Dzarasov statt Buzgalin: die Voprosi unter neuer Regie

⋄ Nachdem Tode Aleksadr Buzgalins hat Ruslan Dzarasov die Chefredaktion der Voprosi Politiceskoi Ekonomii übernommen. Was ändert sich?

⋄ Die aktuelle Ausgabe stellt der Begriff der Entwicklung in den Fokus: allgemein, global und auf Russland bezogen.

⋄ Buzgalin ist durch einen Artikel von 2008 zur dialektischen Interpretation globaler Widersprüche nochmals vertreten.

⋄ Lyudmila Buzgalina widmete sich Problemen der qualitativen Entfremdungsforschung, da Entfremdung mit der kapitalistischen Entwicklung zunehme.


⋄ Taras Varkhotov wagte einen interdiszplinären Blick auf die Entwicklung der Städte im Kapitalismus und sozialistische Alternativen.

Nachdem Anfang des Jahres Aleksandr Buzgalin überraschend gestorben ist, hat Professor Ruslan Dsarazov nun die Leitung der Voprosi Politiciskoi Ekonomii übernommen. Das wichtigste Bulletin des russischen akademischen Marxismus hat damit einen prominenten neuen Kopf bekommen. Allerdings wird das Erbe Buzgalins noch einige Monate in den Voprosi nachklingen. So auch in der aktuellen Ausgabe. Diese beschäftigt sich mit der Entwicklung des globalen Kapitalismus und den sich daraus entfaltenden Widersprüchen. Und kein anderer als Buzgalin verfasste den Leitartikel, der aus dem Jahre 2008 stammt. Schlägt das Journal darüber hinaus aber neue Wege ein?

Buzgalin antwortet aus der Vergangenheit

Der Leitartikel ist, wie angeführt, ein älterer Aufsatz Buzgalins zu allgemeinen Fragen der globalen Entwicklung. Entwicklung ist nach Buzgalin ein dialektischer Begriff, bei dem sich die allgemeine Entwicklung der Produktivkräfte widersprüchlich zur konkreten Entwicklung der Produktivkräfte an einem jeweiligen Ort verhält, wobei der Begriff der Globalisierung die Tendenz zur Verstärkung dieses Zusammenhangs beschreibt. Die Triebkraft hinter jeder global eingebetteten Ökonomie ist die, zum einen auf dem Weltmarkt konkurrieren zu müssen, das heißt auf dem allgemeinen Stand der Produktivkräfte zu produzieren, und auf der anderen Seite die konkurrenzfähigen Produktionsmittel auf dem Weltmarkt erwerben zu müssen, wofür die Konkurrenzfähigkeit eigentlich schon vorausgesetzt sein müsste. Aus dieser Spannung entwickelt sich nach Buzgalin eine objektiv nicht notwendige globale Arbeitsteilung, in der veraltete, schmutzige und wenig profitträchtige Technologien die Produktion des globalen Südens bestimmen, während der globale Norden „sauber“, hochtechnologisiert und profitabel produziert. Brüssel ist nicht Yaroslavl und eine absolute Entwicklung in den imperialistischen Zentren führt nicht nur zu einer relativen Unterentwicklung der restlichen Welt, sondern letztendlich auch zu einer absoluten, da der Anschluss an die modernsten Produktionsmittel abreißt.

Auf Grundlage dieses Widerspruchs entfaltet sich nach Buzgalin ein weiterer und zwar der zwischen Universalisierung des Kapitalverhältnisses und nationaler Abschottung. Auf der einen Seite müssen sich Lebensverhältnisse angleichen, da selbst für die rückständigsten Produktionsschritte mittlerweile viel mehr Reproduktionsmechanismen als früher benötigt werden (Bildung, Kindererziehung, etc.). Auf der anderen Seite schöpfen die transnationalen Konzerne gerade aus den Ungleichheiten Extraprofite, die sie aufrecht erhalten wollen. Die Abfuhr von Extraprofiten in die kapitalistischen Zentren behindert wiederum die jeweiligen Nationalstaaten darin, notwendig komplexe Reproduktionssysteme zur Verfügung zu stellen, um den Ansprüchen des Weltmarkts zu genügen. Sie müssen daher bei Strafe ihres Unterganges regulatorisch eingreifen, was sie durch den Versuch, die Ansprüche des globalen Kapitals zu erfüllen genau in den Widerspruch zu diese´m versetzt. Als Beispiel nennt Buzgalin hier Fachkräfte. Auf der einen Seite benötigt auch die am wenigsten entwickelte Produktion mittlerweile Programmierkenntnisse oder spezialisierte handwerkliche Fähigkeiten, auf der anderen Seite ziehen die imperialistischen Zentren durch höhere Löhne diese aus den Ländern ab und hindern so das Kapital daran, die Peripherie überausbeuten zu können. Nationalstaatliche Migrationsbeschränkungen sind daher nicht nur eine Antwort auf die Globalisierung, sondern funktionieren im Interesse des Kapitals.

