Information War’s Bottleneck

Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit. Dieses Zitat wird gerne genutzt. Es ist aber falsch. Die Wahrheit ist immer umkämpft; Jahre, bevor der erste Schuss fällt. Der Vietnamkrieg begann nicht mit der Lüge über den Golf von Tonkin. Er begann mit der Vorstellung, dass der Kommunismus eingedämmt werden müsse, um die Freiheit zu retten. Der Ukraine-Krieg begann nicht mit der Lüge über die Scharfschützen auf dem Maidan. Er begann mit der Vorstellung, dass Land müsse sich zwischen Westen und Osten entscheiden. Im modernen Medienzeitalter muss ein Krieg über Jahre vorbereitet werden, möchte man nicht die Quittung an der Wahlurne erhalten. Der Informationskrieg tobt ständig. Während noch die Raketen über den Don geschossen werden, wird bereits der nächste Krieg – vielleicht heiß, vielleicht kalt- gegen China vorbereitet. In der International Critical Thought hat sich Tim Beal mit der Strategie der Vereinigten Staaten von Amerika zum Sieg im Informationskrieg auseinandergesetzt. Er weist auf die Bedeutung der kulturellen Hegemonie und die zugrunde liegenden Faktoren hin, sowie auf die besondere Rolle, welche Nachrichtenagenturen im Prozess der Informationsverarbeitung spielen.

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Zur (geo)politischen Ökonomie der Atomwaffen

Der Atomwaffenpoker zwischen Russland und den Vereinigten Staaten geht nach der Annexion mehrerer Gebiete im Osten der Ukraine durch Russland in eine neue Runde. Während Russland seine Verteidigungsdoktrin, die den Einsatz von Kernwaffen im Falle eines Angriffs russischen Territoriums geltend machen könnte, bittet Selenskyi die westlichen Garantiemächte öffentlich um Präventionsschläge. Die Gefahr einer nuklearen Auseinandersetzung steigt.
Eine der vielleicht prominentesten zeitgenössischen Stimmen der akademischen Linken, die indische Politilogin Radhika Desai, hat sich an eine marxistische Analyse der strategischen Bedeutung von Kernwaffen in der imperialistischen Komkurrenz gewagt. Die International Critical Thought hat in der aktuellen Ausgabe ihren Aufsatz veröffentlicht.

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The American-Yugoslav Way of Life

Sozialistische Staaten und kommunistische Parteien sind die Todfeinde der globalen Bourgeoisie. Zumindest in der Theorie. In der historischen Realität hat es weit mehr Kooperation und Verständigung über Systemgegensätze hinweg gegeben, als man vermuten mag. Im Laufe der Jahrzehnte sind dabei einige interessante Geschichten entstanden, wie markt- und planorientierte Unternehmen miteinander, gegeneinander und aneinander vorbei gearbeitet haben.
Eine von diesen Geschichten ist das Engagement der Ford Foundation in Jugoslawien. Sie erzählt ein Kapital aus dem Kalten Krieg, in dem es um Wandel durch Annäherung, kybernetische Utopien und unterschiedliche Sichtweisen über die gesellschaftliche Entwicklung geht. Vladimir Kulić hat sie in den Planning Perspectives Revue passieren lassen. Eine kleine Zusammenfassung.

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Protest in Translation

Der „heiße Herbst“ kommt langsam ins Rollen. Doch die Verhältnisse sind kompliziert. Auf Seiten der Linken besteht eine permanente Angst, man könne sich von rechts vereinnahmen lassen. Daher ist es ungeheuer wichtig, sich mit der aktuellen Protestforschung und marxistischen Interpretationen des ideologischen Überbaus moderner kapitalistischer Gesellschaften auseinanderzusetzen.
Eine Theorie, welche hier Beachtung finden sollte, ist die so genannte Regulationstheorie. Sie analysiert, wie sich Gesellschaften politisch, ökonomisch, sozial, ideologisch und ökologisch aufstellen, um Krisen hinauszuzögern, gesellschaftlichen Konsens zu erzwingen und Proteste zu vermeiden.

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Howard Zinn und der Marxismus

Am 24. August 1922 wurde Howard Zinn geboren. Sein Buch A People’s History of the United States war eines der bedeutendsten und meistgelesenen Bücher der amerikanischen Linken. Das Buch, dass in Kolumbus nicht den Helden, sondern den Räuber indigenen Landes; in den Gründervätern nicht Vorbilder, sondern einen Club von Sklavenhaltern und jede demokratische Errungen als Ergebnis blutiger Klassenkämpfe sah, wurde und wird bis heute an Colleges und High Schools von Millionen gelesen und diskutiert. Für das FBI und die politische Rechte in den Vereinigten Staaten war klar, dass Zinn ein Kommunist, zumindest ein Marxist sein musste. Aber war Zinn tatsächlich einer? Wie nahm er Marx war? Und wie nahmen Marxist*innen Zinn wahr? Teil 2 (Teil 1: hier) der kleinen Serie zum hundertsten Geburtstag von Howard Zinn.

