioniert werden musste, da nicht zuletzt auch einige Maschinenbauunternehmen an der Branche hängen. Diese Volatilität ist den Chinesen nicht entgangen. Zuletzt erhöhte die Volksrepublik den Satz auf 35%, senkte diesen aber im Zuge der jüngsten Gespräche auf die regulären 10%.
Die Branche hat jedoch auch viele Probleme außerökonomischer Natur. Im zuletzt von Flächenbränden geplagten Staat ist der Wasserverbrauch ein enormes Thema. Eine einzige Mandel benötigt 12 Liter Wasser bis zur Ernte. 10% des gesamten Verbrauchs Kaliforniens und damit der gleiche Anteil, wie alle Haushalte zusammen, entfallen auf die Mandelproduktion. Ohne die Entnahme des Wassers aus privatisierten Reservoirs wäre der Anbau von Mandeln nicht möglich. Zweitens kriegt die Industrie aktuell ihre Abfälle nicht los. Gemahlene Mandelschalen wurden früher als Zusatzstoff in Kraftfutter verwendet, aber die Nachfrage ist gesunken. 1,5 Millionen metrische Tonnen an Schalen finden immer weniger einen Abnehmer. Und die geplante Verwendung als Biokraftstoff setzt neues CO2 frei. Drittens sorgt die rigorose Einwanderungspolitik unter Trump dafür, dass immer mehr Saisonarbeitskräfte fehlen. Die Industrie reagiert mit einer aggressiven Mechanisierung.
Und auch ein weiteres Problem plagt die Sparte: die Bestäubung. Denn Mandeln bestäuben sich nicht selbst. Sie sind auf Insekten angewiesen. Der Ausbau der Monokultur hat aber Vielfalt und Gesamtzahl aller natürlichen Bestäuber enorm gesenkt. Die Mandelproduktion ist daher enorm auf die domestizierte Honigbiene angewiesen. Während der Blütezeit konzentriert sich fast die gesamte kommerzielle US-Imkerei auf die Bestäubung der kalifornischen Mandelbäume. Seit etwa 2006 beobachten die Bienenzüchter jedoch immer wieder das spontan auftretende Absterben großer Teile der Völker. Zuletzt starben zwischen Juni 2024 und Februar 2025 62% aller Honigbienen. Die Ursachen sind umstritten, aber die Auswirkungen betreffen nicht nur die Imker, sondern auch die Mandelproduzenten. Eine Antwort aus der Heimat des Silicon Valley verrät einiges über den Umgang kapitalistischer Gesellschaft mit Krisen.
Smart Hives
Eine aktuelle technische Erneuerung in der Bienenzucht sind so genannte Smart Hives. Sie sind mit verschiedenen Sensoren ausgestattet, die Temperatur, Gewicht oder die Geräuschkulisse eines Bienenstocks messen, um daraus Algorithmen zu gewinnen, die mögliche Interventionen vorhersagen können. Versucht wird, den Befall durch Parasiten, Veränderungen im Flugverhalten, in der Honigproduktion oder reproduktiven Zyklen, sowie Einflüsse durch äußere Faktoren aus den Sensordaten ermitteln zu können und prediktive Modelle daraus zu entwickeln. So soll etwa berechnet werden können, wo ein Bienenstock bei einem gewissen Eigenzustand und der Beschaffenheit der umgebenen Flora am besten platziert werden könne. Dabei geht es der Präzisionsbestäubung in erster Linie darum, die Intensivität der Bestäubung zu erhöhen. Smart Hives sind damit Bestandteil des wachsenden Zweigs der Präzisionslandwirtschaft, die mit Hilfe von Sensoren und Algorithmen die Effizienz der Landwirtschaft unter klimatisch immer ungünstigeren Bedingungen steigern will.
Die Biene ist aber schon ein besonderer Fall. Schon als Rechtssubjekt stellt sie die bürgerliche Justiz vor einige Probleme. Während sie einerseits gehalten werden wie Haustiere, so lässt sich ihr Verhalten nur vermittelt durch einen Imker beeinflussen. Sie können nicht durch Zäune eingehegt werden und wechselwirken immer auf die ein oder andere Art und Weise mit der Umwelt. Das führt insbesondere bei Haftungsfragen immer wieder zum Rechtsstreit, da auf der einen Seite eine prinzipielle Halterhaftung besteht, aber auf der anderen Bienenzucht auch nicht verunmöglicht werden soll. Die Bienen ernähren sich dabei im Wesentlichen selbst durch die sie umgebende Flora, während Honig als Produkt gewonnen werden kann.
