Im Reich der Bäckermeister und Vampire: Karl Marx und die Nachtarbeit

⋄ Über Nachtarbeit wird wenig politisch diskutiert. Sie gilt als individuelles Problem, aber notwendig und die Liberalen verklären Nachtarbeiter*innen gern zu Helden.

⋄ Dabei widmete sich Karl Marx im ersten Band des Kapitals der Nachtarbeit recht ausführlich. Paul Apostolidis widmete sich diesen Darstellungen etwas genauer.


Marx sah in der Nachtarbeit ein Mittel, um den Arbeitstag als solchen zu verlängern und die Grenzen zwischen Produktion und Reproduktion der Arbeitskraft zu verwischen.

⋄ Dabei bediente er sich vielen Zeitzeugenberichten und eindrücklichen Schilderungen der aufkommenden Nachtarbeit im 19. Jahrhundert.

⋄ Insbesondere die ohnehin populäre Vampirmetapher erhält durch den Bezug zur Nachtarbeit neue und faszinierende Facetten.

Nachtarbeit ist ein Thema, über das die Linke kaum redet. Auf der einen Seite muss sie in manchen Bereichen sein: bei der Pflege, im Gesundheitswesen oder im Öffentlichen Personennahverkehr. Auf der anderen Seite bedeutet sie für viele Menschen eine Verschlechterung der Gesundheit und des Wohlempfindens, sowie soziale Isolierung. Wenn es Debatten gibt, werden diese meist sehr individualisiert besetzt und es gibt immer jene, die sogar gerne in die Nachtschicht gehen; weil es ruhiger ist oder weil die Zulage winkt. Neoliberale Ideologen erklären die Nachtarbeiter*innen auch gern zu Helden und sehen in ihrer Opferbereitschaft eine Vorbildfunktion für eine*n fleißige*n Arbeiter*in, die über die Grenzen des von der Natur hinaus flexibel ist.

Auch Karl Marx setzte sich im ersten Band des Kapitals mit der Nachtarbeit auseinander. Seine Ausführungen hierzu zählen zu den eher unbekannteren. Ein tieferer Blick in das Kapitel über den absoluten Mehrwert lohnt aber. Über Subsumtion der Natur unter das Kapital, deskriptive Empirie und die Vampirmetapher bei Marx schrieb Paul Apostolidis von der London School of Economics and Political Science.

Das Kapitel von der Länge der Arbeitsnacht

Im Kapitel über den absoluten Mehrwert schreibt Marx über die Länge des Arbeitstages und dessen Ausdehnung in die Nachtstunden. Zunächst einmal stellt er fest, dass der Arbeitstag nach unten hin eine Grenze besitzt und zwar in der Arbeitszeit, die benötigt wird, um die Mittel zur Reproduktion der Ware Arbeitskraft herzustellen. Nach oben zeige sich hingegen eine doppelte Schranke in Form der Länge des natürlichen Tages, von dem jedochzur Wiederherstellung der Arbeitskraft, sowie für die „Zeit zur Befriedigung geistiger und sozialer Bedürfnisse, deren Umfang und Zahl durch den allgemeinen Kulturzustand bestimmt sind“ (MEW 23, S.246), einige Stunden abgezogen werden müssten. Der Arbeitstag sei also durchaus flexibel und könne bis zu 18 Stunden betragen. Hier ist schon der erste Ansatzpunkt zur Nachtarbeit dargestellt, denn bei 18 Stunden liegt unwillkürlich ein Teil des Arbeitstages in der Nacht.

Marx beschreibt weiter den Kampf um die Schranken des Arbeitstages als den Kern des Klassenkampfes, bei dem sich beide Parteien auf das Recht des Warentauschs berufen können. Die Bourgeoisie verteidigt ihr Recht, die gekaufte Ware Arbeitskraft nach Belieben zu nutzen und dieses Belieben steht unter Kommando:

Als Kapitalist ist er nur personifiziertes Kapital. Seine Seele ist die Kapitalseele. Das Kapital hat aber einen einzigen Lebenstrieb, den Trieb, sich zu verwerten, Mehrwert zu schaffen, mit seinem konstanten Teil, den Produktionsmitteln, die größtmögliche Masse Mehrarbeit einzusaugen. Das Kapital ist verstorbne Arbeit, die sich nur vampyrmäßig belebt durch Einsaugung lebendiger Arbeit und um so mehr lebt, je mehr sie davon einsaugt.“

