Globales Wertgesetz 2.0

Das Marxsche Wertgesetz, nachdem unabhängig vom staatlichen Handeln Preise und Werte von der Zeit der abstrakten Arbeit abhängen, ist nicht nur von bürgerlichen Ökonom*innen, sondern auch von marxistischen Autor*innen vielerorts kritisiert worden. Insbesondere auf globaler Ebene erscheint es kontraintuitiv. Wird nicht in der kapitalistischen Peripherie weit länger und intensiver gearbeitet, als in den imperialistischen Zentren? Fällt nicht zugleich ausgerechnet dort nur ein Bruchteil des Werts ab? Wie passt das zusammen? Und wenn Wert, wie Marx sagt, eine soziale Kategorie ist, muss sich dann die Abhängigkeit des globalen Südens nicht auch in einem der Realität angemessenen veränderten Wertgesetz widerspiegeln?

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Paschukanis in Form gebracht

Eugen Paschukanis war neben den Grundrissen eine der großen (Wieder)Entdeckungen der Neuen Linken. Nach dem Sieg der Roten Armee über den Hitlerfaschismus war es der bundesrepublikanischen Bourgeoisie gelungen, einen integrativen Staat aufzubauen, der große Teile der Arbeiter*innenklasse das erstmals ideologisch vereinnahmen konnte. Der schwedische Menschenrechtsforscher Carl Wilen versuchte in der Capital & Class, Paschukanis’ Ansatz neu zu systematisieren. Er unterschied nicht nur logische und historische Form des Rechts, sondern auch die verschiedenen Abstraktionsebenen, um sie in einen gemeinsamen dialektischen Kontext zu setzen.

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Isaac-Deutscher-Preis 2023: Heide Gerstenbergs „Market and Violence”

Heide Gerstenberger von der Universität Bremen hat in diesem Jahr als erste Frau seit 1986 und erste*r deutsche*r Autor*in überhaupt den bekanntesten marxistischen Wissenschaftspreis – den Isaac-und-Tamara-Deutscher-Preis – gewonnen. In ihrem Buch Market and Violence, der englischen Übersetzung von Markt und Gewalt. Die Funktionsweise des historischen Kapitalismus (2019)beschreibt sie, wie der Kapitalismus in allen seinen Phasen, von der ursprünglichen Akkumulation bis zum entwickelten Imperialismus immer fundamental auf Gewalt beruhte, und zwar nicht nur im Sinne eines passiven Herrschaftsverhältnisses, sondern in Form von unmittelbarer, blutiger und historisch einmaliger Gewalt. Eine Rezension.

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Was bringt eigentlich die Theorie des ungleichen Tauschs?

Über den ökonomischen und ökologischen ungleichen Tausch entspinnt sich seit Jahren eine Debatte, sowohl über seine Funktionsmechanismen, als auch politische Konsequenzen. Die Capitalism Nature Socialism dokumentierte stellvertretend einen Streit zwischen Andrea Ricci, Alf Horborg und Peter Sommerville (hier bereits dokumentiert). Jüngst veröffentlichte Ricci in diesem Journal eine erneute Antwort, in der er insbesondere die Bedeutung des ungleichen Tausches für die internationale soziale Bewegung diskutierte.

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Die Social Reproduction Theory … über Lohn und Hausarbeit

Die sogenannte Social Reproduction Theory hält unbezahlte Reproduktionsarbeit für systemimmanent und untersucht die Bedingungen, unter welchen sie eine bestimmte Form annimmt. Dem zugrunde liegt die Feststellung, dass jede Produktion auch immer wieder eine Erneuerung und Erweiterung ihrer eigene Bedingungen benötigt und die Reproduktionsarbeit demgemäß trotz des anarchischen Wettbewerbs der individuellen Willen mit Zwang koordiniert werden muss. Pedro M. Rey-Araújo vom Centre of Time-Use Research des University College Londons kartographierte in der New Political Economy die Social Reproduction Theory.