Im Laufe der Geschichte hat der Mensch versucht, seine Kontrolle über die Biene immer weiter auszudehnen. Begann die Bienenzucht mit einfachen Flechtkörben, so war es in diesen nicht möglich, zerstörungsfrei das Innenleben des Bienenstocks zu überwachen, sobald die Bienen ihr Nest angelegt hatten. Allein die Geräusche des Schwarms dienten als Diagnosemittel. Erst mit der Erfindung der in Rahmen unterteilten Bienenstöcke, der so genannten Magazinbeuten, wurde es ab Mitte des 19. Jahrhunderts möglich, die Struktur der Bienenstöcke zu untersuchen, ohne die Gesamtstruktur zu zerstören. Nicht zufällig fällt in diese Zeit die Kommerzialisierung der Bienenzucht, die zum einen Honig produzierte und zum anderen zur Bestäubung in der Landwirtschaft eingesetzt wurde. Denn mit der Ausbreitung des monokulturellen Anbaus, der nur unter Einsatz moderner Düngemethoden anwendbar ist, dezimierte sich die natürliche Fauna und Bienen mussten immer häufiger zur Bestäubung „gemietet“ werden. Honigbienen verdrängten dabei einheimische Wildbienen und andere Insekten, was zur Folge hatte, dass viele Pflanzenarten, die für Honigbienen unattraktiv sind, ausstarben.
Nun also Smart Hives. Interessant ist, welche Verbindungen zwischen den jungen Start Ups und bestehenden Monopolisten entstanden sind. Da ist zum einen die lokale Connection zwischen der kalifornischen Landwirtschaft und den Silicon Valley-Konzernen, die damit ihr Geschäftsfeld auf traditionelle Branchen ausdehnen können. Aber auch Bayer mischt seit 2020 mit, indem es 1,5 Millionen Dollar in die Forschung mit smarten Lösungen zu Bienengesundheit investierte. Paladin Robotics stellt dabei für Bayer die Technologie her. Da das Kerngeschäft von Bayer in den USA aber der Pesitzidmarkt ist, lässt sich nur schwer vorstellen, dass die smarten Lösungen den Einsatz hier verringern, anstatt nur die negativen Folgen zu kompensieren.
Ökomarxistische Konzepte
Wie lässt sich nun diese Entwicklung in die marxistische Kritik der politischen Ökonomie einordnen. Aus der ökosozialistischen Debattenlandschaft stehen hier einige Konzepte zur Verfügung. Collard und Dempsey haben zum Beispiel eine Typologie von fünf Varianten herausgearbeitet, mit der das Kapital auf die Heterogenität der Natur reagiert. Zum einen gibt es bereits formell unter das Kapital subsummierte Naturgüter, die sich etwa über die Differentialrente des Bodens mit den Arbeitswerten vergleichen, aber auch landwirtschaftliche Güter im Besitz der Produzenten wie Getreidefelder oder Vieh, die schlicht entsprechend des zur Produktion benötigten Arbeitsaufwandes verkauft werden. Zweitens gibt es für das Kapital so etwas wie einen natürlichen Reservefonds, der formell und/oder reell unter das Kapital subsummiert werden kann, wenn anderweitig kein Kapital mehr akkumuliert werden kann. Drittens stellt die Natur Gebrauchswerte zur Verfügung, die nur indirekt über die Bodenrente kommodifiziert sind, deren wesentlicher Charakter aber der Raubbau an den Ressourcen ist. Viertens gibt es für das Kapital irrelevante Natur und fünftens natürlich Einflüsse, die störend auf den Prozess der Kapitalakkumulation einwirken. Mit jeder der fünf Typen muss das Kapital anders umgehen, wobei das entscheidende Charakteristikum des Kapitalismus ist, dass alle Natur in Hinblick auf ihren Einfluss auf die Kapitalakkumulation bewertet werden.
Der marxistische Geograph David Harvey versuchte durch den Begriff des Spatial Fix kapitalistischer Krisen die räumliche Auslagerung des Akkumulationsprobleme zu beschreiben. Als etwa Mitte des 19. Jahrhunderts die Böden in England auf Grund der wachsenden Bevölkerung immer schneller auslaugten, mussten neue Düngemethoden entwickelt werden, von denen viele Guano zur Grundlage hatten. Zum Abbau in Peru wurden tausende chinesische Arbeiter*innen angeheuert, welche die extrem gesundheitsschädliche Arbeit durchführten. Damit strukturierten die kapitalistischen Mächte nicht nur den Raum, sondern zugleich die ungleichen Verhältnisse zwischen Zentren und Peripherie. Relle und formelle Subsummtion der Natur unter das Kapital gehen dabei Hand in Hand.
Ein sehr umstrittener Debattenstrang ist die Bewertung tierischer Arbeitskraft. Während post-anthropozentrische Marxist*innen argumentieren, dass auch viele Tiere mehr produzieren könnten als sie zum eigenen Überleben bräuchten und daher durchaus ausgebeutet würden, hält die Mehrheit am Marxismus an der Interpretation der Ausbeutung als einer sozialen – und damit zwischenmenschlichen Beziehung – fest. Abstrakte Arbeit des Menschen muss allseitig vergleichbar sein, während Tiere nur sehr spezielle Funktionen erfüllen. Tierische Arbeit sei daher ähnlich wie unproduktive Arbeit als notwendige Auslage zu betrachten, die sich im konstanten Kapital widerspiegele.
