Historisch-materialistische Science Fiction (Teil 2): Die Parabel vom Sämann (Octavia Butler)

Alles, was du berührst,
veränderst du.
Alles, was du änderst,
verändert dich.
Die einzige ewige Wahrheit
ist der Wandel.
Gott
ist Wandel.

Erdensaat: Die Bücher der Lebenden

In etwa einem Jahr, am 20. Juli 2024, wird die Geschichte von Otavia Butlers Die Parabel vom Sämann beginnen. Die Geschichte der sechzehn bis achtzehnjährigen Pfarrerstochter Lauren, die den Zusammenbruch ihrer Gemeinde überlebt und sich durch eine Welt – eine Mischung aus dem 18. Brumaire des Louis Bonaparte, Fallout und The Walking Dead – schlagen muss, ist mehr als eine Endzeitstory. Sie ist ein Musterbeispiel für literarisch verarbeiteten dialektischen Materialismus. Kürzlich gab der Heyne-Verlag das Buch als Neuübersetzung heraus, im nächsten Jahr wird die Fortsetzung Die Parabel der Talente folgen. Teil 2 zur Serie über historisch-materialistische Science-Fiction.

Die Autorin: Octavia Butler

Octavia Butler wurde 1947 in Pasadena, Kalifornien geboren. Ihr Vater war Schuhputzer und starb, als sie sieben Jahre alt war. Ihre Mutter musste sie mit einem Hausmädchen-Lohn alleine durchbringen. Ihr Ziel war es, dass Octavia eines Tages Sekretärin würde und so eine kleine Sprosse auf sozialen Leiter erklimmen konnte. Um ihre geistigen Fähigkeiten zu schulen, bekam die junge Octavia sämtliche Bücher, welche die Mutter von den kargen finanziellen Reserven in die Finger bekommen konnte. Da sie selbst Analphabetin gewesen war, wusste sie auch nicht, was sie ihrer Tochter alles zu lesen gab. Octavias Bildung war also unzusammenhängend und in vielen Fällen nach damaligen Maßstäben kaum altersgerecht. Sie lernte aber, den intrinsischen Zusammenhang scheinbar loser ideologischer Versatzstücke zu begreifen.

Unter diesen Büchern fanden sich auch frühe Werke der Science-Fiction- und Fantasy-Literatur. Diese taten es dem jungen Mädchen besonders an. Sie stöberte in den Bibliotheken nach neuen fantastischen Büchern und begann, selbst ähnliche Geschichten zu schreiben. Mit zehn Jahren überredete sie ihre Mutter, ihr eine Schreibmaschine zu kaufen; eine Investition, welche die kleine Familie nur unter großen Entbehrungen leisten konnte. Sie veröffentlichte erste Geschichten und gewann erste Schriftstellerpreise, ging auf ein Community College und schlug sich mit Nebenjobs durch, die sie so wenig beanspruchten, dass sie um drei morgens aufstehen konnte, um Geschichten zu schreiben. Butler besuchte später auf die UCLA, machte Bekanntschaften in der Welt der SF-Autor*innen (Delany, Sturgeon, Harlan Ellison) und schloss sich der Black Power-Bewegung an. Ihre Bücher füllten eine Nische in der männlich und weiß dominierten Schriftstellerszene. Mit dem 2022 verfilmten Kindred gelang ihr 1979 der Durchbruch. Schon bald konnte sie von den Einnahmen aus ihren Büchern leben.

In den 90er Jahren begann sie die Arbeit an ihrer Parabel-Serie, von denen die Parabel vom Sämann und The Parable of Talents nur erste Teile sein sollten. Von wiederkehrenden Schreibblockaden gequält, widmete sie sich jedoch in den 2000er Jahren wieder Kurzgeschichten und verstarb im Jahr 2006.