Dieser multidimensionale ökonomische Widerspruch entfaltet sich auf der Ebene der Politik und Ideologie in militärischen und ideologischen Kämpfen. Regierungen, welche die Freiheit des Kapitals oder des Zugriffs auf billige Arbeitskraft beschränken, werden als diktatorisch geframed, während ausgerechnet die Länder, welche den unbeschränkten Zugriff des Kapitals gestatten, in der Regel ihre Reproduktionssysteme nicht aufrechterhalten können und entweder in familiäre und religiöse Solidaritätsstrukturen auslagern oder einfach die funktionale Staatlichkeit verlieren. Während der erste Weg zu den globalen Spannungen und Kriegen führt, führt der zweite zu lokalen und Bürgerkriegen um die knappen Ressourcen. Zur Einhegung und Regulierung der durch den globalen Kapitalismus erzeugten Gewalt, muss auch der Westen seine militärischen Institutionen wie die NATO ausbauen. Ebenso müssen ideologische Waffen geschmiedet werden, die in Staaten, in denen gerade politische Kämpfe zwischen Kapitalfreiheit und staatlicher Regulation stattfinden, diese zu Gunsten ersterer zu entscheiden. In Georgien etwa war dies die Finanzierung hunderter prowestlicher NGOs und das Versprechen auf eine EU-Mitgliedschaft, um mehr staatliche Regulation zu verhindern.

Staatliche Regulation darf dabei keinesfalls als Lösung des entfalteten Widerspruchs verstanden werden, sondern letztendlich hemmt auch diese die Entwicklung der Produktivkräfte und führt zu Akkumulationsproblemen des Kapitals, die sich gewaltsam durch Krisen und Kriege lösen müssen. Hoffnungen durch Verbesserungen durch China etwa, würden verkennen, dass China international gerade durch die zur Produktivkraftentwicklung geschaffene Bourgeoisie vertreten wird, die also die kapitalistische Globalisierung fördert, die sozialistischen Elemente hingegen innerstaatliche Phänomene bleiben.

Epstein: Entwicklung hin zum Marktsozialismus

Ein langjähriger Autor des Journals ist David Epstein. Epstein diskutiert ganz allgemein, was man dialektisch überhaupt unter Entwicklung verstehen müsste. Die reine Steigerung eines Indikators zur Hand zu nehmen, würde jedenfalls zu kurz kommen, wenn man die Prozesse nicht versteht, auf denen die Steigerung beruht. Epstein weist darauf hin, dass etymologisch das Wort „entwickeln“ im Russischen von „abwickeln“ kommt, im Sinne einer Entfaltung der Potentiale eines Phänomens. Eine Pflanze entwickelt sich, weil sich das in ihre genetisch angelegte Potential durch günstige Umweltfaktoren realisieren kann. In kapitalistischen Gesellschaften ist dieses Potential im wesentlichen durch den Klassenantagonismus bestimmt. Nehmen etwa die Produktionskosten ab, kann dies positiv für das Kapital sein, wenn dadurch ein Wettbewerbsvorteil erzielt werden kann; es kann aber auch negativ sein, wenn etwa tendenziell weniger wertbildende Arbeit erheischt wird und die allgemeine Durchschnittsprofitrate sinkt. Auf der anderen Seite können niedrigere Produktionskosten die Konsumentenpreise für die Arbeiter*innen reduzieren, aber auch zu geringeren Löhnen oder relativer Arbeitslosigkeit führen. Kurz gesagt, ist die ökonomische Entwicklung durch Tendenzen bestimmt, die Marx im Allgemeinen Gesetz der kapitalistischen Akkumulation beschrieben hat. Der vielleicht verlässlichste Parameter für eine gesamtgesellschaftliche Entwicklung wäre die Quantität frei zur Verfügung stehender Zeit.

