⋄ „Die Selbstgerechten“ von Sahra Wagenknecht gilt als das inoffizielle Parteiprogramm des BSW. Darin beklagt sie eine Abwendung der Linken von der Arbeiterklasse und eine Hinwendung zur Identitätspolitik. ⋄ Alexander Horn, Jonathan Klüser, Simon Rittershaus und Martin Haselmayer haben diese These auf ihre Stichhaltigkeit hin untersucht. ⋄ Hierfür haben sie die wichtigsten programmatischen Texte von SPD, Grünen und Linkspartei seit den 70er Jahren mit einer Crowd-Source-Textanalyse untersucht. ⋄ Diese Analyse zeigt, dass soziale Gerechtigkeit in der Linkspartei immer einen übergeordneten Stellenwert über politischer Gleichheit hatte. Ein Trend, der gegen 2021 sogar noch stärker wurde. ⋄ Gegenteilig war es ausgerechnet die SPD unter Brandt und Schmidt, welche das Thema der ökonomischen Teilhabe der Arbeiterklasse fast völlig aus den Programmen radierte. |

Anfang des Jahres 2024 spaltete sich das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ als Gruppe von der Linksfraktion im Bundestag ab, um anschließend eine neue Partei zu gründen. Neben der Unzufriedenheit über die unklaren friedenspolitischen Positionen ging der Trennung ein Gründungsmythos voraus, nach dem sich eine einst arbeiter*innenzentrierte Linke immer mehr urbanen, akademischen Milieus angenähert habe. Forderungen nach sozialer Teilhabe und ökonomischer Gerechtigkeit, welche die SPD der 70er Jahre geprägt hätten, seien immer mehr durch eine minoritäre Identitätspolitik verdrängt worden, welche die rein symbolische Anerkennung von sexueller Zugehörigkeit, liberalem Habitus und ökologischen Distinktionspraxen in den Mittelpunkt stellte.
Aber lässt sich diese Darstellung überhaupt belegen? Alexander Horn, Jonathan Klüser, Simon Rittershaus und Martin Haselmayer haben sie die wichtigsten Parteidokumente von SPD, Grünen und PDS/LINKE. angeschaut und kommen zu einem klaren Ergebnis.
Die These der neuen Woke-Linken
Das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ ist trotz der Niederlage bei der Bundestagswahl eines der spektakulärsten Parteigründungsprojekte der bundesdeutschen Geschichte. Auf nationaler Ebene konnten allein die Grünen und die AfD eine ähnliche Wirkung entfalten, allerdings mit weit längeren Zeiten zur Konstituierung. Da ist es schon interessant, dass bis heute nicht einmal ein Parteiprogramm vorliegt, sondern gerade einmal eine vierseitige Skizze. Das inoffizielle Parteiprogramm ist – so kann man wohl mit Recht behaupten – Sahra Wagenknechts Buch „Die Selbstgerechten“. Dieses Buch wurde im April 2021 veröffentlicht. Einige Wochen vor Erscheinen und eine Woche vor dem Listenparteitag in NRW wurden jedoch schon Auszüge bekannt und zwar jene, welche die schärfste Politik am vermeintlichen Zustand der Linkspartei und ihres Vorstands enthielten. Damit löste sie innerhalb der Partei eine scharfe Kontroverse aus.
Grob gesagt lässt sich das Buch in zwei Teile gliedern. Im ersten beschreibt Sahra Wagenknecht, dass die Linke – gemeint waren auch SPD und Grüne – sich von einer arbeiter*innenzentrierten Umverteilungspolitik zu einer Partei der „Fragen des Lebensstils, der Konsumgewohnheiten und der moralischen Haltungsnoten“ entwickelt habe. Die chaotische Migrationspolitik werde durch die Forderung nach offenen Grenzen entgegen der offensichtlichen Probleme sogar noch weiter auf die Spitze getrieben. Gleichberechtigung sexueller Minderheiten erhalte einen zentralen Platz in der Programmatik. Beim ökologischen Wandel werde nicht mehr auf die gerechte Verteilung der Lasten geachtet, sondern Arme würden durch die Betonung des individuellen Verhaltens ausgegrenzt und stigmatisiert. Im zweiten Teil hält sie diesen scheinbaren Fehlentwicklungen ein Programm entgegen, dass sich an Ludwig Erhard und Willy Brandt orientieren soll. Der Nationalstaat solle wieder handlungsfähig werden. Aufstiegsversprechen, durch harte Arbeit in Zukunft besser zu leben, sollen wieder eingelöst werden. Friedenspolitik spielte hier noch eine untergeordnete Rolle.
