Space & Communism statt Space Communism: Der chinesische Sozialismus in der ausbleibenden Weltrevolution

⋄ Kann man ein Land wie die Volksrepublik China, die jährlich Milliarden an Kapital exportiert und ein superreiche Kapitalistenklasse hervorgebracht, überhaupt als sozialistisch bezeichnen?

⋄ Jenseits fixer Labels beschreibt Renjiang Chen von der Akademie des Marxismus in Beijing entlang einer marxistischen kritischen Geographie die Entwicklungen in China.

⋄ Das Gesetz der ungleichzeitigen Entwicklung, dass den Sozialismus zuerst in rückständigen Ländern an die Macht bringe, dort aber vor die Grenzen der vorherrschenden Produktivkraft stelle, ist für ihn ein Schlüssel.

⋄ Er bezieht sich auf die
Deutsche Ideologie von Marx, wo er die Überlebensfähigkeit „lokaler Kommunismen“ bezweifelte.

⋄ Mit seinem Konzept regionaler sozialistischer Unionen entwirftt Chen ein Modell, dass eine Weltrevolution ohne die imperialistischen Zentren auskommen lässt.
ungleichzeitige Entwicklung im Raum

Man braucht kein großer Kritiker Xi Jinpings oder der Kommunistischen Partei Chinas zu sein, damit einem auffällt, dass der Sozialismus in der Volksrepublik wenig mit dem gemeinsam hat, was Karl Marx vor Augen gehabt hat. Seit 45 Jahren betreibt das Land einen beständigen marktwirtschaftlichen Öffnungskurs, alte Klassenstrukturen haben sich verfestigt,neue sind entstanden, anstatt abzusterben und chinesisches Kapital wird fleißig in die halbe Welt exportiert. Gibt es daher noch irgendetwas sozialistisches an China außer historische Bezüge und rote Fahnen? Zu Erörterung sind marxistische Stimmen aus China selbst von großer Bedeutung.

Renjiang Chen von der Akadamie des Marxismus in Beijing erläuterte den chinesischen Weg zum Kommunismus durch eine Diskussion des Zusammenhangs von Raum und Sozialismus.

Kommunismus und Raum

Nach Chen ist der Kommunismus die materielle Aufhebung des Kapitalismus als dessen Negation, was bedeutet, dass ein sozialistisches System nicht ex nihilo geschaffen werden kann, sondern auf dem Fundament der ursprünglichen Akkumulation und der anshcließenden Produktivkraftentwicklung aufbauen muss. Daher ist der empirische Zustand des Kapitalismus für die darauf folgende Gesellschaftsform prägend. Man muss den konkreten und abstrakten Kapitalismus verstehen und beschreiben können, um ihn zu überwinden. Soweit sollte Konsens unter Marxist*innen herrschen.

Der Kapitalismus ist dabei eine Gesellschaftsform, welche den vollständigen Raum der Erde einzunehmen versucht; als gesellschaftliches Verhältnis, das zunächst am Arbeitsplatz zwischen Fabrikherr und Arbeiter*in entstanden ist, greifen seine Gesetze langsam – aber sicher – auf die lokale, nationale und zuletzt globale Ebene zu. Der von der Arbeiter*in geschaffene und vom Kapitalisten ausgebeutete Mehrwert kann von letzterem nicht vollständig verfressen werden, sondern akkumuliert sich grenzenlos und muss immer neue Orte zu neuer Ausbeutung finden. Da Geld kein Maß in sich hat, durchbrach das Kapital in seiner Maßlosigkeit alle Grenzen und drang auch in die Teile der Welt ein, in denen noch feudale Strukturen vorherrschten.

Der Kommunismus als Negation des Kapitalismus kann demnach selbst nicht lokal bleiben. Er muss sich auf universeller Ebene durchsetzen. Gäbe es nur einen isolierten sozialistischen Staat müsste das globale Kapital spätestens mit der vollständigen Erfassung der restlichen Welt nach Überschreitung der Grenze zur sozialistischen Gesellschaft streben, zur Not mit militärischer Gewalt. Eine friedliche isolierte Bewegung einer sozialistischen Gesellschaft wäre daher idealistischer Utopismus.