Im Kapitalismus sieht Epstein eine Dialektik zwischen Freiheit und Unfreiheit walten, die im Wesentlichen auch die ökonomische Entwicklung bestimmt. Haben die einzelnen Individuen zu große Freiheit, werden sie, wenn sie nichtbesitzend sind, nicht nur sehr disponibel, es lassen sich auch kaum stabile Produktions- und Reproduktionsmuster aufbauen, die einer Gesellschaft auf einem bestimmten Komplexitätsgrad Rechnung tragen. Auf der anderen Seite warnt Epstein vor einem sowjetischen Dirigismus, der nicht idealisiert werden dürfe. Vielmehr scheint Epstein eine Art Marktsozialismus vorzuschweben, bei der die Regierung die wesentlichen Leitlinien bestimmt, die konkrete Ausführung sich aber an Kompetenz orientiert. Letztlich verteidigt Epstein das momentane russische Systeme gegenüber dem Mehrparteiensystem Gorbatschows, einem entwicklungshemmenden Liberalismus, aber auch kommunistisch-revolutionärer Vorstellungen, obwohl er selbst Korruption, Machtmissbrauch und bescheidene praktische Resultate zugeben muss. Ob es sich dabei aber wirklich nur um Fehler und nicht um Folgen der Diktatur des Einigen Russlands handelt, erklärt Epstein nicht. Sein Artikel ist ein Beispiel dafür, wie auf der Grundlage richtiger philosophischer Prämissen, die auf der Dialektik des Klassenkampfs beruhen, opportunistische Vorstellungen begründet werden können.

Buzgalina: Entfremdung als Messinstrument der Entwicklung

Buzgalins Witwe Lyudmila Bulavka-Buzgalina verbindet den Begriff der Entwicklung mit dem der Entfremdung. Entfremdung kann sehr grob gesagt verstanden werden als die Differenz des historischen Menschen, der von den Mitteln seiner Reproduktion ganz oder teilweise getrennt ist, gegenüber einem hypothetischen Gattungswesen, das Souveränität über die Mittel seiner Reproduktion besitzt. Die marxistische Prognose lautet, dass mit zunehmender Produktivkraftentwicklung unter kapitalistischen Verhältnissen die Entfremdung des Menschen von sich, den Mitmenschen und der Natur zunimmt. Der Grad der Entwicklung einer kapitalistischen Gesellschaft müsste sich demnach als Grad der Entfremdung messen lassen.

Buzgalina weist hier auf drei prinzipielle Messprobleme hin. Erstens: Da der nichtentfremdete Mensch als Gattungswesen natürlich nur ein hypothetisches Produkt ist, müsste man die Eigenschaften eines solchen Menschen postulieren. Dabei können sich diese Postulate aber eben nicht auf Beobachtungen stützen, da alle schriftlichen Zeugnisse (bzw. Zeugnisse mit hinreichender symbolischer Tiefe) Klassengesellschaften entspringen. Die Postulierung eines konkreten Gattungswesens würde nur aus Klassengesellschaften generierte Wunschvorstellungen zu einem Ideal erheben und genau das kritisierte Marx bekanntermaßen an den utopischen Sozialisten. Als revolutionäres Bilderverbot ist dieses Problem auch in die marxistische Theoriegeschichte eingegangen.

Zweitens gibt es ein Problem, selbst für den Fall, man könne den Grad der Entfremdung qualitativ bestimmen. Selbst nach der tiefgreifendsten sozialistischen Revolution wird sich die Entfremdung nicht sprunghaft komplett aufheben, sondern sie wird in einem längeren historischen Prozess abklingen. Zur Vorbereitung einer Revolution hingegen bedarf es schon eines weit entwickelten Klassenbewusstseins, welches nicht mehr den Höhepunkt der Entfremdung darstellt. Habe ich also zwei Gesellschaften, von denen man sagen könne, dass die eine Gesellschaft entfremdeter sei als die andere, wüsste man davon jedoch noch nicht, welche davon entwickelter ist. Eine geringere Entfremdung kann genauso gut als noch nicht maximal entwickelte Entfremdung verstanden werden, als auch eine über ihren Zenit hinausgegangene und abgeklungene.

