David Harvey begleitet in die Abgründe der Grundrisse

Die Grundrisse einer Kritik der politischen Ökonomie von Karl Marx nehmen in dessen Werk etwa die Stellung von Episode 1 im Star Wars-Universum ein. Seit mehreren Jahrzehnten hält der amerikanische Marxist und kritische Geograph David Harvey universitär wie außeruniversitär Vorlesungen und Seminare, die jungen und alten Menschen die Grundrisse näher bringen sollen. Anfang diesen Jahres hat er nun seinen Companion to Marx’s Grundrisse vorgelegt, in welchem er diesen reichhaltigen Erfahrungsschatz bündelte.

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Kohei Saitos neues Buch: Marx im Anthropozän

Kohei Saito kann mit Recht als einer der Popstars der zeitgenössischen marxistischen Theorie gelten. In Japan wurde Saitos Buch Capital in the Anthroposcene mit 250.000 verkauften Exemplaren ein unerwarteter Bestseller. Seine Promotionsschrift Natur gegen Kapital wurde durch den renommierten Campus-Verlag herausgegegeben und für eine doch recht trockene Abhandlung vielfach gelesen.

Das ist nicht zuletzt dem Thema geschuldet. Saito beschäftigt sich mit der Frage, was Marx zur Analyse der ökologischen Krise beitragen kann und wie sich grüne und rote Bewegung in fruchtbare Einheit bringen ließen. Als Mitarbeiter an der zweiten Marx-Engels-Gesamtausgabe und Kenner der deutschen Sprache besitzt er aus internationaler Perspektive privilegierten Zugang zu sämtlichen Schriften von Marx und Engels und half, nicht-deutschsprachigen Leser*innen Aspekte von Marx zugänglich zu machen, die sonst ungehört blieben. Mit Marx in the Anthroposcene hat er diesen Januar nun ein neues Buch vorgelegt. Hierin will er zeigen, dass die Marxsche Theorie hin zu einem Degroth-Kommunismus zeige.

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Grenzbereiche des Marxismus

Zum Abschluss der kleinen Serie über die Nominierungen des diesjährigen Isaac-und-Tamara-Deutscher-Preises sollen die letzten beiden Bücher kurz angerissen werden, welche die Jury in Betracht gezogen hat. Bei beiden Büchern handelt es sich um um die Teilmenge von Marxismus und anderen linken Diskursen. Silvia Federici wollte ausloten, was der Marxismus dem Feminismus sagen kann und was nicht. Kolja Lindner stellte sich die Frage, ob der Marxismus eurozentristisch sei und wenn ja, was an ihm.

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Linke, die Zizek mögen, kauften auch dieses Buch

“Dissidents among Dissidents. Ideology, Politics and the Left in Post-Soviet Russia” von Ilya Budraitski wurde in diesem Jahr für den lsaac-Deutscher-Preis nomminiert. Als studierter Kunst-, Geschichts- und Kunstgeschichtswissenschaftler, Ausstellungskurator über die russische revolutionäre Geschichte, Lehrbeauftragter in Moskau und Aktivist in zahlreichen regierungskritischen Bündnissen ist Budraitskis einer der ersten Ansprechpartner hiesiger linker Medien. Was er schreibt und warum er nicht gewonnen hat, ist Gegenstand der folgenden Rezension.

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Alt, krank, arm … aber relativ gut versichert

Die Weihnachtszeit ist die Zeit, in der man seine Liebsten mit preisgekrönter marxistischer Literatur bescheren möchte. Letzterer mangelt es leider an Preisen. Eine Ausnahme macht der seit 1969 vergebene und mit 500 Dollar dotierte Isaac-und-Tamara-Deutscher-Preis. Dieses Jahr darf sich Gabriel Winant in die Riege namhafter Preisträger*innen wie David Harvey, Eric Hobsbawm oder Terry Eagleton einreihen. Sein Buch The Next Shift. The Fall of Industry and the Rise of Health Care in Rust Belt America über die Transformationsprozesse im amerikanischen Rust Belt konnte die Jury überzeugen.