Daraus folgt jedoch, dass es zwischen beiden Systemen etwas Verbindendes gibt, die Feindschaft und der Wettbewerb, welche der Kapitalismus als ständig expansives System einer lokalen sozialistischen Gesellschaft aufzwingt, schafft einen Wettbewerb, in dem sich auf Vergleichbares bezogen wird. Sei es der Vergleich in den militärischen Kapazitäten, sei es der Vergleich von Abhängigkeiten und der Druck, etwas auf dem Weltmarkt zu kaufen oder sei es ideologisch der Vergleich der Lebensqualität des Proletariats in den unterschiedlichen Ländern. Die Schaffung einer Kommensurabilität durch den imperialistischen Charakter des Kapitals wirft den Sozialismus immer aus seiner reinen Form zurück und drängt ihm neue Charakteristika auf.

Das Gesetz der ungleichzeitigen Entwicklung

Chen betrachtet diesen Tatbestand als historische Entwicklung mit Gesetzeskraft: als Gesetz der ungleichzeitigen Entwicklung. Historisch sei es immer so gewesen, dass sich die Gesellschaftssysteme ungleich entwickelt hätten; dass die Regionen mit einer Gesellschaftsformation in Reinform stets in der Minderzahl waren; dass zeitgleich viele verschiedene Ausprägungen existierten und dass manchmal die unvollständige Ausprägung einer Gesellschaftsform den Übergang zu einer neuen sogar beschleunigt habe. Als Beispiel führt Chen China an, dessen Feudalstruktur unter der bürokratischen Monarchie zu Zeiten des europäischen Mittelalters viel fortgeschrittener gewesen sei als die Europas. In China habe es enorme Agrarüberschüsse gegeben, die zu einem ausgeprägten Handelssystem inklusive moderner Straßen, Kanäle und Manufakturen führten. Europa hingegen habe hier auf Grund seiner stark fragmentierten Struktur lange Zeit keinen Anschluss gehabt. Allerdings habe die Rückständigkeit der Landwirtschaft zu einer stärkeren Entwicklung des Handwerks geführt. Techniken und Arbeitsorganisationen entwickelten sich, welche die Voraussetzung für spätere Maschinerie und Industrie bildeten. Zusammen mit den günstigen Einflüssen durch die Kolonisierung rückständiger Gebiete in Amerika und Afrika konnte Europa daraufhin die Produktivkräfte aufbauen, die in der Lage waren, auch den bürokratischen Zentralstaat Chinas niederzuwerfen.

Ein zweites Beispiel ist die Sowjetunion. Gleichwohl im Zarenreich zur Zeit des Ersten Weltkrieges warenförmige Gesellschaftsstrukturen zumindest im europäischen Teil weit verbreitet waren, war es doch eines der rückständigsten kapitalistischen Länder. Aber genau dieser Umstand verhalf den Bolschewiki, die kaum vorhandene Bourgeoisie und den dünnen Staat verhältnismäßig leicht zu stürzen, in der Hoffnung, ein Fanal für die entwickelteren Nationen und der Arbeiterklassen zu setzen. Beim Aufbau des Sozialismus hingegen erwies sich die kaum entwickelte Arbeitsteiligkeit und die fehlende Produktionsdisziplin insbesondere auf dem Land als starre Schranke der Entwicklung eines demokratischen Sozialismus. Die Bauernschaft dachte größtenteils gar nicht daran, in der Gegenwart mehr zu arbeiten, um das städtische Proletariat zu versorgen, um in der Zukunft leichter mit Maschinen zu arbeiten. Die Bolschewiki mussten zunächst gewaltsam Korn konfiszieren, dann Marktanreize schaffen, um abschließend in einer erneut erzwungenen Massenkollektivierung die ursprüngliche Akkumulation nachzuholen. An diesem Beispiel zeigt sich besonders deutlich, dass das Gesetz der ungleichzeitigen Entwicklung sich zugleich als Bedingung und Schranke einer sozialistischen Entwicklung erweisen kann.

