Wovon träumen Quantenschafe? (1/2)

Die marxistische Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie habe sich seit „Materialismus und Empiriokritizismus“ nicht grundlegend weiterentwickelt. Nicht weniger als diese Behauptung stellt der italienische Philosoph Guglielmo Carchedi in der aktuellen „International Criticial Thought“ auf. Kurz gesagt, weder ein György Lukács, noch ein Althusser oder ein Hans Heinz Holz wären über den Stand einer politisch zwar bedeutenden, aber theoretisch lückenhaften Streitschrift Lenins hinausgekommen. Auf Grund dieser mangelnden Vorstellung von Wissenschaft verfielen Marxist*innen in bürgerliche Phrasen von der „Wissenschaftsgesellschaft“ oder dem „digitalen Zeitalter“.
In zwei Beiträgen soll Carchedis Erkenntnistheorie vorgestellt und daraus seine Kritik an den Fehlvorstellungen zur Quantentheorie und digitalen Ökonomie entwickelt werden. Er berührt damit eine wesentliche Fragestellung der zeitgenössischen Debatte: Werden Computer den Menschen ersetzen können? Oder genauer: Können Computer das Denken des Menschen ersetzen?

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Neue Studien zur chinesischen Imperialismusfrage (II): grüner Imperialismus?

Wie wirkt sich die chinesische Globalisierung auf eines der wichtigsten Menschheitsprobleme der Gegenwart aus: die Zerstörung der Natur? Vor zwanzig Jahren hieß es noch: Wenn jeder Chinese einen Kühlschrank haben wolle, ginge der Planet flöten. Die zunehmende Konsumkraft in der Volksrepublik ist mittlerweile Realität. Dazu findet ein Großteil der weltweiten Produktion im Reich der Mitte statt. Im aktuellen Journal of Economic Surveys haben zwei chinesische Forschungsgruppen sich die Verflechtung von Jahresplan, Weltmarkt und Ökologie näher angeschaut. Sie jeweils analysierten sehr präzise auf Firmenebene und trugen somit die Werte von 12.000 Unternehmen zusammen. Das Resultat ist ebenso komplex ohne einfache Antworten.

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Neue Studien zur chinesischen Imperialismusfrage (I)

Die Frage, ob China imperialistisch und womöglich den USA hier ebenbürtig ist, besitzt angesichts der angespannten Weltlage besondere Brisanz. Daher lohnt es sich, der Frage ernsthaft nachzugehen. Im aktuellen Journal of Economic Surveys wurden verschiedene Studien zur Wirtschaft Chinas vorgestellt. In den folgenden beiden Beiträgen soll einmal an der Politik der Neuen Seidenstraße (Belt-and-Road) und andererseits an der Umweltpolitik erörtert werden, ob China als imperialistisch bezeichnet werden kann und was dieser Imperialismus eigentlich für die peripheren und anderen semi-peripheren Staaten bedeutet.

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Robinson Crusoe und die Quellen des Marxismus

Es könnte der Anfang eines klassischen VWL-Lehrbuchs sein: „Stellen wir uns vor, wir sind Robinson Crusoe. Ausgesetzt auf einer einsamen Insel mit nichts anderem als ein paar Kisten Werkzeug und Lebensmitteln für sechs Monate.“ Das Lehrbuch wird dann erklären, dass man mit knappen Gütern haushalten muss, dass man diszipliniert die Arbeiten zu erledigen hat, welche die Not einem vorgibt und dass, wenn man einen Freitag trifft, man sich die Arbeit aufteilt: einer plant, der andere ackert. Dann setzt man neben Robinsons Insel noch weitere kleine Eiländer mit ihren eigenen kleinen Robinsons, lässt sie Handel treiben, Verträge schließen, ein Rechtssystem ausarbeiten und schwups … hat man die bürgerliche Gesellschaft.
Marx stellte im Kapital fest, dass die politische Ökonomie ihre Robinsonaden liebe. Michael Lazarus von der Monach University in Melbourne hat den Einfluss der klassischen Erzählung von Daniel Defoe auf Karl Marx und seine Quellen unter die Lupe genommen. Der Aufsatz „From shipwreck to commodity exchange: Robinson Crusoe, Hegel and Marx“ erschien vergangenen Juni in der Philosophy and Social Criticism.