MEW 23, S.247

Die Arbeiter*in jedoch muss ihre Ware produzieren und reproduzieren. Sie beruft sich daher auf ihr Recht, die Arbeitskraft in vollem Umfang wiederherzustellen:

Ich verlange also einen Arbeitstag von normaler Länge, und ich verlange ihn ohne Appell an dein Herz, denn in Geldsachen hört die Gemütlichkeit auf. Du magst ein Musterbürger sein, vielleicht Mitglied des Vereins zur Abschaffung der Tierquälerei und obendrein im Geruch der Heiligkeit stehn, aber dem Ding, das du mir gegenüber repräsentierst, schlägt kein Herz in seiner Brust. Was darin zu pochen scheint, ist mein eigner Herzschlag. Ich verlange den Normalarbeitstag, weil ich den Wert meiner Ware verlange, wie jeder andre Verkäufer.“

MEW 23, S.247

Vor Einführung der kapitalistischen Produktionsweise konnten Arbeitstage natürlich auch schon hart und lang sein. Nachtarbeit blieb aber meist die absolute Ausnahme. Zünfte verboten sie, da das schummrige Kerzenlicht Fehlproduktion und Brände beförderte. Und die Bauern wehrten sich im Wesentlichen mit dem Mittel einer mythologischen Volkstradition gegen die Nachtarbeit. Die Nacht sei das Reich der Geister, des Teufels und der Toten. Am lebendigsten wurden die entsprechenden Sagen dort ausgestaltet, wo der Hunger der Grundherren nach mehr und mehr Fronarbeit ungezügelte Ausmaße annahm, wie in Rumänien oder China.

Mit der kapitalistischen Produktionsweise fiel aber nicht nur die augenscheinliche Trennung zwischen Arbeit für die eigene Reproduktion und Arbeit für die herrschende Klasse weg. Auch der Widerspruch zwischen dem Warenwert als einem anisotropen Kristall aus gleichförmiger Arbeitszeit und dem zyklischen, an die Rotation der Erde gebundenen Zeitbegriff, fand Eingang in den Kampf um den Arbeitstag.

Bäcker als die Avantgardisten der Nacht

Das Kapitel über die Länge des Arbeitstages geht manchmal in der marxistischen Rezeption etwas unter, da es voll ist von plastischen Beispielen, die bei der Analyse des Kapitals als ganzem etwas aufhalten, wenn man in drei dicken Bände vorwärts kommen will. Andere mögen das Kapitel gerade darum. Der Kapitalismus ist halt nicht nur ein in der Luft schwebendes Abstraktum, sondern er tut dem Menschen ganz konkret etwas an. Und bei der Nachtarbeit wurde Marx, der selbst Nächte in der Bibliothek oder am heimischen Schreibtisch verbrachte, besonders plastisch.

Das erste Beispiel führt uns ins Bäckereigewerbe, wo Marx von einer Beschränkung der Nachtarbeit in Backstuben berichtet, nach dem eine Kommission ihren Bericht zu den dortigen Zuständen veröffentlicht hatte. In Auftrag gegeben wurde dieser von den Bäckereien, die nach eigener Ansicht ihr Brot zum vollen Preis verkauften und die sich gegen die Billigkonkurrenz, die so genannten Brotfälscher, zur Wehr setzten. Marx beschreibt blumig:

„Sein Bericht, samt Zeugenaussagen, regte das Publikum auf, nicht sein Herz, sondern seinen Magen. Der bibelfeste Engländer wußte zwar, daß der Mensch, wenn nicht durch Gnadenwahl Kapitalist oder Landlord oder Sinekurist, dazu berufen ist, sein Brot im Schweiße seines Angesichts zu essen, aber er wußte nicht, daß er in seinem Brote täglich ein gewisses Quantum Menschenschweiß essen muß, getränkt mit Eiterbeulenausleerung, Spinnweb, Schaben-Leichnamen und fauler deutscher Hefe, abgesehn von Alaun, Sandstein und sonstigen angenehmen mineralischen Ingredienzien.“

MEW 23, S.264

Und Marx zitiert direkt aus dem Bericht:

„Die Arbeit eines Londoner Bäckergesellen beginnt in der Regel um 11 Uhr nachts. Zu dieser Stunde macht er den Teig, ein sehr mühsamer Prozeß, der 1/2 bis 3/4 Stunden währt, je nach der Größe des Gebäcks und seiner Feinheit. Er legt sich dann nieder auf das Knetbrett, das zugleich als Deckel des Trogs dient, worin der Teig gemacht wird, und schläft ein paar Stunden mit einem Mehlsack unter dem Kopf und einem andren Mehlsack auf dem Leib.“

MEW 23, S.264f.