Die Parabel vom Sämann: Handlung

Die Geschichte beginnt im von Klima- und Wirtschaftskrise gebeutelten Kalifornien des Jahres 2024. Die sechzehnjährige Lauren wächst in einer kleinen Kommune auf, die von ihrem Vater, dem örtlichen Pfarrer, geführt wird. In ihr lebt der letzte Teil der verbliebenen oberen Mittelschicht, die jedoch mittlerweile auf Grund der enormen Lebensmittelpreise auf den eigenen Kleingarten und Nachbarschaftshilfe angewiesen ist. Die Kommune wird durch eine Bürgerwehr, Mauern und Zäune vor der Außenwelt geschützt, in der das Lumpenproletariat – und dazu gehören nunmehr die meisten – sein trostloses Leben führt. Man fühlt sich an die Zoniers erinnert, welche als gefährliche Klasse vor den Toren von Paris, Pate für Marxens Beschreibung des Lumpenproletariats standen (Näheres hier). Raub, Vergewaltigung und Mord sind an der Tagesordnung. Eine Modedroge lässt Jugendliche im Anzünden von Häusern einen Orgasmus erleben. Die Gebühren für die Polizei oder die Feuerwehr sind unerschwinglich. Streunende, halb verhungerte Hunde lassen den Weg mit Fahrrad zur Arbeit nur mit Schusswaffe zu. Benzin ist ein Gut der Reichen und Brandstifter. Einzig einige Firmenstädte versprechen Schutz für die faktische Versklavung der eigenen Arbeitskraft.

Auf Grund des Drogenmissbrauchs ihrer Mutter leidet Lauren an Hypersensivität. In einer Welt voll Schmerz und Gewalt fühlt sie jedes Leid (und jede Freude) anderer Menschen wie das eigene. Sie ist klug und weiß, dass sich die kleine Gemeinschaft auf Grund der sich häufenden Überfälle auch auf den Zusammenbruch vorbereiten muss.

Als eines Tages tatsächlich die Außenwelt orchestriert die Kommune zerstört, hat Lauren bereits einen Überlebensrucksack geschnürt und begibt sich auf den Weg nach Norden: Kanada ist der große Fluchtpunkt der arbeitssuchenden Massen. Auf dem Weg trifft sie immer weitere Gefährt*innen. Mitglieder ihrer alten Gemeinde, Mütter mit Kindern oder ehemalige Zwangsprostituierte. Die wachsende Gruppe muss beständig Lager bereiten, Wachen abstellen, Lebensmittel und Munition kaufen, Leichen plündern und Angreifer abwehren. Ihr Weg endet erst, als Lauren einen ehemaligen Bodenspekulanten kennenlernt, der in den 90er Jahren ein Grundstück erwarb, um es teuer an eine Ölfirma abzutreten. Nachdem das Geschäft platzte, behielt er es dennoch und ließ seine Schwester samt Familie darauf wohnen. Als die Gruppe das Haus erreicht, finden sie nur noch Ruinen und die Überreste von fünf Leichen vor. Die Parabel vom Sämann endet mit einer Diskussion darüber, ob man lieber bleiben soll und auf dem Nichts – umgeben von vielen potentiellen Gefahren – eine neue Gemeinschaft aufbauen oder den weiteren Weg auf der Suche nach einer bezahlten Arbeit beschreiten solle. Die Mehrheit der Gruppe entscheidet sich für das Bleiben und Lauren schlägt vor, alle Toten symbolisch zu begraben.

Dialektik der Religion

Wenn Dialektik in der bloßen Rezitation von Formelsätzen wie den Sätzen von der Einheit von Einheit und Widerspruch verbleibt, verkommt sie zur Floskel. Dialektik bezieht sich auf bewegende Materie und lebt daher in ihrer Bewegung, sprich in ihrer Anwendung. Wenn unter den nicht streng marxistischen Science-Fiction-Autor*innen Kim Stanley Robinson der große Materialist seiner Zunft ist, so ist Octavia Butler die große Dialektikerin, welche die Materie literarisch in Bewegung versetzt.

Lauren lernt, die Zunahme an Quantität an Gewalt zu beobachten, um auf ihren qualitativen Sprung in der nahen Zukunft zu schließen. Da ihr jedoch eine Restunsicherheit über den Zeitpunkt und Form des Eintretens verbleibt, nutzt sie als Brücke zwischen Gewissheit und Ungewissheit eine selbst gegründete Religion, die Erdensaat. Anstatt in einer morallosen Zeit Religion einfach zu negieren (wie ihr kleiner Bruder Keith), entwickelt sie eine neue Religion. Anders als das Christentum als Religion ihres Vaters, das zu einer Bewahrungsideologie verkommen ist, ist Laurens Gott formbar und zwingt zur Wandlung:

„Eine Menge Leute scheint an einen Guter-Vater-Gott oder einen Großer-Polizist-Gott oder einen Großer-König-Gott zu glauben. Sie glauben an eine Art Super-Person. Andere glauben, Gott sei ein anderes Wort für die Natur. Und Natur ist alles das, was sie nicht verstehen kontrollieren können.“

S.22.

