neuer Eintrag: Alessandra Mezzadri

Alessandra Mezzadri hat sich in den vergangenen Jahren zu einer wichtigen Stimme der kritischen Sozialtheorie entwickelt. Sie verbindet akademisch aktuell heiß diskutierte Theorien wie Feminismus und Postkolonialismus mit der empirischen Fokussierung soziologischer Feldtheorie und spannt dabei den Bogen zwischen konkreten Beobachtungen mit marxistischen Konzeptionen. Ein Überblick über ihr Schaffen und ihre wesentlichen Ansatzpunkte.

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Kuba auf den Schultern der Frauen

Wie steht es eigentlich um die Erreichung der Ziele der Revolution jenseits der Warenproduktion und Inselbegabungen wie Medizin oder Bildung? Hier könnte man zum Beispiel nach der Stellung der Frau fragen. Formal ist diese im sozialistischen Kuba gleichgestellt. Die Aufstiegschancen, die grundständige Bildung und viele andere Faktoren sind auf Kuba deutlich besser als in vergleichbaren Ländern. Allerdings stellt auch der noch immer tief verankerte Sexismus die Kommunistische Partei vor viel Arbeit. Anamary Maqueira Linares und Katherine A. Moos untersuchten die Bedeutung der Hausarbeit bei der Reproduktion der Arbeitskraft in Kuba.

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Profite trotz Krise? Das Patriarchat macht’s möglich

Der Kapitalismus ist eine patriarchale Herrschaftsform, sagen die einen. Nein, er ist blind gegenüber dem Geschlecht und sucht nur nach Profitmaximierung, sagen die anderen. Beide haben Recht, wenn man den entsprechenden Analyserahmen anlegt, sagt die Social Reproduction Theory. Denn die Bourgeoisie maximiert ihre Profite nicht im luftleeren Raum oder der kapitalistischen Gesellschaft in ihrem idealen Durchschnitt, sondern unter den von ihr vorgefundenen konkreten gesellschaftlichen Bedingungen. Und hier bedienen sich die Kapitalisten gerne der bestehenden sexistischen und rassistischen Strukturen oder akuten Ereignisse, wie etwa der Corona-Pandemie. Shahram Azhar und Aabida Ali untersuchten, wie patriarchale Strukturen den Zulieferbetrieben der Textilindustrie und großen Modeketten dabei halfen, mit gestiegenen Profitraten aus der der Krise während der Pandemie zu kommen.

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„Am Ende des Tages stehen wir am Check Point vor israelischen Männern.“: die Tal’at-Bewegung

Als 2019 in ganz Palästina Tausende gegen Femizide und familiäre Gewalt gegen Frauen auf die Straße gingen, schwappte die so genannte Tal’at-Bewegung auch auf die Diaspora über und vernetzte weltweit feministische Organisationen in einem losen, aber breiten Solidaritätsnetzwerk. Federica Stagni hat in der Critical Sociology den Zusammenhang zwischen politischer Unterdrückung in Palästina und die Unterdrückung der Frau analysiert. Über Besatzung und Intersektionalismus.

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Die Social Reproduction Theory … über Lohn und Hausarbeit

Die sogenannte Social Reproduction Theory hält unbezahlte Reproduktionsarbeit für systemimmanent und untersucht die Bedingungen, unter welchen sie eine bestimmte Form annimmt. Dem zugrunde liegt die Feststellung, dass jede Produktion auch immer wieder eine Erneuerung und Erweiterung ihrer eigene Bedingungen benötigt und die Reproduktionsarbeit demgemäß trotz des anarchischen Wettbewerbs der individuellen Willen mit Zwang koordiniert werden muss. Pedro M. Rey-Araújo vom Centre of Time-Use Research des University College Londons kartographierte in der New Political Economy die Social Reproduction Theory.

