Das bikammerale Unternehmen

Von den am BIP gemessenen 100 größten Ökonomien der Welt sind nur 29 Nationalstaaten. Der Rest sind transnationale Konzerne. Walmart ist größer als Spanien; Apple größer als Indien. Während nur ein Teil dieser 29 Staaten als demokratisch bezeichnet werden kann, so ist es in jedem Fall keiner dieser Konzerne. Diese undemokratischen Wirtschaftssubjekte wiederum schaden durch ihre Macht nicht nur den politischen Demokratien, sie üben auch undemokratische Macht über die Arbeiter*innen am Arbeitsplatz aus. Da das Ende des Kapitalismus gefühlt noch ferner in der Zukunft liegt als das Ende der Welt, haben sich verschiedene heterodoxe Ökonom*innen mit der Frage befasst, wie man innerhalb marktwirtschaftlicher Mechanismen Konzerne demokratisieren könne.
Die aktuelle Ausgabe der Politics & Society widmete sich in mehreren Aufsätzen dem Ansatz der Bikammeralität. Das von Isabelle Ferreras entwickelte Konzept sieht eine eine Art Zwei-Kammer-Parlament für größere Unternehmen vor, in welchem die Arbeiter*inne genauso viel zu bestimmen hätten, wie die Aktionäre. Dafür gab es Lob und Kritik.

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A las blockadas: Zur Aneignung der Zirkulationsmittel (1/2)

Über die Straßenblockaden der Letzten Generation ist in den vergangenen Monaten viel berichtet und sehr kontrovers diskutiert worden. Die Letzte Generation ist jedoch nicht die erste Generation die Blockaden als politisches Mittel nutzt. Das kritische Geographie-Journal Antipode hat zum Thema Blockaden das Symposium „Auf der Blockade: Geographien von Zirkulation und Kampf“ organisiert. Dort wurde das Thema unter verschiedenen theoretischen, historischen und disziplinären Zugängen aufgerollt. In der aktuellen Ausgabe wurde nun die Beiträge veröffentlicht. In diesem und dem folgenden Artikel sollen die diese nachskizziert werden. Zum Schluss werden die Proteste der Letzten Generation innerhalb der dargestellten Betrachtungen verortet.

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Who cares for the Planners?

Ein Gespenst geht um in der Kalkulationsdebatte: es ist das Gespenst des Technikoptimismus. Die jüngsten Entwicklungen auf dem Gebiet des maschinellen Lernens und des digitalen Kapazitätsausbaus lassen immer mehr Genoss*innen vom digitally automated luxury communism träumen. Angesichts der multiplen Krisen des globalen Kapitalismus und der Unfähigkeit des Marktes, die Klimakrise zu bewältigen, haben sich demokratische Planwirtschaftskonzepte entwickelt, die auf weitgehende Digitalisierung als Tor zu breiter Partizipation setzen.
Christoph Sorg von der Ruhruniversität in Bochum fragt jedoch, ob hier nicht zu kurz gedacht wird. Wie viel Kapitalismus steckt in der Digitalisierung, den man auch nicht mehr herausbekommt? Diese Frage diskutierte er in der aktuellen Critical Sociology. Er schaute sich die aktuelle Literatur zur Debatte an und fokussierte sich auf die Berücksichtigung der Reproduktionsarbeit und den Umgang mit den Ressourcen der Natur.

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Alt, krank, arm … aber relativ gut versichert

Die Weihnachtszeit ist die Zeit, in der man seine Liebsten mit preisgekrönter marxistischer Literatur bescheren möchte. Letzterer mangelt es leider an Preisen. Eine Ausnahme macht der seit 1969 vergebene und mit 500 Dollar dotierte Isaac-und-Tamara-Deutscher-Preis. Dieses Jahr darf sich Gabriel Winant in die Riege namhafter Preisträger*innen wie David Harvey, Eric Hobsbawm oder Terry Eagleton einreihen. Sein Buch The Next Shift. The Fall of Industry and the Rise of Health Care in Rust Belt America über die Transformationsprozesse im amerikanischen Rust Belt konnte die Jury überzeugen.