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China Mieville zum Kommunistischen Manifest

An Kommentaren, Essays und Büchern zum Kommunistischen Manifest mangelt es ganz sicher nicht. Aber wenn der Fantasy-Autor China Mieville ein Buch über das Gründungsdokument der kommunistischen Bewegung schreibt, ist das schon noch etwas ganz Besonderes. Denn die Fantasy ist genau das Genre der Literatur, dass buchstäblich Gespenster durch Europa gehen und Proletarier mit nichts außer Ketten erschaffen kann. Und Mievielle ist ein Meister darin, Metaphern, Allegorien und Sehnsüchte der Linken in Fantasiewelten zum Leben zu erwecken. In A Spectre, Haunting erweckt er das Manifest als Text, Textform, historisches Dokument und immernoch gültige Richtschnur zum Leben.

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Ein Puzzlestück der revolutionären Geschichte des Iran

Wir schreiben den 8. Februar 1971. Fünf junge Guerillas bringen in der iranischen Provinzstadt Siyahkal einem Mann, der an einen Baum gefesselt ist, sein gestohlenes Auto zurück und zahlen ihm hundert Toman für den entstandenen Schaden. Hinter ihnen liegt ein Angriff auf die Kaserne im Ort, von dem sie mit zehn Gewehren und einem verletzten Genossen zurückkehren. Sie verstreuen sich in die Berge. Das Monatsende wird nur einer erleben. Doch man wird im Iran Epen und Gedichte über die fünf jungen Männer schreiben. Die Studierenden werden ihre Kraft entdecken. Das Regime wird lügen müssen, um die eigene Schwäche zu verstecken. Der Shah wird acht Jahre später gestürzt werden. Die Geschichte der fünf jungen Männer wird als nicht zu leugnender Bestandteil der Islamischen Revolution in die Geschichte eingehen. Eine Buchrezension in einer Zeit des militanten politischen Kampfes der iranischen Jugend.

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How to Blow Up a Pipeline

2020 bringt ein schwedischer Autor ein Buch mit dem Titel “How to Blow Up a Pipeline” heraus. Am 10. September 2022 wird erstmals der gleichnamige Film gezeigt. Nur zwei Wochen später kommt es tatsächlich zu Anschlägen auf die Pipelines Nord Stream 1 und 2. Kann das Zufall sein? Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit schon. Aber es ist dennoch gutes Meme-Material für Photoshops, wie nach Gusto Biden, Putin oder Scholz mit dem Buch in der Hand dasitzen.
Der Autor des Buches heißt Andreas Malm. Die Berliner Philosophin Rahel Jaeggi nannte den Autoren Malm „eine prominente Stimme eines erneuerten ökologischen Marxismus“, wie der Freitag zu berichten weiß. Daher sind Autor, Filmpremiere und der hellseherische Titel Grund genug, mal einen Blick ins Buch zu werfen. Wer ist der Autor? Was steht drin? Argumentiert es wirklich marxistisch? Und lernt man tatsächlich etwas über das Hochjagen von Pipelines?

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Wahrscheinlich hat Marx Recht

Fast 40 Jahre nach Laws of Chaos bringen die beiden israelischen Wissenschaftler Emmanuel Farjoun und Moishe Machover einen zweiten Band ihres Erstlingswerks heraus. Hilfe erhalten sie von David Zachariah aus Schweden. Mit ihrer wahrscheinlichkeitstheoretischen Interpretation der Durchschnittsprofitrate entwickelten sie 1983 einen originellen Ansatz zur empirischen Analyse der kapitalistischen Wirtschaft … und knüpften Verbindungen zur theoretischen Physik. Während sich Laws of Chaos eher mit grundsätzlicher Methodik befasste und die empirische Bestätigung eher dünn war, soll nun How Labor powers the Global Economy die praktische Anwendung veranschaulichen.

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Structural Turn – Vivek Chibbers neues Buch “The Class Complex”

Bestimmt die gesellschaftliche Struktur die Kultur oder ist es die Kultur, welche die Gesellschaft formt? Vivek Chibber, bekannt als Journalist für das Jacobin-Magazin, möchte diesen Streit in die nächste Runde führen. In seinem neuen Buch „The Class Complex – Social Theory after the Cultural Turn“ versucht er die Kulturtheorie dadurch auszustechen, dass er sie in sein Konzept einer Klassenstruktur integriert.

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