Der Punkt, den Marx in diesem Abschnitt machen wollte, war der, dass Produktions- und Reproduktionszeit in dieser Form der Nachtarbeit stetig miteinander verschwimmen. Da die Bäckergesellen in den Arbeitspausen schliefen, musste die freie Reproduktionszeit den Schlaf gar nicht mehr abdecken. Die Kapitalisten konnten daher einen Tageslohn zahlen, aber 18 Stunden arbeiten lassen, da die sechs verbleibenden Stunden nicht mehr den Schlaf abdecken mussten. Dass die Bäckereien trotz dieser vergleichsweise miserbalen Arbeitsbedingungen Zulauf an neuen Gesellen fanden, sah Marx darin begründet, dass Bauernsöhne aus Schottland mit der Bäckerei immerhin etwas anfangen konnten. Marx schreibt dieser Methode des Bäckergewerbes eine Schlüsselposition in der Entwicklung des Kapitalismus zu: „Damit war die Grundlage zur kapitalistischen Produktion, zur maßlosen Verlängrung des Arbeitstages und Nachtarbeit gelegt, obgleich letztre selbst in London erst 1824 ernsthaft Fuß faßte.“ (MEW 23, S.260)

Arbeiter*innen sind keine Zyklopen

Marx beschreibt weiter, dass die Nachtarbeit meist dann problematisiert wurde, wenn sie zu Unfällen geführt hat. So wurden drei Eisenbahnarbeiter 1866 vor Gericht gestellt:

Ein großes Eisenbahnunglück hat Hunderte von Passagieren in die andre Welt expediert. Die Nachlässigkeit der Eisenbahnarbeiter ist die Ursache des Unglücks. Sie erklären vor den Geschworenen einstimmig, vor 10 bis 12 Jahren habe ihre Arbeit nur 8 Stunden täglich gedauert. Während der letzten 5 – 6 Jahre habe man sie auf 14, 18 und 20 Stunden aufgeschraubt und bei besonders lebhaftem Zudrang der Reiselustigen, wie in den Perioden der Exkursionszüge, währe sie oft ununterbrochen 40-50 Stunden. Sie seien gewöhnliche Menschen und keine Zyklopen. Auf einem gegebnen Punkt versage ihre Arbeitskraft. Torpor ergreife sie. Ihr Hirn höre auf zu denken und ihr Auge zu sehn.“

MEW 23, S.267f.

Spannend ist hier, dass sich die Arbeiter zweier Metaphern aus ganz gegensätzlichen Feldern bedienen. Zum einen spielen sie auf die Zyklopen als mythische Prototypen von Werktätigen mit übermenschlichen Kräften an, die u.a. die Blitze des Zeus schmieden. Und zum anderen vergleichen sie ihre körperlichen Reaktionen mit Torpor, also einer Stoffwechselerstarrung bei kleinen Säugetieren und Vögeln.

Die Homogenisierung des Tages und der Nacht

Die Geschichte der Nachtarbeit ist im Marxschen Kapitel über die Länge des Arbeitstages insbesondere ein Kampf um die Homogenisierung der Arbeit. Während in Großbritannien, das in der Regel als Anschauungsmaterial der Marxschen Ausführungen dient, fast alles an miserablen Arbeitsbedingungen möglich war, so war die Nachtarbeit moralisch mehr als umstritten. Die mittelalterlichen Vorstellungen lasteten noch auf den Gesetzgebern, die gesundheitlichen Bedenken waren gegen die Nachtarbeit viel stärker ausgeprägt als gegen jede andere Belastung des Körpers und der Staat sah seine Kontrollmacht in der Nacht schwinden. Die Kapitalisten hingegen wollten ihre Produktionsmittel so effektiv wie möglich nutzen und die Spinnräder und Hochöfen nicht ruhen lassen. Sie waren bestrebt, Nachtarbeit als völlige Normalität darzustellen. Marx zitiert ein sehr plastisches Beispiel ihres Denkens:

