Das panafrikanische Finanzkapital

Seit der Weltwirtschaftskrise 2008 bricht sich auf dem afrikanischen Finanzmarkt ein interessanter Trend Bahn. Während europäische und amerikanische Banken scharenweise den Kontinent verlassen, gewinnen immer mehr Panafrikanische Banken (PABs) an Bedeutung. Unter diesen werden jene Banken verstanden, welche ihren Hauptsitz in einem afrikanischen Staat haben und in mindestens zehn Ländern aktiv sind. Sieben solcher Continental Player gibt es: drei aus Marokko, zwei aus Togo und jeweils einen aus Nigeria und Südafrika. Bedeutet dies einen Sieg für Antiimperialismus und postkoloniale Souveränität?

Hannah Appel hat sich im Journal of Cultural Economy dieser Frage gewidmet. Um ihr auf die Spur zu kommen, reiche es nicht aus, nur nach Besitzern und Firmensitzen zu fragen, sondern prinzipiell die Funktionsweise einer Bank zu analysieren. Was tun Banken in wessen Interesse und welche Wirkung erzielen sie damit? Welche Bedeutung hat dies für Marktzugang und Währungspolitik?

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Erdogans Megaprojekt stürzt ein

Die alte Türkei liegt im Sterben, die neue ist noch nicht geboren. Es ist die Zeit der Metaphern. Erdogan schwächelt kurz vor den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen, gesundheitlich wie demoskopisch und das Erdbeben im Januar hat das ganze Kartenhaus der AKP zum Einsturz gebracht. Dabei stellt sich die Frage, warum das Erdbeben dem Amtsinhaber eigentlich so sehr geschadet hat. Normalerweise profitiert die Regierung von Krisen, in denen sich die Betroffenen hinter den starken Mann an der Spitze drängen. Warum ist es diesmal anders?

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Ein hartes Stück abstrakte Arbeit

Harte Arbeit besitzt in Deutschland einen ziemlich guten Ruf. Wer hart arbeitet, darf auch hart feiern oder hat sich zumindest das Feierabendbierchen verdient. Die Berechtigung einer politischen Forderung wird hierzulande gerne an den Fleiß gekoppelt, egal ob Gewerkschaften ihre Lohnforderungen rechtfertigen oder die Ansprüche der Letzten Generation wegen deren angeblicher Faulheit zurückgewiesen werden. Und schon unsere Eltern haben hart gearbeitet, damit es uns heute besser geht. Aber geht es uns heute besser?
Nein, im Kapitalismus macht harte Arbeit nicht reich, nicht die Arbeiter*in, nicht die Gesellschaft. Dazu ist er auch nicht gemacht, sondern zur Bereicherung der Besitzer der Produktionsmittel. Was genau allerdings die Arbeitsintensität und deren Steigerung mit Mehrwert und Profit machen, darüber gibt es im Marxismus tatsächlich eine Kontroverse. Zum Beispiel zwischen den Vertretern einer simultanen Werttheorie und denen einer temporalen. Alan A. Deytha Mon und A. Sebastián Hdez. Solorza aus Mexiko haben in der World Review of Political Economy Partei für letzteres ergriffen.

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Politische Ökonomie der Heteronormativität (1/2)

Manchmal muss man sich auch ein Jubiläum an den Haaren herbei ziehen. Die Review of Radical Political Economics feiert 50 Jahre feministische politische Ökonomie. Der Anlass ist kein festes Datum, sondern die Tatsache, dass 1972 noch 2% aller Professuren in den Wirtschaftswissenschaften von Frauen* besetzt waren und es an vielen Fakultäten kein Verständnis dafür gab, „wozu man Frauen oder Marxisten“ brauche.
Seither hat sich vieles geändert, wenn auch nicht alles. Feministische Forscher*innen haben entweder eigene Institute gegründet oder konnten Anerkennung in etablierten Einrichtungen gewinnen. Die Review of Radical Political Economics druckte daher einige Aufsätze zur zeitgenössischen Forschung aus diesen Gebieten ab. Zunächst widmen wir uns einem Aufsatz von Sirisha Naidu.

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Am Puls der Zeitreihenanalyse

2003 gewannen die Professoren Sir Clive W. J. Granger and Robert F. Engle den Nobelpreis für ihre Weiterentwicklung der Zeitreihenanalyse zur Interpretation und Vorhersage ökonomischer Daten. Eine Zeitreihe kann man sich wie eine Pulslinie vorstellen, aus deren Entwicklung man Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand de*r Patient*in anstellt. So lässt sich analysieren, ab welchem Grad der Veränderung der Zahlen ein qualitativer Umschwung einsetzt. 20 Jahre später legte das Journal of Economic Surveys den Finger an den Puls der Zeit und fragt, wie weit die Wirtschaftswissenschaften seither gekommen sind. Schließlich haben sich Computeralgorithmen und Machine Learning seither rasant weiterentwickelt. Wie viel ist also seriöse Statistik und wieviel ist Glaskugel? Und was ist auch für Marxist*innen interessant?