Ungleiche Entwicklung und Kommunismus

Das Problem in China illustriert Chen mit Hilfe eines Zitats aus der Deutschen Ideologie, genauer aus dem bekannten Abschnitt, der Marxens Charakterisierung des Kommunismus als die „wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt“ einrahmt. Ich möchte ihn hier etwas ausführlicher zitieren, als es Chen tut und die Stellen, auf die er sich explizit bezieht, dick markieren:

Diese „Entfremdung“, um den Philosophen verständlich zu bleiben, kann natürlich nur unter zwei praktischen Voraussetzungen aufgehoben werden. Damit sie eine „unerträgliche“ Macht werde, d.h. eine Macht, gegen die man revolutioniert, dazu gehört, daß sie die Masse der Menschheit als durchaus „Eigentumslos“ erzeugt hat und zugleich im Widerspruch zu einer vorhandnen Welt des Reichtums und der Bildung, was beides eine große Steigerung der Produktivkraft, einen hohen Grad ihrer Entwicklung voraussetzt – und andrerseits ist diese Entwicklung der Produktivkräfte (womit zugleich schon die in weltgeschichtlichem, statt der in lokalem Dasein der Menschen vorhandne empirische Existenz gegeben ist) auch deswegen eine absolut notwendige praktische Voraussetzung, weil ohne sie nur der Mangel verallgemeinert, also mit der Notdurft auch der Streit um das Notwendige wieder beginnen und die ganze alte Scheiße sich herstellen müßte, weil ferner nur mit dieser universellen Entwicklung der Produktivkräfte ein universeller Verkehr der Menschen gesetzt ist, daher einerseits das Phänomen der „Eigentumslosen“ Masse in Allen Völkern gleichzeitig erzeugt (allgemeine Konkurrenz), jedes derselben von den Umwälzungen der andern abhängig macht, und endlich weltgeschichtliche, empirisch universelle Individuen an die Stelle der lokalen gesetzt hat. Ohne dies könnte 1. der Kommunismus nur als eine Lokalität existieren, 2. die Mächte des Verkehrs selbst hätten sich als universelle, drum unerträgliche Machte nicht entwickeln können, sie wären heimisch-abergläubige „Umstände“ geblieben, und 3. würde jede Erweiterung des Verkehrs den lokalen Kommunismus aufheben. Der Kommunismus ist empirisch nur als die Tat der herrschenden Völker „auf einmal“ und gleichzeitig möglich, was die universelle Entwicklung der Produktivkraft und den mit ihm zusammenhängenden Weltverkehr voraussetzt. […] Das Proletariat kann also nur weltgeschichtlich existieren, wie der Kommunismus, seine Aktion, nur als „weltgeschichtliche“ Existenz überhaupt vorhanden sein kann; weltgeschichtliche Existenz der Individuen; d.h. Existenz der Individuen, die unmittelbar mit der Weltgeschichte verknüpft ist.

MEW 3, S.35f.

Wendet man dieses Zitat nun auf die Entwicklung der Volksrepublik Chinas seit Beginn der 80er Jahre an, ergeben sich zwei widersprüchliche, aber synthetische Argumentationsstränge. Die Volksrepublik China hat nach 1990 als einziges Land neben Kuba und der Demokratischen Volksrepublik Korea ihren sozialistischen Anspruch nicht aufgegeben. Nordkorea und Kuba sind jedoch kleine und isolierte Länder. Ohne die Unterstützung Chinas hätten wahrscheinlich beide auch ihre letzten sozialistischen Prinzipien aufgeben müssen. China hingegen hat niemanden mehr, auf den es sich stützen könnte; niemanden, mit dem das Land in „Verkehr“ treten könnte, ohne den „lokalen Kommunismus aufheben“ zu müssen. China hätte autark bleiben können und sich von der restlichen Welt abkapseln können. Aber wäre dies erstens nicht realistisch und zweitens hieße das auch die Abkapselung von der internationalen sozialistischen Bewegung.

Der zweite Argumentationsstrang verfolgt die entgegengesetzte Richtung. Da China sich nicht von der Welt und auch der internationalen sozialistischen Bewegung abgekapselt hat, musste es den „lokalen Kommunismus“ ALS BEWEGUNG aufgeben. Es hat marktwirtschaftliche Elemente eingebaut und man kann mittlerweile dafür argumentieren, dass sie die Dominanz erreicht haben, aber sie haben dennoch eine sozialistische Funktion. Erst, wenn der Kapitalismus verallgemeinert ist; erst, wenn die weltweiten Produktivkräfte an ihre Schranken stoßen; erst, wenn sich ein Proletariat weltweit skaliert als beherrschte Klasse entwickelt hat; dann sind nach Marx die Bedingungen für einen Übergang zum Kommunismus als erneute Bewegung zur Aufhebung des Kapitalismus gegeben. Das chinesische Kapital hat in vielen Ländern erst Arbeiter*innenklassen als Massenbewegung entwickelt und Solaranlagen in entlegene Steppen gebracht.