Unterstützung fand Sahra Wagenknecht in der bürgerlichen Rechten. Die WELT und der FOCUS räumten ihr bereits seit längerer Zeit mit regelmäßigen Kolumnen reichlich Raum ein, um sich als Schaufensterintellektuelle zu präsentieren. Innerhalb der Linkspartei verteidigte sie eine feste Gruppe ehemaliger SPD- und PDS-Mitglieder, die heute auch den wesentlichen personellen Kern des BSW bilden. Kritik kam insbesondere vom Parteivorstand, der das Buch als einen Angriff auf geltende Parteibeschlüsse und damit die innerparteiliche Demokratie bewertete – ohne jedoch gegen vergangene ähnliche Angriffe auf die NATO-und regierungskritischen Programmpositionen ebenso vorgegangen zu sein. Und letztlich gab es noch einen Teil, der zwar das Fehlen einer klassenorientierten Politik in der Linkspartei ebenso vermisste, aber diese nicht durch eine romantische Verklärung der einstigen bundesdeutschen Sozialdemokratie, sondern durch eine eher revolutionär orientierte Politik abgelöst wissen wollte. Ob Wagenknechts These von einer Zunahme der woken Identitätspolitik überhaupt die Realität richtig beschrieb, wurde wenig thematisiert und es fehlte auch einiges an empirischer Basis.
Methodik: Crowd-Source-Textanalyse
Nun kann man sich natürlich vorstellen, dass es sehr schwer ist, die Theorie Wagenknechts zu widerlegen. Im Buch selbst findet sich mehr oder weniger nur eine Aneinanderreihung von Anekdoten, die das Bild der Linken repräsentieren können, aber keinesfalls müssen. Sie stützt sich zwar auf ähnliche Beobachtungen von Nancy Fraser, Michael Sandel oder Michael Piketty, aber erstens sprechen diese über die USA und Frankreich und zweitens ist auch deren Kritik nicht hinreichend durch Empirie gesichert. Mehr oder weniger durch soziologische Forschung gesichert ist, dass die SPD sich von einer Klassenpartei zu einer zentristischen Volkspartei entwickelt hat. Dazu gibt es eine nachweisbare kulturelle Transformation innerhalb der linken Parteien in den vergangenen zwei Jahrzehnten. Aber dennoch haben die wenigen Studien, die sich mit dem Ersatz einer klassenzentrierten durch eine identitätspolitische, Grundansatz beschäftigt habe, keine eindeutigen Belege für einen solchen Trend hervorbringen können.
In der vorliegenden Studie hat das Forschungsteam nun folgendes gemacht. Sie haben sich deutsche Parteiprogramme und zentrale Texte aus der Manifesto Project Database herausgesucht. In dieser wurden bisher über 5000 programmatische Texte von 1387 Parteien aus 67 Ländern gesammelt, deren Inhalte in über drei Millionen durch Menschen codierte Quasisätze aufgeteilt wurden. Diese Quasisätze sind maschinenlesbar und lassen sich durch Big-Data-Methoden in Programmen wie R oder als .csv-Dateien einfach auslesen und dem entsprechenden Erkenntnisinteresse gemäß verarbeiten. Diese wurden von dem Team fünf unterschiedlichen Kategorien zugeordnet: ökonomische Ungerechtigkeit, gleiche Chancen, gleiche Recht/ Anti-Diskrimminierung, Identitätssätzen und Partikularinteressen (regional, Rentner, etc.). Durch eine Vorauswahl wurden dann aus 66 Programmen seit 1970 knapp 10.000 Quasisätze zu politischer und ökonomischer Gleichheit und Gerechtigkeit zusammengetragen. Diese wurden durch durch Arbeiter*innen des Amazon Mechanical Turk-Angebots den einzelnen Kategorien zugeordnet, wobei jede der 20 Arbeiter*innen nach einem Eingangstest etwa 500 Einheiten kategorisierte. Das Verfahren bestand die gängigen Qualitätsprüfungsverfahren.