Von der Krisenbewältigung zur rellen Subsumtion
Die Geschichte um die Smart Hives zeigt, dass die dargestellten Ansätze gar nicht als konträr gegeneinander zu verstehen sind, sondern eher komplementär. Denn wir müssem von einer multiplen Krise ausgehen: Monokulturen führen zum Abbau natürlicher Resilienz, der Klimawandel führt zu immer schneller wechselnden Wetterlagen, die Zurückdrängung der Arbeitsmigration sorgt für einen Mangel an billiger Arbeitskraft. Smart Hives versprechen eine Lösung für alle Probleme. Die Bewerbung mit Biodiversitätsfreundlichkeit kann dabei natürlich schmunzelnd als Ökofolklore ingnoriert werden.
Diese Krisenbewältigung hat ihren Preis. Wurde zuerst Pflanzen ganz natürlich ohne jedweden finanziellen Aufwand bestäubt, mussten schon bald Imker angeheuert und entsprechend bezahlt werden. Da diese meist als Kleinbürger auf eine Rechnung arbeiteten, produzierten sie für die landwirtschaftlichen Großkonzerne keinen Mehrwert. Die Imkerei war bis dato ein Gewerbe, dass viel mit Erfahrung zu tun hatte. Bienenpopulationen konnten nur mit dem richtigen Sinn für die Geräusche eines Bienenstocks und die richtige Interpretation des Zusammenspiels von Wabenbeschaffenheit, Wetterlage, etc. erhalten werden. Die Stimmung eines Bienenstocks zu erkennen, ist ein nicht in einfache Arbeiten zerlegbarer Prozess. Dafür benötigt man Experten. Smart Hives ermöglichen nun die Integration der Bestäubung in die Wertschöpfungskette der landwirtschaftlichen Großkonzerne. Da einzelne Bienenstöcke um die 6.000 Dollar kosten, sind die Anschaffungskosten für kleinbürgerliche Imker zu groß und auch gar nicht sinnvoll. Für die Konzerne sind es tragbare Ausgaben, die damit vergolten werden, dass einfache Arbeitskräfte nun – angeleitet durch die Smart Hives – die Aufgaben der Imker wie Ausbringung und Auswertung übernehmen können. Damit wird die Bestäubungsarbeit produktiv. Die Mehrwertmasse wächst, wobei gleichzeitig das konstante Kapital durch die Anschaffungskosten steigt und der variable nur geringfügig wächst, da die zusätzliche mehrwertbildende Arbeit geringqualifiziert ist. Großkonzerne können damit Extraprofite einfahren, solange die Konkurrenz noch nicht auf die neue Technologie umgestellt hat, während langfristig die Profitrate der ganzen Branche durch den Anstieg der organischen Zusammensetzung sinkt.
Fast schon ein Nebeneffekt ist dabei, dass die menschliche Arbeit hierbei komplett formell und nicht nur reell unter das Kapital subsummiert wird, in dem kleinbürgerliche Arbeit von Lohnarbeit verdrängt wird. Und das sozusagen im Gleichschritt mit der Intensivierung der Ausnutzung des Gebrauchswertes der Bienen, die durch breitflächige Überwachung und entsprechende Interventionen noch vollständiger in den Dienst des Kapitalisten gestellt werden (ohne natürlich mehrwertbildende Arbeit auszuführen). Verhalten und Gesundheit der Insekten interessiert nur in dieser Hinsicht, während alle anderen metabolischen Kreisläufe der Natur unberücksichtigt bleiben. Das Kapital ersetzt also kostenlose und billige Natur zunehmend durch kostspielige, wenn es dabei hilft, alle natürlichen Prozesse unter das Kapital zu subsummieren und die Monopolstellung der Agrarkonzerne auszubauen. Der Preis sind langfristig fallende Profitraten, Krisen und die weitere Zerstörung der Umwelt.
Zusammenfassung
Nimmo vergleicht den Umgang mit der Natur im Kapitalismus mit der industriellen Reserve. Ihre Existenz begründet sich nur als Potential künftiger Profitmöglichkeiten, welche sich das Kapital aneignen kann, wenn Krisen oder Boomphasen herkömmliche Produktionsweisen auf den Kopf stellen. Ihr Erhalt erfolgt dabei weder aus der Sache heraus, noch durch ethische Verpflichtungen, sondern allein aus der Notwendigkeit, dieses Potential für die Zeit zu erhalten, in der es einmal gebraucht wird. Und je weiter dieser Prozess voranschreitet, wird auch etwas anderes wahr.
Die Produktionsverhältnisse, in welcher der Mensch die Natur einfach ausplündern konnte, sind allmählich vorbei. Die Natur stellt ihre Ressourcen keineswegs mehr kostenfrei zur Verfügung, sondern sie muss immer mehr durch menschliche Arbeit selbst reproduziert werden. Und um es sich bewusst zu machen. Wir reden dabei allmählich von einer Reproduktion im planetaren Ausmaß, zu dem nur noch die Monopolkonzerne in der Lage sind. Und der sich nicht einmal die Biene entziehen kann.
Literatur:
Nimmo, R. (2025): Digital hives, nonhuman work and the real subsumption of nature: Fixing pollination in capitalist agriculture. In Nature and Space. Jahrgang 8. Ausgabe 3. S.1112-1131.