„hängt von der Kulturstufe eines Landes ab“: an den Grenzen des historischen Materialismus

Es gibt wesentlich mehr Theoretiker*innen und Wissenschaftler*innen, die sich positiv auf Katrl Marx beziehen als auf den historischen Materialismus. Was auch immer die Gründe seien. Sie stellen marxistische Historiker*innen vor ein Problem. Auf welche Empirie und welche modernen theoretischen Grundlagen kann man seine Forschung stellen, wenn es kaum historisch-materialistisch arbeitende Kolleg*innen gibt. Kann man vielleicht in der ökonomischen Anthropologie etwas räubern?

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Der Große Eisenbahnschwindel (2/2): vom politökonomischen Schiff des Theseus

Fortsetzung vom Mittwoch. Im ersten Teil dieses Artikels wurde Robert Bryers Konzeption einer marxistischen Beschreibung des Großen Eisenbahnschwindels von 1844 bis 1848 eingeführt. Nun soll entlang der Kritik an seiner Darstellung nochmals der Wirkungsmechanismus einer materialistischen Betrugstheorie vertieft werden und anschließend die empirische Evidenz für Bryers Interpretation vorgestellt werden.

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Der Große Eisenbahnschwindel (1/2): War Marx Verschwörungstheoretiker oder Debunker?

Krisen sind die idealen Nährböden von Verschwörungstheorien. Wenn der eigentlich so effiziente Kapitalismus in die Krise gerät, können sich insbesondere bürgerliche Ökonomen dies nur mit dem verbrecherischen Handeln einzelner Akteure erklären und nicht aus der Systematik der Ökonomie selbst. Um so erstaunlicher mutet es an, dass Marx im dritten Bank des Kapitals selbst vom „Großen Eisenbahnschwindel“ 1844-48 in Großbritannien schreibt. Robert Bryer, Fachmann einer historisch-materialistischen und arbeitswertzentrierten Geschichtsschreibung der Buchhaltung, hat 1991 beschrieben, wie das eigentlich zusammenpasst: Betrug und Krise bei Marx.

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Neujahrsrede für das Jahr 2025: Daths Vorwort zu „Kommunisten heute“

Wenn Dietmar Dath programmatische Texte verfasst, dann hat er sich dafür in den letzten Jahren insbesondere ein Genre herausgesucht: das Vorwort. Dath schreibt nicht gerade selten Vorworte und nicht alle sind programmatisch, aber wenn Dath dazu noch einen seinerseits programmatischen Text einführt, dann kann man sich sicher sein, dass er sehr Grundsätzliches sagen möchte. der DKP-nahe Neue Impulse-Verlag gab „Kommunisten heute“ von Hans Heinz Holz erneut heraus.

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Falsches Bewusstsein oder heuristische Ungerechtigkeit?

Warum lassen sich die Beherrschten eigentlich die Herrschaft einer Minderheit immer so lange gefallen? Titus Stahl von der Universität in Groningen hat dem Begriff des falschen Bewusstseins das Konzept der hermeneutischen Ungerechtigkeit gegenübergestellt. Haben die Unterdrückten die Welt also bisher nicht falsch gesehen, sondern falsch interpretiert?

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Vorsicht, Grenzkontrolle! Oder: Marxismus im Plural

Es gibt nach dem Ende der Orthodoxie kaum noch einen festen Kern marxistischer Theorie, der sich abgrenzen ließe, sondern eigentlich ist der Marxismus an sich bereits eine Grenztheorie, die in alle anderen Bereiche ausfranst. So jedenfalls fasst es Aditya Nigam in seinem Buch „Border-Marxisms and Historical Materialism“ auf. Das Buch wurde für den Isaac-Deutscher-Preis nominiert, erhielt diesen aber nicht. Zu Recht?

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Spengler, Russland und der historische Materialismus

Die deutsche Presse entdeckte ein halbes Jahr nach der Intervention in der Ukraine eine neue Affinität der russischen Intellentsia zu Oswald Spengler und seinem Opus Magnum „Das Untergang des Abendlandes“. Man unterstellte, dass in Russland die Thesen eines selbstverschuldeten Untergangs des Westens und der Notwendigkeit eines neuen Cäsarentums zur Rechtfertigung des Angriffskrieges übernommen worden seien. Ruslan Dzarasov setzte sich in der aktuellen Ausgabe der Voprosi Politicheskoi Ekonomii (Näheres hier) mit Spengler und einer historisch-materialistischen Analyse seiner Geschichtsmorphologie auseinander.

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Die Anatomie des Grammophons

Der Dokumentarfilmer, Autor und Lehrer Michael Chanan zeichnete in seinem Buch From Printing to Streaming die technische Entwicklung der Medienindustrie nach und zeigte auf, wie die materielle Basis der Kunst immer wieder neue ideologische Formen schuf, die auf ihre technische Basis zurückspiegelten. Das Buch wurde für den Isaac-Deutscher-Preis 2023 nominiert, konnte sich jedoch nicht gegen Heide Gerstenbergers Market and Violence durchsetzen.

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Historisch-materialistische Science Fiction (Teil 2): Die Parabel vom Sämann (Octavia Butler)

In etwa einem Jahr, am 20. Juli 2024, wird die Geschichte von Otavia Butlers Die Parabel vom Sämann beginnen. Die Geschichte der sechzehn bis achtzehnjährigen Pfarrerstochter Lauren, die den Zusammenbruch ihrer Gemeinde überlebt und sich durch eine Welt – eine Mischung aus dem 18. Brumaire des Louis Bonaparte, Fallout und The Walking Dead – schlagen muss, ist mehr als eine Endzeitstory. Sie ist ein Musterbeispiel für literarisch verarbeiteten dialektischen Materialismus. Kürzlich gab der Heyne-Verlag das Buch als Neuübersetzung heraus, im nächsten Jahr wird die Fortsetzung Die Parabel der Talente folgen. Teil 2 zur Serie über historisch-materialistische Science-Fiction.

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