Natürlich hat dieses Verfahren seine Grenzen. Erstens kann nicht beurteilt werden, welche theoretische, aber auch praktische Gewicht eine einzelne Aussage für die Partei wirklich hat. Zweitens ist die Autorität von Programmen gegenüber Mitgliedern, Wähler*innen und Mandatsträger*innen allgemein umstritten. Und drittens konnten sehr junge Parteien wie die AfD und das BSW noch nicht getrackt werden, da sie zu jung sind.
Allgemeine Befunde
Es mag vielleicht überraschen, dass ausgerechnet seit dem Zeitalter des Neoliberalismus die Bedeutung von Gleichheit im Allgemeinen zugenommen hat.

Von knapp 7% aller Aussagen 1970 ist die Häufigkeit der Thematisierung auf aktuell über 10% angewachsen. Dieser Trend resultiert aus einem doppelten Bedeutungsanstieg. In den 80er Jahren hat das Thema der politischen Gleichheit und Antidiskriminierung massiv an Bedeutung gewonnen und nicht wieder verloren. Seit 1990 ist hinzukommend die Frage der ökonomischen Gleichheit gewachsen. Beide zusammen haben zu einem Bedeutungsgewinn des Themas im Allgemeinen geführt. Das ist ein erstes Indiz, dass sich politische und ökonomische Gleichheit nicht ersetzend, sondern ergänzend verhalten, wobei natürlich nicht klar ist, ob die beiden Beutungszuwächse als Gegenbewegungen auf reale Gleichheitsverluste oder gewachsenes Bewusstsein zurückzuführen sind.

Wenig überraschend ist die Häufigkeit der Thematisierung sozialer und politischer Gleichheit bei den Rechtsparteien wesentlich geringer ausgeprägt als bei den Linksparteien. FDP und CDU kommen seit den 90er Jahren auf kaum mehr 5% Anteil am Programm. Für die FDP ist dabei die politische Gleichheit ein kleiner Faktor, während ökonomische Gerechtigkeit mitunter sogar garkeine Erwähnung findet. In der CDU zeigt sich seit 1980 sogar ein Negativtrend mit einer Halbierung des Interesses an Gleichheit, wobei interessanterweise das Feld Antidiskrimminierung in den 80er Jahren sogar die gleiche Bedeutung hatte wie bei der SPD. Überhaupt ist erstaunlich, dass der Anteil des Gleichheits- und Gerechtigkeitsthemas in der CDU während der 70er Jahre wesentlich höher lag als bei der SPD.
Linkspartei
Was sagen die Daten nun zu Wagenknechts ehemaliger Partei. Zunächst lässt sich feststellen, dass die LINKE./PDS in fast allen Dokumenten einen doppelt so hohen Anteil an Thematisierungen der ökonomischen Ungerechtigkeit aufweist, wie Grüne und SPD. In keinem Jahr wurden dabei Fragen der „Identitätspolitik“ häufiger diskutiert als Fragen der ökonomischen Gerechtigkeit. 2009 und 2017 hat die soziale Frage zweimal sehr überraschend geringe Rollen gespielt, was in diesen Jahren zu einem relativen Anstieg der Fragen gleicher politischer Rechte geführt hat, auch wenn diese Einbrüche auf hohem Niveau erfolgten. 2017 erklärt sich dies partiell aus der Migrationsfrage, wo sich die Linkspartei stark gegen den Aufschwung der AfD und einen allgemeinen rassistischen Grundkonsens wehrte. Aber ausgerechnet während der letzten Wahl vor der Abspaltung hat sich dieser Trend umgekehrt. Man mag vielleicht folgern, dass Wagenknechts Kritik im Vorfeld der Bundestagswahl 2021 hier diese Änderung bewirkt hat, aber dann ist kaum zu verstehen, warum sie an diesem positiven Trend in der Linkspartei nicht weitergearbeitet hat, sondern die Partei in Zeiten einer relativen Reorientierung zur Klassenpolitik verlassen hat. Das Programm 2021 etwa räumte allen Fragen der Genderpolitik knapp 1% des Textes ein und das nicht mal an prominenter Stelle. Wenn überhaupt, hatte die Partei LGBTQ-Politik im 2013er Programm deutlich adressiert, um nach Konsolidierung der Partei neue Wähler*innenschichten der Grünen zu erreichen.