Lauren definiert Gott als die dem Menschen fremd gegenübertretende Macht in natürlichen oder gesellschaftlichen Beziehungen, auf die man keinen Einfluss hat oder die man noch nicht erklären kann. Gleichsam ein Spiegelbild der irdischen Verhältnisse ist sie nicht viel anderes als der „Seufzer der bedrängten Natur“. Denn bedrängter als in einer Welt, in der sich die Gesellschaft zu einem Kampf aller gegen alle gewandelt und die Natur den Menschen mit Dürren und Erdbeben quält, kann eine Kreatur nicht sein. Laurens Gott ist ein ständig wandelnder Widerspruch aus einer eigenständigen den Menschen fremd gegenübertretenden Existenz, die diese immer wieder aufs neue zwingt Gott selbst zu formen und ihn damit eigentlich ihrem Produkt zu machen. Er ist ein Zyklus aus Aneignung der Welt der Erfahrungen, der Produktion einer neuen Welt und ihrem Verlust durch objektive Prozesse, die erst durch erneute Erfahrung wieder angeeignet werden können. Lauren nutzt hier, was Marx an der Religion als objektive Kritik formulierte, als ein Werkzeug.

„Die Religion ist die allgemeine Theorie dieser Welt, ihr encyklopädisches Compendium, ihre Logik in populärer Form, ihr spiritualistischer Point-d’honneur, ihr Enthusiasmus, ihre moralische Sanktion, ihre feierliche Ergänzung, ihr allgemeiner Trost- und Rechtfertigungsgrund.“

Marx 1844/1976, S.378.

Religion als Mittel der Erkenntnis

Lauren lebt in einer Welt, die nicht reif für die Religionslosigkeit ist. Sind die Beziehungen zwischen den Menschen erst einmal auseinandergebrochen, lassen sie sich nicht mehr nackt betrachten, wie es im Kommunistischen Manifest heißt. Die Religion als Erkenntnismittel wird notwendig.

„Manchmal hilft es einem, etwas zu verstehen, indem man es benennt – der Sache einen Namen gibt oder ihren Namen entdeckt. Wenn ich den Namen einer Sache kenne und weiß, wofür sie gut ist, kann ich besser mit ihr umgehen. […] Name und Ursache ergibt für mich den Brennpunkt.“

S.104, Hervorhebung im Original

Laurens Gott ist kein Gegensatz zur Wissenschaft, sondern eine besondere heuristische Form der Wissenschaft. Sie dient dem Verständnis der Welt, als „rationale Konstruktion der Totalität, [die] nirgends anders als bei der Idee des Gesamtzusammenhangs ansetzen [kann] – als ein Apriori, das die Bedingung möglicher Erfahrung, einschließlich der Erfahrung der Praxis ausmacht.“ (Holz 2003, S.44). In einer Welt, in der jeglicher Sinnzusammenhang verloren scheint, muss die Religion ihn künstlich wiederherstellen, um daraus eine Praxis zu entwickeln, die den Sinn in zweiter Instanz auch materiell wiederherstellt. So ist auch Laurens Himmel ein ganz materieller:

„Ein einendes, sinnvolles Leben hier auf der Erde und die Hoffnung auf den Himmel für sie und ihre Kinder. Einen wirklichen Himmel, keinen mythologischen oder philosophischen. Einen Himmel, den sie nach eigenen Vorstellungen formen können.“

S.355.

Erdensaat verspricht den Menschen eine bessere Zukunft durch die Entdeckung neuer bewohnbarer Planeten. Eine besondere Ironie liegt darin, das die verbliebenen wohlhabenden Staaten Raumfahrt als Luxus, nicht als Notwendigkeit betreiben und der amerikanische Präsident in Anbetracht der Notlage des Landes sämtliche Raumfahrtprogramme eingestampft hat. Laurens Kalkül ist, durch ein greifbares Ziel Menschen eine Perspektive zu geben, welche zum Kristallisationskern neuer gesellschaftlicher Beziehungen werden kann.

„Das Selbst muß sich seine

eigenen Gründe

für seine Existenz schaffen.

Um Gott zu formen,

um das Selbst zu formen.“

S.350.