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Die Dekommunisierung frisst ihre Kinder

Die Zerstörung sowjetischer Symbolik im öffentlichen Raum hat nach den Jahren um 1990 im Zuge des Ukraine-Konflikts ein zweites Mal an Fahrt angenommen. Łukasz Wiktor Olejnik zeigte in der European Politics and Society, dass der Prozess jedoch umstritten ist. Obwohl der Antikommunismus in Polen fester Bestandteil der modernen Nationalerzählung ist – nahezu gleichrangig mit dem Katholizismus –, hat sich die regierende konservative PiS-Partei nicht nur Freunde mit ihren Gesetzen zur Tilgung des sozialistischen Erbes gemacht. In die Wahlgebieten, in denen Straßennamen sehr strikt geändert wurden, hat sie anteilig weniger Wähler*innen in den letzten Jahren gewonnen als in anderen Wahlkreisen. Warum ist das so und was sind die Hintergründe der polnische Kommunisierung und Dekommunisierung?

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Stranger than Fiction … oder wie real fiktives Kapital ist

Um das Finanzkapital ranken sich noch immer zahlreiche Mythen. Es erscheint vielen Menschen übermächtig, schwer durchschaubar und irgendwie von der „realen Ökonomie“ abgekoppelt. Diese Verständnisprobleme sind auch nicht auf die bürgerliche Wissenschaft beschränkt. Das ist nicht überraschend. Schließlich stellte bereits Marx im dritten Band des Kapitals fest, dass die Verrücktheit der kapitalistischen Vorstellungsweise im fiktiven Kapital auf die Spitze getrieben würde. Das Kapital erscheine als automatisches Subjekt, welches Kapitalisten wie Arbeiter*innen unter seine Herrschaft zwinge. Nicht wenige Linke sitzen dieser Vorstellung bis heute auf. Die heterodoxe Ökonomin Carolina Alves von der Cambridge Universität hat in ihrem Aufsatz Fictitious Capital, the Credit System, and the particular Case of Government Bonds in Marx die Spur des fiktiven Kapitals aufgenommen. Am Beispiel der Staatsanleihen zeigt sie, wie das fiktive Kapital den Staat als Klassenstaat formt.

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Erdogans Megaprojekt stürzt ein

Die alte Türkei liegt im Sterben, die neue ist noch nicht geboren. Es ist die Zeit der Metaphern. Erdogan schwächelt kurz vor den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen, gesundheitlich wie demoskopisch und das Erdbeben im Januar hat das ganze Kartenhaus der AKP zum Einsturz gebracht. Dabei stellt sich die Frage, warum das Erdbeben dem Amtsinhaber eigentlich so sehr geschadet hat. Normalerweise profitiert die Regierung von Krisen, in denen sich die Betroffenen hinter den starken Mann an der Spitze drängen. Warum ist es diesmal anders?

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Die deutsche „Industriestrategie 2030“ im Jahre 2023

Quizfrage: Wann hat die Bundesregierung das letzte Mal ein Konzept zur weitreichenden Verstaatlichung von Schlüsselindustrien vorgelegt? Wer denkt: Das war doch 2019 Wirtschaftsminister Peter Altmaier von der CDU, der liegt goldrichtig. Seine Industriestrategie 2030 (NDI) schlug dies und damit ein Ende der seit der Wiedervereinigung vorherrschenden neoliberalen Ausrichtung vor. Nun sind Covid, der Ukrainekrieg und ein Regierungswechsel dazwischen gekommen. Was ist also aus dem Paradigmenwechsel der Wirtschaftspolitik geworden?

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Enough is enough – die Übergewinnsteuerstudie der RLS

Die Linkspartei verspricht momentan einen heißen Herbst. Im Kern ihrer Forderungen steht eine Übergewinnsteuer, die laut einer medial viel beachteten Studie bis zu 100 Mrd. Euro zusätzlich in die öffentlichen Kassen spülen könnte. Kritiker*innen von links würden die Konzerne lieber heute als morgen enteignen und damit die Gewinne dauerhaft umverteilen. Im Folgenden soll die Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung kurz vorgestellt werden und in die Marxsche Kritik der politischen Ökonomie eingeordnet werden. Erstellt wurde sich vom Netzwerk Steuergerechtigkeit im Auftrag der RLS. Die beiden Autoren Christoph Trautvetter und David Kern-Fehrenbach versuchten in dieser, die Höhe einer Übergewinnsteuer auf Öl, Gas und Strom abzuschätzen und juristische wie praktische Aspekte zu beleuchten.

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