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Das politische Subjekt Palästinenser*innen

Die Frage, seit wann es eigentlich das palästinensische Volk gibt, ist nur in zweiter Linie eine historische. Sie ist eine politische. Zionistische Vertreter*innen haben über die Jahrzehnte hinweg das Narrativ verbreitet, ein Volk ohne Land habe Israel auf einem Land ohne Volk errichtet. Und noch bis heute wird in höheren Kreisen die Auffassung vertreten, dass die Palästinenser*innen ja eigentlich Araber*innen seien und damit auch überall im Maghreb oder im Nahen Osten glücklich werden könnten. Das Beharren auf das kleine Stückchen Land zwischen Jordan und Rotem Meer sei damit nur durch einen tief verwurzelten Antisemitismus zu verstehen. Doch wie nicht wenige Völker haben sich die Palästinenser*innen durch den Kampf als politisches Subjekt konstituiert. Mit der Struktur und Entwicklung dieses politischen Subjektes hat sich die aktuelle Critical Sociology auseinandergesetzt. In mehreren Beiträgen beschreiben die Autor*innen, wie Rassifizierung, Kolonialismus, Sexismus, aber auch Solidarität unter Arbeiter*innen die heutigen Palästinenser*innen geprägt hat.

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Die politische Ökonomie der Heteronormativität (2/2)

„Privat können die Leute doch machen, was sie wollen. Es muss doch aber nicht dauernd öffentlich sein.“ Das ist eine der häufigsten Positionen, die Menschen zu queerer Politik einnehmen. Offene Feindschaft ist eher selten geworden, wenn auch vorhanden. Schmähungen finden auf den Fußballplätzen und in den Kneipen der Bundesrepublik noch statt, aber in den Medien oder der breiten Öffentlichkeit werden sie hart sanktioniert. Queere Aktivist*innen entgegnen, dass das Private auch immer politisch sei, aber näher erläutert wird dieser Satz selten. Duc Hien Nguyen zeigt auf, inwiefern Queerness in der sozialen Reproduktion eine Klassenfrage ist, was die Bourgeoisie daran feiert, was sie verdammt und warum vielfältige Reproduktionsstrategien der Arbeiter*innen ein Trumpf im Klassenkampf sind.

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Politische Ökonomie der Heteronormativität (1/2)

Manchmal muss man sich auch ein Jubiläum an den Haaren herbei ziehen. Die Review of Radical Political Economics feiert 50 Jahre feministische politische Ökonomie. Der Anlass ist kein festes Datum, sondern die Tatsache, dass 1972 noch 2% aller Professuren in den Wirtschaftswissenschaften von Frauen* besetzt waren und es an vielen Fakultäten kein Verständnis dafür gab, „wozu man Frauen oder Marxisten“ brauche.
Seither hat sich vieles geändert, wenn auch nicht alles. Feministische Forscher*innen haben entweder eigene Institute gegründet oder konnten Anerkennung in etablierten Einrichtungen gewinnen. Die Review of Radical Political Economics druckte daher einige Aufsätze zur zeitgenössischen Forschung aus diesen Gebieten ab. Zunächst widmen wir uns einem Aufsatz von Sirisha Naidu.

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Rezension: Spezialoperation und Frieden (Ewgeniy Kasakow)

Russland ist ein Land, in dem es offiziell keine Kriegsbefürworter*innen gibt. Denn es gibt offiziell keinen Krieg. Kundgebungen für die Spezialoperation zu organisieren, ist ebenfalls nicht erwünscht. Politischer Aktivismus würde ja bedeuten, es handle sich um eine große Sache. Es ist für dem Kreml aber keine große Sache. Doch auch, wenn es weder Krieg noch Kriegsfreunde in Russland gibt, es gibt Kriegsgegner*innen. Auch wenn diese erst recht nicht protestieren dürfen.
Ewgeniy Kasakow hat in seinem Buch Spezialoperation und Frieden die Positionen der linken Kriegsgegner*innen zusammengetragen. Dazu hat er Interviews geführt, Quellen ausgewertet und die Geschichte einer zersplitterten politischen Bewegung aufgerollt. Herausgekommen ist eine Mischung aus politischer Enzyklopädie, Essaysammlung und kommentiertem Zeitgeschehen.

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Gendern auf Chinesisch

Im Westen tobt der Streit um Gendern und Identitätspolitik. Gibt es diese Debatte auch in der Volksrepublik China und wer führt sie? Ian Liujia Tian hat in der aktuellen Rethinking Marxism den Chinesischen Sozialistischen Feminismus CSF für ein westliches Publikum zugänglich gemacht. Sie argumentiert für eine Repolitisierung der Frauen*frage.

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