Auf diese Weise stellt Butler ihre Sicht auf den Zusammenhang zwischen Materialismus und Subjektivität vor. Die materielle Welt liegt dem Menschen zwar erkennbar vor. Der Sinn dieser materiellen Welt liegt jedoch in ihrer Beziehung zum Menschen begründet und ist abhängig von der Beziehung der Menschen untereinander. Die Beziehung der Menschen untereinander wiederum ist wandelbar und damit auch die Beziehung des Menschen zur materiellen Welt und der Sinnzusammenhang, indem er zu ihr steht. Indem der Mensch nun seine Beziehungen zu seinen Mitmenschen aktiv gestaltet – und sei es über den notwendigen Umweg einer erdachten Religion – verändert er den Sinnzusammenhang zwischen Materie und Geist.

„>> Du glaubst an dieses ganze Erdensaat-Zeug, stimmt’s? <<

>> Jedes Wort <<, sagte ich.

>> Aber … du hast es doch selbst geschrieben.<<

Ich langte hinunter, nahm einen kleinen Stein und legte ihn zwischen uns auf den Tisch. >> Wenn ich dies analysieren und dir alles sagen könnte, woraus es besteht, würde das bedeuten, daß ich seine Bestandteile hergestellt habe?<<

Er starrte den Stein an. Dann richtete er seinen Blick auf mich. >> Was hast du denn analysiert, um Erdensaat zu erhalten?<<

>> Die anderen, mich selbst, alles, was ich zu lesen, hören, sehen bekam, die ganze Geschichte, die ich gelernt habe.<<“

S.293.

Revolutionäre Strategie

Das hat Auswirkungen auf den wissenschaftlich nur schwer zu fassenden Zusammenhang von subjektiver Praxis und materieller Realität. Letztendlich hält das Buch zwei Ratschläge für revolutionäre Praxis bereit:

Erstens ist es ein Gebot der Revolutionäre, Situationen ganzheitlich richtig einzuschätzen; nicht nur, wie sie objektiv vorliegen, sondern auch, wie sie gesellschaftlich wahrgenommen werden. Während Lauren durch möglichst apokalyptische Darstellungen der Bedrohungen für die kleine Gemeinschaft, diese zum Handeln bewegen will, geht ihr Vater trotz gleicher Analyse der Gefahr einen anderen Weg:

„ Es ist besser, man bringt den Leuten etwas bei, als ihnen Angst zu machen, Lauren. Wenn du ihnen Angst machst und dann geschieht nichts, verlieren sie ihre Furcht, und du verlierst einen Teil deiner Autorität über sie. Es wird schwieriger, ihnen ein zweites Mal Angst zu machen, und noch schwieriger, ihr Vertrauen wiederzuerlangen. Deshalb ist es besser, sie zuerst zu unterrichten.“

S.87.

Der Ratschlag passt auch in unsere Zeit, in der die Menschen ihre Furcht vor dem Klimawandel auf Grund der Zufälligkeit von Katastrophenfällen verlieren und die Linke die Finanzkrise nicht nutzen konnte, praktisch dauerhaften Halt in der Arbeiter*innenklasse zu gewinnen, da die angekündigte Revolution ausgeblieben ist.

Zweitens ist Laurens Hypersensivität eine Metapher für die Kunst des Kämpfens unter der Bedingung, dass es eine Wechselwirkung zwischen den Kämpfenden gibt. Im Kapitalismus ist es so. Das Proletariat kann nicht auf gut Glück auf die Bourgeoisie losgehen. Wenn sie der Bourgeoisie nur schadet, ohne sie abzuschaffen, verletzt es sich selbst, da sie vom Lohn abhängig bleibt. Solange der Kapitalismus nicht vollständig überwunden ist, brauchen alle Klassen die Kapitalakkumulation und eine zu kurz greifende Behinderung würde nur zum Abzug des Kapitals in andere Weltregionen führen. Und genauso muss Lauren denken. Wenn ihre Feind unnötig leidet, leidet sie selbst unnötig bis hin zur Kampfunfähigkeit. Daher ist sie die beste Schützin. Ein sauberer Kopfschuss bedeutet nur eine Sekunde und keinen stundenlangen Schmerz. Der Gegner darf solange nichts spüren, bis er kurz und schmerzlos um die Ecke gebracht wird.