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Howard Zinn: Der Gründungsvater der Wokeness wird 100

Howard Zinn wird am 24. August 2022 einhundert Jahre alt. Sein Buch A People’s History of the United States, dass die Geschichte der USA aus Sicht der werktätigen Klassen erzählt, prägte die Neue Linke in den Vereinigten Staaten. Als Aktivist war er maßgeblich in der Bürgerrechts- und Antikriegsbewegung aktiv. Er selbst stammte aus einer jüdischen Arbeiter*innenfamilie, nahm als Bomberpilot am Zweiten Weltkrieg teil und konnte nur dank eines Veteranenprogramms studieren. Anlässlich seines hundertsten Geburtstag erscheint heute ein biographischer Abriss und am Donnerstag ein Diskussion des Verhältnisses von Zinn zum Marxismus.

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Obdachlos in Seattle

Häufig reicht die Kritik an Gentrifizierung nicht über den moralischen Appell, besetzte Häuser nicht zu räumen, die Punkerkneipe von nebenan stehen zu lassen und vielleicht ein bisschen Nachbarschaftshilfe zu organisieren hinaus. Marxistische Analyse und Durchdringung der hinter Gentrifizierung stehenden sozialen Beziehungen bleiben eher Mangelware. Die US-amerikanischen Wissenschaftler Matthew B. Anderson, Elijah C. Hansen und Jason Y. Scully von der Eastern Washington University haben die politische und ökonomische Entwicklung eines ehemaligen Industrieviertels von Seattle unter die Lupe genommen. Sie verknüpften in ihrem Dossier „Class monopoly rent and the urban sustainability fix in Seattle’s South Lake Union District“ in der aktuellen Economy and Space die kommunalpolitischen Programme hinter der Gentrifizierung mit der Marxschen Rententheorie.

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Die Armut der Schule

1976 erschien “Schooling in Capitalist America” von Samuel Bowles und Herbert Gintis. Obwohl der Zenit der linken Bewegung in den USA bereits überschritten war, entwickelte sich das Buch schnell zum marxistischen Standardwerk zu Fragen der Pädagogik und des Schulsystems. Es wurde so populär, dass sich auch zahlreiche Kritiker – insbesondere aus dem liberalen Spektrum – einfanden, die das Werk hart aburteilten. In der aktuellen Educational Theory reflektierte der Bildungswissenschaftler Jianguo Zhang von der Universität Xinyang das Werk und seine Kritik. Er ging auch auf die Vereinbarkeit der Thesen mit der chinesischen Bildungslandschaft ein.

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Imperialismus messen – der TADVA

Die ökonomische Wettbewerbsfähigkeit bestimmt die Stellung einer Nation in imperialistischen Hierarchie der Weltmächte. Wer oben ist, sichert sich satte Extraprofite und kann unangenehme ausländische Regierungen erpressen. Wer unten ist, zahlt ständig drauf und kriegt bei Rebellion auf den Hut.
Die beiden Ökonom*innen Maria Markaki von der Hellenic Mediterranian University und George Economakis von der Universität in Patras haben in der World Review of Political Economics einen Indikator zur Messung der globalen Wettbewerbsfähigkeit entwickelt. Im Zentrum ihrer Analyse steht im Gegensatz zu anderen von Marxist*innen aufgestellten Indikatoren nicht der Preis der Ware Arbeitskraft, sondern die materielle Beschaffenheit einer nationalen Ökonomie.

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Feminismus oder Feminismus?

Die Soziologin Myra Marx Ferree legte 2012 mit “Varieties of Feminism – German Gender Politics in Global Perspective” eine vergleichende Studie über die Frauenbewegungen in Deutschland, den USA und Großbritannien vor. Sie analysiert nun die Geschichte der Frauenbewegung in den USA, Großbritannien und Deutschland vor dem Hintergrund der unterschiedlichen politischen Traditionen, um deren Unterschiedlichkeit zu erklären. Ihre Analyse bietet einen Analyserahmen für die widersprüchlichen feministischen Positionen in der aktuellen Debatte um #LinkeMeToo.

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