Der chinesische Sozialismus im Raum

Als die Kommunistische Partei Chinas 1979, geprägt von den Erfahrungen des Großen Sprungs nach vor, der Kulturrevolution und der Entwicklung der antikolonialen Kämpfe, ihren Beschluss zur Einführung marktwirtschatlicher Elemente fasste, fand sie eine Umwelt vor, die durch den Kapitalismus infrastrukturell und ideologisch verdichtet war. Straßen, Telefonnetze und Fluglinien verbanden nicht nur Länder, sondern auch konkurrierende Gesellschaftssysteme miteinander. Die universell fortschreitende Entwicklung der Produktivkräfte verlangte nach einem immer umfassenderen Zugriff auf alle materiellen und immateriellen Ressourcen der Menschen und der Umwelt. Mit der Form des Staates, dem Kampf und Handel auf einem Weltmarkt und auch in der Form des Völkerrechts bezogen sich alle Nationen auf bürgerliche Ideologeme und sei es nur zur Wahrung der friedlichen Koexistenz. Proletarier*innen aller Länder lernten sich teilweise persönlich, teilweise medial kennen und verglichen ihren Lebensstandard. Wer dies als Folge zu großer Zugeständnisse an die Bourgeoisie hält, darf nicht vergessen, dass eine ähnliche Kommunikation auch schon in der unter der Komintern organisierten globalen kommunistischen Bewegungen stattgefunden hat. Gerade weil der Kampf des Proletariats international geführt wird, wäre eine vollkommene Abschottung ein Verrat am Kommunismus, selbst wenn sie sich real umsetzen ließe. Doch bereits die Möglichkeit, sich in einer derart räumlich verdichteten Welt zu isolieren und nicht in Kontakt mit dem kapitalistischen System zu geraten, erscheint fragwürdig.

Neben der Frage, ob ein sozialistisches Decoupling möglich wäre, verbliebe die Frage, ob es wünschenswert wäre. Westliche Kommunist*innen hätten davon erst mal wenig, da das Decoupling fast alle Arten von Interaktion betreffen würde. Oder wie soll ein sozialistisches Land revolutionäre Bewegungen im kapitalistischen Ausland fördern, die auf Geld oder moderne Medien angewiesen sind, wenn man selbst keinen Bezug mehr dazu hat? Für das chinesische Proletariat wäre es auch nur ein Pyrrhussieg, da der Verzicht auf den Kontakt mit einem global agierenden System auch den Verzicht auf die Inkorporation der modernsten Produktionsmittel bedeuten und damit die Arbeit unnötig schwer machen würde. Natürlich ist die Produktivkraft nicht alles, wenn die gesellschaftliche Organisation dieser zulasten des Proletariats verliefe, aber ignoriert werden darf diese Frage dennoch nicht.

Innerhalb dieses Rahmens gab es einige historische Faktoren, die China zu einer integrativen Politik gegenüber dem Weltmarkt veranlassten. Zum einen gebärdete sich der westliche Imperialismus mit seinen Kriegen in Vietnam und Korea als aggressiv, wobei zu befürchten war, dass die Volksrepublik in einer direkten militärischen Konfrontation auf Grund der technischen Rückständigkeit unterliegen werde. Der gemeinsame Handel und die Verschmelzung der Produktion garantierte durch wechselseitige Abhängigkeiten zumindest die Möglichkeit eines friedlichen Aufbaus, welche Form er auch immer annehme. Und zweitens fiel die Sowjetunion, die sich bereits auf Grund ihres Hegemeonieanspruchs im sozialistischen Lager von China entfernte, mit ihrem Zerfall als Verbündeter weg. Das Ende des Kalten Krieges hinterließ China in einer Welt, in welcher der neoliberale Imperialismus beinahe unangefochtenen Herrschaftsanspruch besaß, dem sich auch die Peripherie nicht vollends entziehen konnte.

