Zirkel schreibender Amazon-Arbeiter

„Greif zur Webcam und Tastatur, Lagerarbeiter*in!“ könnte in Anlehnung an den Bitterfelder Weg die Losung des kanadischen Projekts Worker as Futurist heißen. Hier entwickeln eine Handvoll Künstler*innen und Wissenschaftler*innen die literarischen Fähigkeiten von Arbeiter*innen des Amazon-Konzerns im Genre der spekulativen Literatur weiter. Herausgegeben wurde nun der Sammelband „The World after Amazon“ mit neun Kurzgeschichten und einer theoretischen Einrahmung.

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Palästina in Spanien befreien

Insgesamt kämpften 40.000 internationale Brigadist*innen im Spanischen Bürgerkrieg. 140 davon kamen aus dem britischen Mandatsgebiet Palästina. Und unter diesen waren wiederum fünf arabische Palästinenser. Dass 1936 arabische Palästinenser in Spanien kämpfen, ist dabei höchst ungewöhnlich. Denn es ist auch das Jahr des des gewaltsamen Aufstandes gegen die britische Mandatsherrschaft, der wie der Spanische Bürgerkrieg erst 1939 endete. Was suchten also arabische Kommunisten wie ʿAlī ʿAbdul Khāliq, einer dieser fünf, auf der iberischen Halbinsel? Der palästinensische Israeli Hussein Yassin schrieb 2019 eine Novelle über diesen außerordentlichen Zeitgenossen: Ali, die Geschichte eines ehrenhaften Mannes.

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Der einen Freud, des anderen Leid: Das Buch Anderswo

Wenn China Mieville einen neuen Roman herausbringt – ein Autor, der im „Eisernen Zug“ so wunderbar den trotzkistischen Panzerzugmythos ins Fantastische übersetzte -, dann ist das schon mal ein Grund für hohe Erwartungen. Wenn als Co-Autor auch noch Keanu Reeves – Hollywoodstar aus Matrix und John Wick – auftaucht, dann verringert das die Spannung nicht. Wie passen der imaginative Reichtum Mievilles und die eindimensionalen Charakterdarstellungen Reeves zusammen? Und kann Mieville wie in anderen Büchern historisch-materialistische Erkenntniswerte schaffen? Eine Rezensentin meinte jedenfalls, es gäbe nur wenig Marx, aber viel Freud. Der Maßstab ist jedoch nicht, wie viel Marx jetzt im Buch steckt, sondern wie viel das Buch Marxist*innen sagen kann. Eine Rezension über The Book of Elsewhere (dt.: Das Buch Anderswo).

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Der vulgäre Brecht

Bertolt Brechts Werk ist im doppelten Sinne für seine Vulgarität bekannt. Erstens bediente er sich gerne kraftausdrucksreicher Gossensprache, um die soziale Realität unverblümt auf die Bühne zu bringen. Zum anderen gilt er als jemand, der seinen Marxismus nicht durch schöngeistige und spitzfindige Interpretationen ausdrückte, sondern durch einfache, geradezu vulgäre Fragen: Wem gehört was? Wer profitiert und wer zahlt die Rechnung? Aus diesem Grunde eignet sich Brecht besonders hervorragend als Gegenstand einer Fallstudie zu Potential, Grenzen und Kritik des Vulgärmarxismus, was die Rethinking Marxismus auf einem Kongress kürzlich diskutieren ließ. Neil Levi arbeitete dabei den Begriff des „groben Denkens“ bei Brecht heraus, einmal in seiner Existenz als Vorurteil durch eine einflussreiche Rezension Walter Benjamins und einmal in seiner werkimmanenten Rolle.

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Historisch-materialistische Science Fiction (Teil 2): Die Parabel vom Sämann (Octavia Butler)

In etwa einem Jahr, am 20. Juli 2024, wird die Geschichte von Otavia Butlers Die Parabel vom Sämann beginnen. Die Geschichte der sechzehn bis achtzehnjährigen Pfarrerstochter Lauren, die den Zusammenbruch ihrer Gemeinde überlebt und sich durch eine Welt – eine Mischung aus dem 18. Brumaire des Louis Bonaparte, Fallout und The Walking Dead – schlagen muss, ist mehr als eine Endzeitstory. Sie ist ein Musterbeispiel für literarisch verarbeiteten dialektischen Materialismus. Kürzlich gab der Heyne-Verlag das Buch als Neuübersetzung heraus, im nächsten Jahr wird die Fortsetzung Die Parabel der Talente folgen. Teil 2 zur Serie über historisch-materialistische Science-Fiction.

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Historisch-materialistische Science Fiction (1/X)

Am kommenden Sonntag jährt sich der Todestag einer der größten Autor*innen linker Science-Fiction- und Fantasy, Ursula K. Le Guin, zum fünften Mal. Zum Anlass dieses Datum sollen in einem Zweiteiler kurz die Möglichkeiten einer historisch-materialistischen Science Fiction umrissen werden und an Le Guins Werk The Dispossessed/ Freie Geister erörtert werden.

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China Mieville zum Kommunistischen Manifest

An Kommentaren, Essays und Büchern zum Kommunistischen Manifest mangelt es ganz sicher nicht. Aber wenn der Fantasy-Autor China Mieville ein Buch über das Gründungsdokument der kommunistischen Bewegung schreibt, ist das schon noch etwas ganz Besonderes. Denn die Fantasy ist genau das Genre der Literatur, dass buchstäblich Gespenster durch Europa gehen und Proletarier mit nichts außer Ketten erschaffen kann. Und Mievielle ist ein Meister darin, Metaphern, Allegorien und Sehnsüchte der Linken in Fantasiewelten zum Leben zu erwecken. In A Spectre, Haunting erweckt er das Manifest als Text, Textform, historisches Dokument und immernoch gültige Richtschnur zum Leben.

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