Das dritte Problem ist, dass die Differenzerfahrung von menschlichem Bedürfnis und gesellschaftlicher Schranke nicht allein eine Funktion der Entfremdung, sondern auch der Aktivität des Menschen ist. Jeder kennt den alten Sponti-Spruch „Wer sich nicht bewegt, spürt seine Fesseln nicht.“ Ob Differenzerfahrungen nicht gemacht werden, weil die Differenz zwischen individuellem und gesellschaftlichem Wesen objektiv verringert wurden oder weil sie etwa durch die Begrenzung politischer und kultureller Möglichkeiten zwangsweise gekittet wurde, ist nicht ohne Kontext zu sagen.

Dennoch schlägt Buzgalina drei qualitative Parameter vor, die gemessen werden könnten. Erstens die nicht-entfremdete Haltung eines Menschen gegenüber den Widersprüchen einer Gesellschaft, welche die Entfremdung erzeugen. Hier kommen wir in den Bereich der Messung von Klassenbewusstsein, was wieder ein Komplex für sich ist. Zweitens der Umfang nicht-kommodifizierter Tätigkeit, denen ein Mensch nach gehen kann und will. Buzgalina drückt es aus, dass der Mensch ein Schöpfer und nicht nur ein Spieler im Casino-Kapitalismus sei. Hier stellt sich die Frage, wie frei der Mensch die nicht-kommodifizierte Tätigkeit eingeht. Besonders in Russland ist das Proletariat noch auf soziale Fürsorge innerhalb der Familie und teilweise subsidäre ergänzende Kleinstlandwirtschaft angewiesen. Inwiefern durch nicht ausreichende Löhne solche erzwungene nicht-kommodifizierte Tätigkeiten als Ausdruck geringerer Entfremdung gewertet werden können, müsste genau bestimmt werden. Und drittens ließe sich bestimmen, inwiefern der Mensch kreativ in die Kultur eingebunden ist und nicht nur als Konsument. Damit diese recht abstrakten Bestimmungen etwas mehr Fülle erhalten, wandte Buzgalina diese Punkte auf den sowjetischen Künstler Mayakovsky an, aber das würde hier zu weit führen.

Die Entwicklung der Städte im Postkapitalismus

Taras Varkhotov warf einen interdisziplinären Blick aus der politischen Geographie in die Diskussion ein. Im Kapitalismus scheint die Urbanisierung und insbesondere die Entstehung von Großmetropolen eine fast gesetzliche Entwicklung zu sein. Dabei gibt es ein interessantes Paradoxon. In entwickelten Industriegesellschaften sind die Menschen Umfragen zufolge In Kleinstädten glücklicher als in Großstädten, während weniger entwickelte Länder das genaue Gegenteil aufzeigen. Zudem werden Städte ab einer gewissen Größe unfunktional und kommunale demokratische Prinzipien lassen sich nicht beliebig nach oben skalieren. Es stellt sich also durchaus die Frage, ob man die Naturmäßigkeit der Urbanisierung nicht zunehmend in Frage stellen sollte. Jedoch wurde auch von sozialistischen Kräften die Großstadt häufig als Motor der Revolution angesehen.

Aber wie könnte die Kleinstadt oder das Land als Ort einer sozialistischen Utopie bestimmt werden? Kritische Geographen haben sich etwa mit einem Dichte- und Strukturmanagement von Städten auseinandergesetzt. Hier gilt es zwei Faktoren gegeneinander abzuwägen. Erstens eine Verdichtung von Wohnraum und Angeboten, um ausreichend soziale und kulturelle Kapazitäten zu bündeln, dass sie effektiv menschliche Bedürfnisse bedienen können. Allerdings sollen diese Zentren nicht wie schwarze Löcher die gesamte Infrastruktur aufsaugen, sondern geplante Infrastruktur soll Ballungsräume entlasten und die Grenzen zwischen Stadt und Land immer mehr aufweichen. Wenn es zeitlich effizienter ist, von Kleinstadt A nach Kleinstadt B zu fahren, um ein kulturelles Angebot wahrzunehmen, als in einer Großstadt im Stau zu stehen, sind solche infrastrukturellen Achsen zu stärken. Solche Entdichtungen ermöglichen es, genug nah gelegene Freiräume für Menschen zu konstruieren und gleichzeitig etwa, lokale Landwirtschaft sehr nah am Konsumenten zu betreiben.