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Autonomie, Demokratie, Nachhaltigkeit, Planwirtschaft

Die digitale Revolution macht sie möglich, die ökologische Katastrophe macht sie notwendig: Planwirtschaft. Schon länger hat ein Großteil der sozialistischen und ein kleinerer Teil der sozialdemokratischen und grünen Bewegung davon Abstand genommen, die Natur als Grundbedingung der menschlichen Existenz könne auf Basis von Markt- und Profitanreizen gerettet werden. Im Sommer veröffentlichten die Ökonomen Fikret Adaman und Pat Devine ihren „Rückblick auf die Kalkulationsdebatte“.
Die Rethinking Marxism hat in der aktuellen Ausgabe drei Kritiken an dem Text Adamans und Devines veröffentlicht und den beiden Autoren die Möglichkeit eingeräumt, auf diese zu antworten. Es entspann sich eine interessante Debatte, in der unter anderem die Fortpflanzung rassistischer und sexistischer Strukturen, die Aufgabe der Assoziationen freier Produzent*innen und die innere Widersprüchlichkeit der Zieltriade Autonomie, Demokratie und Nachhaltigkeit zur Debatte gestellt wurde.

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Lula ante Portas

Am Sonntag wird in Brasilien ein neuer Präsident gewählt. Der Sieg Lula da Silvas gilt hierbei als sicher. In den Umfragen liegt er weit vor dem rechtsradikalen Amtsinhaber Bolsonaro, dessen Amtszeit auch jenseits der Corona-Pandemie weithin als Katastrophe gilt. Doch Lula wird nicht nur die Hypotheken seines Vorgängers erben. Dass der sanfte Putsch gegen die Präsidentin der Arbeiterpartei PT Dilma Rousseff 2015/16 erfolgreich sein konnte, hatte Ursachen und diese sind nicht verschwunden.

Die Latin American Perspectives haben die komplette Oktoberausgabe Studien zur brasilianischen Politik, Gesellschaft und ökonomie gewidmet. Sie entwerfen ein Mosaik der Widersprüche eines Landes der Semiperipherie, in der Not und Reichtum dicht beieinander liegen.

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Die weißen Massai

David Thomas Suell hat die Bedeutung der Dimension Zeit bei der ursprünglichen Akkumulation in Tansania und Kenia untersucht. In seinem Aufsatz The Creation of capitalist Time: Rethinking Primitive Accumulation through Conservation aus der aktuellen Society & Space zeigt er auf, welch vielfältige Rolle die Zeit bei der Enteignung der Massai spielte. Er schreibt damit ein spannendes Kapital über den Kolonialismus und die Hybris westlicher, philanthropischer Bewahrungspolitik.

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Howard Zinn und der Marxismus

Am 24. August 1922 wurde Howard Zinn geboren. Sein Buch A People’s History of the United States war eines der bedeutendsten und meistgelesenen Bücher der amerikanischen Linken. Das Buch, dass in Kolumbus nicht den Helden, sondern den Räuber indigenen Landes; in den Gründervätern nicht Vorbilder, sondern einen Club von Sklavenhaltern und jede demokratische Errungen als Ergebnis blutiger Klassenkämpfe sah, wurde und wird bis heute an Colleges und High Schools von Millionen gelesen und diskutiert. Für das FBI und die politische Rechte in den Vereinigten Staaten war klar, dass Zinn ein Kommunist, zumindest ein Marxist sein musste. Aber war Zinn tatsächlich einer? Wie nahm er Marx war? Und wie nahmen Marxist*innen Zinn wahr? Teil 2 (Teil 1: hier) der kleinen Serie zum hundertsten Geburtstag von Howard Zinn.

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Howard Zinn: Der Gründungsvater der Wokeness wird 100

Howard Zinn wird am 24. August 2022 einhundert Jahre alt. Sein Buch A People’s History of the United States, dass die Geschichte der USA aus Sicht der werktätigen Klassen erzählt, prägte die Neue Linke in den Vereinigten Staaten. Als Aktivist war er maßgeblich in der Bürgerrechts- und Antikriegsbewegung aktiv. Er selbst stammte aus einer jüdischen Arbeiter*innenfamilie, nahm als Bomberpilot am Zweiten Weltkrieg teil und konnte nur dank eines Veteranenprogramms studieren. Anlässlich seines hundertsten Geburtstag erscheint heute ein biographischer Abriss und am Donnerstag ein Diskussion des Verhältnisses von Zinn zum Marxismus.

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