Wichtig ist hierbei auch, innerhalb welcher Kontexte die Linkspartei Klassenpolitik diskutierte. Während der 2010er Jahre, als der globalisierungskritische Flügel stark war, waren es zum Beispiel Konzepte wie die Tobin-Tax, die von der Linken stark gemacht wurden. Das Problem hier war aber, dass sich diese kaum national umsetzen ließ und kaum Aussicht auf Umsetzung hatte. Nach der Erfolglosigkeit solcher globalen Positionen orientierte sich Partei wieder auf Fragen eines nationalen Gestaltung des Arbeitsmarktes, etwa in Form einer sanktionsfreien Mindestsicherung oder eines bedingungslosen Grundeinkommens. Im Gegensatz zur Darstellung Wagenknechts, dass die Linke rein auf urbane Milieus abziele, findet sich kaum bei einer anderen Partei eine konkretere Adressierung der ländlichen Bedürfnisse, etwa durch Infrastrukturmaßnahmen oder einen Ausbau des ÖPNV in den Regionen. Kurz gesagt lassen sich alle Vorwürfe Wagenknechts gegen die Linkspartei nicht durch den Wortlaut der Wahlprogramme und zentralen Dokumente stützen. Eher ist es so, dass die Linkspartei sich bereits auf dem Weg zu einer stärkeren Klassenorientierung, insbesondere auf nationaler Ebene befand.
SPD und Grüne
Wie sieht es nun bei SPD und Grünen aus? Die Bedeutung der sozialen Frage verläuft bei der SPD in einer U-Form. Ein Blick in die Daten entlarvt hier interessanterweise eine Legende von Wagenknecht: dass die SPD unter Brandt und Schmidt mehr für ökonomische Gerechtigkeit gebrannt habe als heute. Das Gegenteil ist sogar der Fall. Unter den beiden Kanzlern ist die soziale Gerechtigkeit in den Programmen auf den tiefsten Stand der erfassten Daten gefallen, während es unter Schmidt nur Fragen der Anti-Diskrimminierung waren, die nicht zu einem Gesamtabsturz des Gleichheitsthemas geführt haben. Unter Kohl entdeckte die SPD das Thema kurz wieder, um dann unter Schröder und Merkel kaum noch Relevanz zu haben. Erst ab 2015 ist wieder ein deutlicher Anstieg an Gleichheitsforderungen verzeichnen, der aber gleiche Rechte und ökonomische Gerechtigkeit gleichermaßen erfasst. Insbesondere während der „Respekt“-Kampagne von Olaf Scholz sei die soziale Gerechtigkeit wieder in den Fokus gerückt.
Die Grünen hingegen zeigen genau das umgekehrte Verhalten der SPD. Sie haben als dezidierte Bürgerrechtspartei des Kleinbürgertums begonnen, das sich wenig für ökonomische Gerechtigkeit interessierte. Erst zwischen 1995 bis 2015 wurde aus den Grünen eine Art zweite Sozialdemokratie, die Arbeiterfragen in gleichem Maße diskutierte wie Fragen der Anti-Diskriminierung. Kern der sozialen Forderungen war die Erhöhung des Spitzensteuersatzes von 42 auf 49%. Ab 2015 ist dann tatsächlich eine Abkehr vom sozialdemokratischen Profil zu erkennen, aber eben nur auf die Anfangswerte zur Parteigründung. Wenn also Wagenknecht die Grünen für ihre Hinwendung zur Identitätspolitik kritisiert, dann steckt dort ein Fünkchen Wahrheit; nur dass die Grünen der Gründungsphase hier keineswegs als Positivfolie gegenübergestellt werden können.