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Jurassic Capitalism

Ist Russland imperialistisch? Diese Frage diskutieren drei Vertreter*innen der post-sowjetischen Schule des kritischen Marxismus: Aleksandr Buzgalin, Angrej Kolganov und Olga Barashkova. In einem 2016 von der ökonomischen Fakultät der Lomonosow Universität in Moskau herausgegebenen und in der International Critical Thought von Renfrey Clarke übersetzten Dossier analysierten sie sowohl die Charakteristika des modernen Imperialismus, als auch die Rolle Russlands in diesem. Wenngleich sie mit Herz an der Sache hängen, fordern sie auf, einen kühlen Kopf zu bewahren. Sie sehen die juristischen Formen und geopolitischen Interessen in dem Konflikt nur als nachgeordnete Momente an und stellen die Analyse der russischen Klassengesellschaft im globalen Imperialismus in das Zentrum.

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Mit Engels die Drosophila-Fliege verstehen

im Zuge des 200. Geburtstages von Friedrich Engels ist viel über seine Partnerschaft zu Karl Marx, seine Verdienste um den Marxismus als politische Entität und seine eigenen Beiträge zum wissenschaftliche Sozialismus geschrieben worden. Dabei ist wohl kaum ein Thema so umstritten, wie seine Naturdialektik, gilt heute den meisten Menschen doch die Trennung von Philosophie, Natur- und Geisteswissenschaften als heilige Kuh. Ihre Zusammenführung wird daher leicht als positivistischer bis esoterischer Kitsch abgetan.
Camilla Royle beschreibt in der Human Geography, wie die Dialektik der Natur nach Engels´ Tod weiter diskutiert und entwickelt wurde. Sie würdigt in diesem Zusammenhangdas Werk Richard Lewontins und bettet ihre Betrachtungen in ihre persönliche Biographie ein.

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Wie der Imperialismus Wechselkurs hält

Hätte Karl Marx seinen Sechs-Bücher-Plan umsetzen können und einen Band über den Weltmarkt geschrieben, die Analyse der Wechselkurse hätte einen gewichtigen Teil ausgemacht. Manuel Martinez und Pietro Borsari haben in der New Political Economy einen analytischen Rahmen für die Abhängigkeit der Wechselkurse peripherer Staaten von den Ökonomien der kapitalistischen Zentren entwickelt und dies mit Daten aus Brasilien und Kolumbien gestützt. Sie zeigen auf, wie der Imperialismus Krisenphänomene in den imperialistischen Kernländern auslagern kann, ohne dass die untergeordneten Ökonomien dauerhaft profitieren und welche Rolle hier die Wechselkurse spielen.

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Debatte: Die Pyramide ist nur die Spitze – die Imperialismusdiskussion in der KO (II)

Mitte April ging die Imperialismusdiskussion innerhalb der Kommunistischen Organisation in ihre zweite Runde. Mittlerweile hat die Vollversammlung der KO die Imperialismusfrage zum Hauptgegenstand des im September stattfindenden Kommunismus-Kongresses gemacht. Die Frage hat also Gewicht. Da die Anzahl der Beiträge allein seit dem 10. April mehr als ein Dutzend teilweise recht langer Texte beträgt, soll hier für Eilige kurz der Diskussionsstand dargestellt werden. Teil 2 einer kleinen Diskussionsschau.

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Das Ei des Kapitalismus: zum ersten Mal wird eine Monographie Okishios aus dem Japanischen übersetzt

Der Name Nobuo Okishio steht im Marxismus der westlichen Hemisphäre bis heute vor allen Dingen für Okishios Theorem. Nach diesem falle die durchschnittliche Profitrate durch die Einführung neuer Produktionstechniken nicht, wenn die Reallöhne der Arbeiter*innen sich nicht erhöhten. Eine Gruppe japanischer Ökonomen aus Okishios alter Wirkungsstätte Kobe übersetzte sein Spätwerk „The Theory of Accumulation“ 55 Jahre nach der Erstausgabe ins Englische. Ein kleiner Überblick über Okishio und das Buch.

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Zur Nichtaktualität von Ruy Mauro Marini

Die Debatte um den Charakter des Imperialismus ist im Moment voll entfacht. Die jeweiligen Antworten führen zu unterschiedlicher Positionierung in internationalen Konflikten. Von besonderem Interesse ist dabei die Frage, ob Länder außerhalb der westlichen kapitalistischen Zentren imperialistisch sind oder sein können. Eine in Südamerika populäre marxistische Theorie ist die des Subimperialismus von Ruy Mauro Marini (näheres hier). Rodrigo Luiz Medeiros da Silva untersuchte in den Latin American Perspectives verschiedene ökonomische Parameter Brasiliens im Hinblick auf die Vorhersagen Marinis. Er kommt zu dem Schluss, dass die empirischen Daten gegen die Subimperialismus-Theorie sprächen.

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