„In der Schmiede wird von 12 Uhr bis 12 Uhr gearbeitet. Einige Hände arbeiten fortwährend des Nachts ohne Wechsel zwischen Tag und Nachtzeit… Wir finden nicht, daß Tag- oder Nachtarbeit irgendeinen Unterschied in der Gesundheit“ (der Herren Naylor und Vickers?) „macht, und wahrscheinlich schlafen Leute besser, wenn sie dieselbe Ruheperiode genießen, als wenn sie wechselt… Ungefähr zwanzig Knaben unter 18 Jahren arbeiten mit der Nachtmannschaft… Wir könnten’s nicht recht tun (not well do), ohne die Nachtarbeit von Jungen unter 18 Jahren. Unser Einwurf ist – die Vermehrung der Produktionskosten. Geschickte Hände und Häupter von Departements sind schwer zu haben, aber Jungens kriegt man, soviel man will.“

MEW 23, S.275

Besonders perfide war das im Kapital beschriebene Ablösesystem. Die Maschine lief ohne Unterlass und ein Junge durfte diese nur verlassen, wenn seine Ablösung kam. Durch Krankheiten, Unfälle, Wechsel der Arbeitsgelegenheiten, etc. kam es häufig vor, dass die Ablösung nicht kam, was zu einer Aneinanderreihung mehrerer Zwölfstundenschichten führen konnte. Die Perfidie macht sich daran fest, dass sie die menschliche Solidarität pervertiert. Ein Junge, der nicht zur Arbeit erschien, wusste, dass ein anderer dafür leiden musste. Auf der anderen Seite konnte genauso er, wenn er zur Arbeit erschien, für 36 Stunden an die Maschine gefesselt sein.

Der Maschinentakt homogenisierte also auch die menschliche Arbeit. Das ist auch der brutale inhaltliche Gehalt des so kühl-objektiv wirkenden Wertgesetzes W = c + v + m, der diesen Sachverhalt nur mathematisch veranschaulicht. Hier werden totes und lebendiges Kapital, Produktionsmittel und Arbeitskraft durch Summation gleichgesetzt. Jedes Kind weiß, dass man nur Äpfel addieren kann, aber nicht Äpfel und Birnen. Das Wertgesetz hat also auch den Inhalt, dass der Wert nur dort vollumfänglich eine Gesellschaft beherrscht, wo die Differenz zwischen Arbeitskraft und Produktionsmitteln ausgelöscht ist. Und das ist keine akademische oder metaphysische Diskussion, sondern ganz konkrete gesellschaftliche Praxis.

Eine weitere Dimension der Vampirmetapher

Die wohl meistbeachtete Metapher Marxens ist die des Vampircharakters des Kapitals. Kein Halloween, an dem die Rosa-Luxemburg-Stiftung nicht irgendein Vampir-Meme teilt. Bisher hat sich die Reflexion der Analogie jedoch darauf beschränkt, dass tote Arbeit bzw. die Verfügung über tote Arbeit die lebendige dirigiert und sie bis auf den letzten Blustropfen ausbeutet. Vor dem Hintergrund der symbolischen Aufladung des Vampir-Topos und der Tatsache, das Marx sein Unterkapital über die „Tag- und Nachtarbeit“ mit einer Vampiranspielung einleitet, zeigen sich aber noch weitere Aspekte der Metapher auf. Marx schreibt:

„Die Verlängrung des Arbeitstags über die Grenzen des natürlichen Tags in die Nacht hinein wirkt nur als Palliativ, stillt nur annähernd den Vampyrdurst nach lebendigem Arbeitsblut.“