Nun wurde das Thema soziale Gerechtigkeit nur sehr allgemein gefasst. Es lohnt noch ein näherer Blick, in welchen Kontexten dieses Thema überhaupt aufgegriffen wurde, die durch die „anderen“ Gleichheitsbegriffe wesentlich geprägt werden:

Dass die Grünen soziale Gerechtigkeit vor allen Dingen in Fragen der Ökologie und der globalen Transformation beleuchteten, mag schwerlich verwundern. Ein bedeutender Befund ist aber, dass die SPD und insbesondere die Linkspartei soziale Gerechtigkeit in allererster Linie an der Gleichheit zwischen Ost- und Westdeutschland festmachten. Nun kann man schwer behaupten, dass die Angleichung der Lebensbedingungen der Ostdeutschen an das westdeutsche Niveau – so wichtig diese Frage konkret auch sein mag – eine prinzipielle Frage der Arbeiter*innenklasse war oder gar revolutionäres Potential gehabt hätte. Dass die Linke also die soziale Frage beständig thematisiert hat, aber diese immer weniger nur unter dem Fokus der neuen Bundesländer verstanden hat, lässt darauf schließen, dass allgemeine Fragen des Proletariats zugenommen haben. Damit hat Wagenknecht die Partei also genau in dem Moment verlassen, als sie sich von einer partikularen Ostpartei zu einer gesamtdeutschen Arbeiter*innenpartei eintwickelte.
Zusammenfassung
Das alles bedeutet natürlich nicht, dass mit der Linkspartei alles in bester Ordnung wäre. Die antiimperialistische Ausrichtung der Partei ist seit Jahren aufgeweicht. Der Parteipluralismus ist zur Entschuldigung jeglicher Beliebigkeit ihrer Mandatsträger*innen verkommen. Von einer wirklich kämpferischen Praxis ist die Partei noch meilenweit entfernt. Aber die Studie deutet an, dass Wagenknecht bei ihrem Bruch mit der Linkspartei ausgerechnet die falsche Tendenz kritisiert hat. Sie lehnte es ab, die ökonomische Gleichheit und die Verteidigung der Partizipation der Arbeiter*innen am geschaffenen Wohlstand hinter egalitäre Forderungen für Minderheiten einzusortieren. Aber das hat die Linkspartei eben nie gemacht. Und bei den Grünen, bei denen Minderheitenrechte tatsächlich einen geringeren Stellenwert haben, als ökonomische Gerechtigkeit, da war de Trend nicht neu, sondern schon immer konstitutiv für die Partei gewesen.
Aus den Daten könnte man jetzt etwas zugespitzt folgende Paradoxie herauslesen: Das Thema der sozialen Gerechtigkeit hat seit der Finanzkrise überhaupt erst die Bedeutung gewonnen, sodass Kritiker*innen der Antidiskrimminierungspolitik aus diesen Reihen überhaupt gesellschaftliches Gehör fanden. Fragen der politischen Gleichheit haben nicht die nach ökonomischer Gerechtigkeit verdrängt, sondern der Bedeutungsanstieg der sozialen Frage hat dem Kampf gegen Rassismus, Sexismismus und andere Ideologien der Ungleichwertigkeit erst die Bühne gegeben, auf der es Sinn macht, sich bedeutungsschwanger davon abgrenzen zu wollen. Das ist zugegebenermaßen etwas weit interpretiert, aber immerhin noch tiefer in den Daten verankert als Wagenknechts Theoreme aus den „Selbstgerechten“.
Literatur:
Horn, A.; Klüser, J; Rittershaus, S. & Haselmayer, M. (2025): Unequal German Democracy and the Rise of the ‘Lifestyle-Left’? How Left Parties in Germany Conceive of (In)Equality, 1970–2021. In: German Politics. Online First. DOI: 10.1080/09644008.2025.2453242