Auswege: Sozialistische Regionale Unionen

Ist China nun jedoch verdammt, einen unumkehrbaren Weg Richtung Kapitalismus einzuschlagen, da ein unangefochtener Weltmarkt das Land wie die Gravitation an sich zieht? Chen sieht durchaus reale Auswege. Der einfachste Weg wären natürlich sozialistische Revolutionen in den imperialistischen Kernländern und damit der Bruch mit dem dominierenden System des Weltmarktes. Doch diese Lösung scheint utopisch, wie das bisherige Wirken des Gesetzes der ungleichzeitigen Entwicklung vor Augen führt. Es ist also wahrscheinlicher, dass rückständige Nationen eher zu sozialistischen Projekten übergehen, wobei sich jedem dieser Projekte das Problem des „lokalen Kommunismus“ neu stellt.

Chen sieht hier die Notwendigkeit eines Netzes Regionaler Sozialistischer Union erwachsen. Der Handel zwischen diesen würde nicht nur auf Grundlage des Wertgesetzes funktionieren, wodurch die Überausbeutungsmechanismen des ungleichen Tausches (Näheres hier) wegfielen. Damit verbunden wäre auch eine Demonetarisierung der internationalen Arbeitsteilung, wodurch der Weltmarkt immer engere geographische Schranken fände. Politische Strukturen würden auf Grund des kooperativen Charakters des Handels anstatt des kompetitiven enger zusammenwachsen und dazu führen, dass sich kulturelle und materielle Standards in ihrer Diversität dennoch annähern. In gewisser Weise würde sich dadurch eine politische Zentralisation der ökonomischen Prozesse ergeben, die aus technischen Gründen nur global skaliert werden können und zur verstärkten gemeinsamen Planung nach Bedürfnissen auf internationaler Ebene führen.

Diese Beschreibung Chens ist natürlich noch Zukunftsmusik, unterscheidet sich aber im Wesentlichen von den weltrevolutionären Vorstellungen der Trotzkist*innen dadurch, dass sie versucht, ohne eine Revolution in den imperialistischen Zentren eine internationale sozialistische Entwicklung denkbar zu machen.

Zusammenfassung

Welche Aufgaben ergeben sich aus dem Gesagten für westliche Kommunist*innen? Es reicht nicht aus, China wegen der Einführung kapitalistischer Verkehrsformen zu verdammen. Die Kommunistische Partei hätte dies nicht tun müssen bzw. müsste es nicht tun, wenn die entwickelten kapitalistischen Staaten ihre eigenen sozialistischen Revolutionen auf die Beine gestellt hätten. China wird demnach als Projektionsfläche des eigenen revolutionären Scheiterns benutzt, anstatt selbst die Bedingungen herzustellen, die China wieder die Bewegung hin zum Kommunismus ermöglichen. Natürlich könnte man argumentieren, dass im Westen keine revolutionäre Gesinnung herrsche und die Widersprüche noch nicht voll entfaltet seien. Aber wieso dürften sich die chinesischen Genoss*innen nicht mit gleichem Recht auf die Umstände beziehen?

Die europäischen und nordamerikanischen Kommunist*innen müssen sich um die Revolutionen in ihren Ländern kümmern, ohne dem messianischen Glauben zu verfallen, ohne sie würde die gesamte Welt zugrunde gehen. Die Revolution wird immer noch für und durch das eigene Proletariat gemacht und nicht, um andere zu befreien. Allerdings kann das Gesetz der ungleichzeitigen Entwicklung aufzeigen, dass sozialistische Revolutionen in der kapitalistischen Peripherie und Semiperipherie eine Bedingung sein könnten. Diese Projekte erfordern daher die aufrechte internationale Solidarität aller Revolutionäre anstelle der Betonung der durch die Rückständigkeit der Produktivkräfte ergebenden Mängel dieser Versuche.

Literatur:

Renjiang Chen (2023): The Law of Uneven Development and the Transition to a New World System: On the Spatial Political Economy of Socialism. In: International Critical Thought. Jahrgang 13. Ausgabe 4. S.481-505.

Marx, K. & Engels, F. (1969): Die Deutsche Ideologie. In: Marx-Engels-Werke. Band 3. Berlin/ Hauptstadt der DDR: Dietz. S.3-50.

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