Synthese: Das Ende

Das Buch schließt, wie es für ein dialektisches Buch geradezu zwangsläufig ist, nicht mit einem Ergebnis ab, sondern einem Zwischenergebnis. Die Gruppe muss beschließen, ihre Reise halbverrichtet zu unterbrechen, um sich neu zu konsolidieren oder das Abenteuer weiter zu wagen. Man fühlt sich unweigerlich an die Diskussion innerhalb der Sowjetunion der späten Zwanziger Jahre erinnert. Soll man die revolutionäre Phase in all ihrer Unvollkommenheit pausieren, auf dem Erreichten aufbauen, seinen Burgfrieden mit den Muttermalen der alten Gesellschaft machen, auch wenn man weiß, dass die neue Sicherheit nur Schein ist. Immerhin birgt sie die Möglichkeit, sich auf neue Angriffe vorzubereiten. Oder ist es falsch, die Reise auf halbem Wege abzubrechen? Ist Stillstand der Tod des sozialistischen Aufbaus, der das Proletariat wieder zum Objekt der Notwendigkeit, statt zum Subjekt seiner eigenen Geschichte macht? Aus dieser Frage heraus erwuchs der bis heute erbittert geführte Kampf zwischen den Anhänger*innen der Weltrevolution und des Sozialismus in einem Land.

In der Sowjetunion wie in der Parabel fanden sich klare Mehrheiten für den ersten Weg, auch wenn man sich der Risiken und Opportunitätskosten bewusst war. Und in der realen Sowjetunion wie im fiktiven Kalifornien musste mit dem Urschleim begonnen werden. Hier die nachholende ursprüngliche Akkumulation in all ihrer Widersprüchlichkeit und der Notwendigkeit, diese durch zentralisierte Gewalt zu entscheiden. Dort mit der Domestifizierung von Hasen, dem Pflanzen von Bäumen, die – sollten sie einen der wahrscheinlichen Angriffe überstehen – erst den Kindern und Enkeln nutzen werden, während das Holz alter Bäume für leicht brennbare Hütten benötigt wird. Das einzige, was diese Gesellschaft von der reinen Urgesellschaft trennt, sind nicht die überlegenen Produktionsmittel, sondern das Wissen um sie und wie sie herzustellen sind. So kommt die Menschheit wieder in Einheit mit ihrem Ursprungszustand, in der Einheit der sich wiederholenden Praxis und der Differenz des gesteigerten Bewusstseins.

Zusammenfassung

Ob Octavia Butler jemals Hegel oder Marx gelesen hat, konnte ich leider nicht ausmachen. Aber beide mögliche Antworten würden gleichermaßen beeindrucken. Entweder konnten die weißen männlichen Europäer der Oberschicht des 19. Jahrhunderts einer jungen, der nichtalphabetisierten Bedienstetenschicht entstammenden schwarzen Frau etwas für sie Relevantes lehren. Welch besseres Zeugnis könnte man dafür finden, dass Hegel und Marx wirklich etwas Reales beschrieben haben? Oder Butler hat ganz unabhängig und unter anderen Bedingungen eine sehr Auffassung von Welt und Gesellschaft herausgearbeitet. Welch besseres Zeugnis könnte man dafür finden, dass Hegel und Marx wirklich etwas Reales beschrieben haben?

Die Parabel vom Sämann ist genau deshalb Science Fiction, weil sie eine belletristische Verarbeitung der Theorie der ursprünglichen Akkumulation (historische Verhältnisse zerfallen in Barbarei, um sich auf höherer Stufenleiter neu zu reproduzieren) als auch der dialektischen Erkenntnistheorie ist. Und sie ist ein leidenschaftliches Traktat gegen das marxistische Utopieverbot. Vollkommene Rationalität ist ein Merkmal bürgerlicher Bewegungslosigkeit. Wer sich aber bewegen will, muss auf Wegen wandeln, die er noch nicht kennt. Und über die muss er in der Lage sein, bereits heute eine Geschichte zu erzählen; auf wissenschaftlicher Grundlage aber sauber getrennt von der Wissenschaft, da sie nicht in ihr aufgehen kann.

Literatur:

Butler, O. (1993/1999): Die Parabel vom Sämann. Deutsche Erstausgabe. Übersetzt von Kurt Bracharz. München: Heyne.

Holz, H. (2003): Widerspiegelung. Bielefeld: transcript. [online verfügbar unter: https://www.transcript-verlag.de/978-3-89942-122-4/widerspiegelung/]

Marx, K. (1844/1976): Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung. In: Marx-Engels-Werke. Band 1. Berlin/ Hauptstadt der DDR: Dietz.

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