MEW 23, S.271

Zunächst einmal ist klar. Der Vampir ist ein Nachtarbeiter. Die Unnatürlichkeit der Nachtarbeit wird gerne literarisch durch die Referenz auf eine Fledermausgestalt ausgedrückt. Das Eindringen einer Spezies in die Domäne einer anderen kann nicht gottgefällig sein. Der Vampir ist aber noch mehr. Er kann sogar nur nachts arbeiten. Sonnenlicht bedeutet sein Ende. Apostolidis vergleicht dies mit der sozialen Extegration der Nachtarbeiter*innen. Diese sind vom gewöhnlichen Gesellschaftsleben weitestgehend ausgeschlossen und finden sich mit der Zeit in diesem auch nicht mehr zurecht. Der Vampir symbolisiert damit nicht nur den Kapitalisten, sondern auch dessen einfache Negation, den Arbeiter, dessen raubtierhafte, kraftvolle, verführerische Seite dem ersten angehört und die verletzliche und geächtete dem letzteren.

Ein weiterer Aspekt ist folgender. Ein Vampir, der unter bestimmten Umständen, sein Opfer anfällt, verwandelt dieses ebenso in einen Vampir. Und auch die Nachtarbeit erzeugt mehr Nachtarbeit. Die Nachtschicht im Werk muss ebenso etwas essen und die Kantine muss geöffnet haben. Ein zeitlich ununterbrochener Produktionsprozess führt auch dazu, dass die Zirkulation kontinuierlich erfolgen kann und muss. LKW-Fahrer*innen sind tags und nachts unterwegs. Deutschland ist auf Grund des vergleichsweise strengen Arbeitsschutzes noch eine Ausnahme. Aber in vielen Ländern sind 24h-Öffnungszeiten für Läden keine Seltenheit.

Doch die Vampirmetapher drückt auch den Widerspruch zwischen natürlich und fortlaufender Zeit aus. Denn der Vampir ist zwar von einem unendlichen und nie pausierendem Blutdurst ergriffen, zugleich bildet der Sonnentag eine undurchdringliche Schranke seiner Möflichkeiten, ihn zu löschen. Er würde zu Staub zerfallen, wenn er zu Sonnenaufgang nicht wieder in den Sarg zurückgekehrt ist. Und so vereint er die Unnatürlichkeit der Ewigkeit mit der Natürlichkeit des Tageszyklus. Und auch das Kapital kommt ohne seinen Bezug auf natürliche Zeiteinheiten und natürliche Bedürfnisse nicht aus, so entfremdet seine Erscheinung sein möge. Ein fully automated space Communism möge an seinen technischen Voraussetzungen scheitern; ein fully automated space Capitalism ist sich selbst absolut vernichtender Widerspruch, denn der Grenzwert der Minimierung menschlicher Bedürfnisse als Mittel der Kapitalakkumulation ist der Tod der Menschheit. Und die vollständige Herrschaft der Vampire.

Zusammenfassung

Über tausende Jahre hinweg war die Nacht der Reproduktion der Arbeitskraft vorbehalten. Das Eindringen der Produktionssphäre in diese Domäne stellen Marx und Apostolidis als ein Vorgefecht zur Homogenisierung der Arbeit und des Kampfs um den Arbeitstag dar. Die Idee der Zeit als gleichförmig fließendes und nicht als etwas zyklisch-diskontinuierliches ist Folge, nicht Voraussetzung der bürgerlichen Gesellschaft. Die Voraussetzung ist die innere Maßlosigkeit der Wertverwertung G-G’ und die Pausenlosigkeit der Maschinen. Um aufzuzeigen, dass diese Geradlinigkeit der wirksamen Zeit, deren Pfeil von G nach G’ zeigt, weder etwas natürliches, noch etwas normales ist, hat Marx im Kapitel über den Arbeitstag und die Arbeitsnacht Arbeiter*innen, Richter und Inspektoren zu Wort kommen lassen. Und sie vermitteln mehr als einen Einblick in die Lebensbedingungen des 19. Jahrhunderts. Sie erinnern daran, dass hinter den abstrakten Begriffen und Formeln des Kapitals ganz konkrete Ausbeutung steht. Wer die Müdigkeit der Nachtschichtarbeiter*in im ersten Band nicht gelernt hat mitzulesen, dem werden wichtige Momente der marxistischen Theorie verschlossen bleiben.

Literatur:

Apostolidis, P. (2025): Night labour, social reproduction and political struggle in the ‘Working Day’ chapter of Marx’s Capital. In: European Journal of Political Theory. Jahrgang 24. Ausgabe 2. S.222–244.

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