Der Autor versucht dies, auf Russland anzuwenden. Hier leben fast zu vier gleichen Teilen Menschen in Millionenstädten, Großstädten, Kleinstädten oder Dörfern, wobei die Wanderungsrichtung in die Städte zeigt. Das hat zur Folge, dass ländliche Infrastruktur nicht mehr aufrechterhalten werden kann, während die urbane überlastet wird. Als Ausweg könnten hier solche horizontalen Agglomerationsmodelle dienen. Er führt eine Studie über die Kleinstadt Satka in der Region Tschebaljansk an, die 42.000 Einwohner*innen umfasst und wo örtliche Großunternehmen ausreichend Arbeitsplätze zur Verfügung stellen. Die nächsten Großstädte sind jeweils 200 km entfernt, was eine infrastrukturelle Vernetzung kaum möglich mach. Die Stadt wird von den Bewohner*innen gleichzeitig als äußerst lebenswert beschrieben, die Kaufkraft der Löhne ist immens besser als in Großstädten, das kulturelle Angebot hat noch aus der Sowjetunion überlebt und es gibt sogar Zugänge zu Fernuniversitäten. Dennoch raten Eltern ihren Kindern eher, in die Großstädte zu ziehen und sehen gemäß dem auch objektiv beobachtbaren Abwanderungstrend kaum eine Zukunft in Stadt. Neuansiedler sind fast ausschließlich Migrant*innen oder Aktivist*innen, wie etwa aus einer religiösen Öko-Sekte. Der Autor kann dies nur mit der Bedeutung des Selbstbildes der Stadt erklären und regt die Erneuerung von Betriebsstädten an. Während die Kurzlebigkeit des modernen Kapitalismus es für die Bürger*innen schwer erscheinen lässt, die Potentiale Satkas auch gemeinschaftlich auszubauen, wären über Jahrzehnte währende feste Verbindungen zwischen Kommunen und Großunternehmen ein Pfeiler, um solche Perspektiven zu entwickeln. Allerdings wäre hierfür ein gesamtgesellschaftlicher Plan grundlegend, der wirtschaftliche Entwicklung in der breite und kulturell-soziale Konnektivität miteinander in Einklang bringt. Die Zukunft des Sozialismus könnte also in den Kleinstädten liegen und die Zukunft der Kleinstadt im Sozialismus.

Zusammenfassung

Der Begriff der Entwicklung verliert in Russland so massiv wie in wenigen anderen Ländern seinen Schein einer linearen Bewegung und wird immer mehr als Ergebnis widerstrebender Trajektorien sichtbar. Der Krieg gegen die Ukraine hat Russland einerseits vom westlichen Kapital abgeschnitten und zu vielen Versorgungsengpässen und Revenueeinbrüchen geführt, gleichzeitig hat sich die innere Entwicklung gestärkt und mit den BRICS hat sich ein konkurrierendes Staatenbündnis zum Westen herausgebildet, dass selbst in sich widersprüchlich ist. Es trägt also kein Wunder, dass der Begriff der Entwicklung einer Neudefinition harrt.

Der Kurs des Journals unter Ruslan Dzarasov hat sich nicht merklich geändert als unter Buzgalin. Sozialistisch-theoretische, historisch-sowjetaffirmative und sozialdemokratische Artikel halten sich die Waage. Es ist damit sehr vergleichbar mit dem westlich gezähmten akademischen Marxismus unter anderen Vorzeichen. Man versucht Anschluss an gesellschaftliche Mainstreamdebatten zu finden – hier versucht man z.B. queere Politik marxistisch zu begründen, dort zu kritisieren –, aber macht für Relevanz und Akzeptanz sehr viele inhaltliche Zugeständnisse an die herrschenden Klassen, ohne dass nicht doch der ein oder andere spannende Gedanke zu finden wäre. Ein neuer Linkskurs ist also zunächst nicht feststellbar, aber auch keine weitere Anpassung an den Putin-Nationalismus. Kritik am Regime wird mitunter sehr explizit formuliert, wie bei Zitat eines Offiziers, der sagte, dass neue Rekruten in der Armee erst mal drei Monate gemästet werden müssen, um kampffähig zu sein. Dennoch ist es sich nicht das schärfste Missile, dass dem russischen Kapital aus der marxistischen Linken entgegengeschleudert wird. Mal schauen, wie sich das Magazin weiter entwickelt.

Zusammenfassung

alle Artikel aus den

Вопросы политической экономии (2024). Jahrgang 39. Ausgabe 3. Abrufbar unter https://interpolitec.su/.

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