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Niedrige Löhne? Niedrige Produktivität.

Politiker und Arbeitgebervertreter schäumen. In den Redaktionsstuben wird geschwitzt, denn in Deutschland wird gestreikt. Auf Grund der massiven Vorjahresinflation fallen die Forderungen der Gewerkschaften zweistellig aus und viele lassen sich nicht mehr mit langen Laufzeiten abspeisen. Die Arbeiter*innen wollen zumindest ihre Reallöhne behalten. In den Medien warnt man vor einer Lohn-Preis-Spirale und die Umlage der Kosten auf den Rest der Gesellschaft.

Ökonomen beten dabei immer das Mantra her, dass die Löhne nur mit der Produktivität wachsen dürften (obwohl die Produktivität in den letzten Jahrzehnten weit stärker gewachsen ist als die Löhne). Claudia Fontanari und Antonella Palumbo haben in der aktuellen Metroeconomica untersucht, ob es nicht gerade umgekehrt ist. Ihre These: Wenn Arbeit zu billig ist, dann lohnt es sich nicht mehr für die Kapitalist*innen in höhere Produktivität zu investieren. Können sie das auch belegen?

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Die Heuschrecken sind weitergezogen

Zeitreise ins Jahr 2003/04. Deutschlands Wirtschaft schrumpfte das bisher einzige Mal nach dem Zweiten Weltkrieg in zwei aufeinander folgenden Jahren. Die Arbeitslosiggeit hatte einen der höchsten Stände nach der Wiedervereinigung erreicht. Die SPD-Linke ernannte die Orientierung am Shareholder Value zum Sündenbock. Anstelle der geradezu familiären Unternehmensführer, die sich noch um ihre Angestellten sorgten und nur das Beste für den Wirtschaftsstandort Deutschland im Blick hätten, regierten nun die „verantwortungslosen Heuschreckenschwärme, die im Vierteljahrestakt Erfolg messen, Substanz absaugen und Unternehmen kaputtgehen lassen“ (Müntefering 2005). Fast 20 Jahre später hat sich die Debatte zwar wieder abgekühlt, Aktionär*innen gibt es jedoch immer noch und man fragt sich, was denn seit dieser Zeit aus der Shareholder Value Orientierung geworden ist. Diliara Valeeva, Tobias J. Klinge und Manuel B. Aalbers haben in der New Political Economy die Ausschüttungen an Aktionäre weltweit empirisch untersucht.

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Ökologisch ungleicher Tausch? Eine Diskussion

Wer ein Bild der Erde bei Nacht ansieht, sieht ein Stück politische Ökonomie. In den imperialistischen strahlen die Lichter. In den Regionen, in denen Öl, Kohle und andere Bodenschätze lagern, ist es dunkel. Die Ressourcen wandern vom globalen Süden in den Norden. Der Müll nimmt den entgegengesetztem Weg. Eine zeitgemäße politische Ökonomie des Imperialismus muss dieses Paradox erklären können. Alf Hornborg hat sich seit nunmehr 30 Jahren mit er Frage beschäftigt, warum ausgerechnet die Herkunftsländer unserer wichtigsten Ressourcen am wenigsten von ihnen profitieren. Gemeinsam mit an deren Wissenschaftlern entwickelte er die Theorie des ökologisch ungleichen Tauschs.

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Clever kombiniert

Gabriel Montes-Rojas von der Universidad de Buenos Aires and CONICET systematisierte nach jahrelanger Arbeit die verschiedenen Modelle zur Umrechnungen von Preisen in Wert. Eine Leitfrage war, was dies eigentlich für die Höhe der Profit- und Ausbeutungsraten bedeuten würde? Werden Arbeiter*innen stärker ausgebeutet, als dies durch Anschauung der Lohnhöhen ersichtlich wird? Und noch allgemeiner: Welchen Unterschied macht es eigentlich, ob ich dieses oer jenes Verfahren wähle? Sein Ergebnis ist bemerkenswert.

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Der moralische Verschleiß der Kohle

Die Räumung von Lützerath für die Interessen von RWE hat in der gesamten Linken Solidarität geweckt. Die Politikanalystin und Forscherin am Center for Sustainable Energy Systems (ZNES) der Europa-Universität in Flensburg, Andrea Furnaro, hat den Kohleausstieg im Kontext des Marxschen Begriffs des moralischen Verschleißes untersucht. Diese Analyse eröffnet nicht nur eine neue Perspektive auf auf den Kampf um den Kohleausstieg, sondern auch auf den Begriff des moralischen Verchleißes von Marx.

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