Internationalismus international

⋄ Linker Internationalismus befindet sich im Spannungsfeld von Universalismus, Kosmopolitisches, kapitalistischem Transnationalismus, Nationalismus und Revolution. Miri Davidson sammelte verschiedene Stimmen zu konkreten internationalistischen Bewegungen in der Geschichte.

⋄ Musab Younis problematisierte die Doppelbedeutung der Nation im Panafrikanismus, die einmal die staatliche und einmal die kontinental-ethnische bezeichnet.

⋄ Maria Chehonadskih sprach über die internationalistischen Ansätze in Alexander Bogdanovs Proletkult-Bewegung.

⋄ Layli Uddin stellte das Leben Maulana Bhashanis vor, eines islamischen Sozialisten, der sich für eine radikale Landreform und die Macht der Bauern einsetzte.

⋄ Dilar Dirik vollzog den Wandel der kurdischen Befreiungsbewegung von einer internationalistischen zu einer transnationalistischen nach.

Einer der wichtigsten Kernwerte der sozialistischen Bewegung steht momentan zur Disposition: die internationale Solidarität. Das bürgerliche Lager hat den Ukraine-Krieg zum Anlass genommen, militärische Hilfe für die Ukraine als Ausdruck internationaler Solidarität zu framen. Pazifist*innen, die sich dagegen stellen, wird ihr Internationalismus abgesprochen. Linken wie Rechte berufen sich dabei auch auf antiimperialistische Rhetorik. Die einen stellen sich gegen die jahrzehntelange Expansion der NATO und verweisen auf den ukrainischen Nationalismus, der sich mit dem Maidan Bahn gebrochen hat. Die anderen sehen in der Eingliederung ukrainischer Gebiete in die Russische Föderation einen Ausdruck des russischen Imperialismus.

Was ist also ein Internationalismus, auf den sich eine Linke positiv beziehen kann? Wie steht er im Verhältnis zum Nationalismus? Gibt es guten und schlechten Nationalismus? Und wie unterscheidet man beide? Um sich diesen Fragen zu nähern, gibt es zwei Wege. Entweder stellt man abstrakte Definitionen auf, an denen man einzelne Länder, Bewegungen und Aktionen messen kann. Oder man schaut in die konkrete Geschichte internationalistischer Theoretiker*innen und Praktiker*innen. Im Millenium: Journal of International Studies hat Miri Davidson mit Dilar Dirik, Musab Younis, Maria Chehonadskih und Layli Uddin gesprochen. Alle vier beschäftigen sich mit Akteur*innen und Bewegungen, die dem proletarischen Internationalismus zugerechnet werden können und versuchen ihre Ergebnisse zusammenzubringen.

Das Problem des proletarischen Internationalismus

Der proletarische Internationalismus steht prinzipiell vor dem Problem, dass der Begriff Internationalismus bereits intendiert, dass es nationale Besonderheiten gebe, die wiederum Sozialist*innen und Kommunist*innen unterschiedliche Handlungsspielräume eröffneten. Es blieb jedoch immer umstritten, inwieweit nationale Besonderheiten einen abweichenden Weg von den klassischen Theorien und Strategien rechtfertigten und ab wann sie eine Loslösung von der internationalistischen Bewegung als Ganzes bedeuteten.

Abgegrenzt werden muss der Internationalismus dabei von den begriffen Kosmopolitismus und Universalismus. Ein*e Kosmopolit*in ist in der Welt zu Hause. Die großen sozialistischen Bewegungen des 20. Jahrhunderts waren aber im Wesentlichen durch in ihrer Heimat verwurzelte Bauern getragen. Und dennoch verstanden sich viele dieser als internationalistisch, auch wenn der Bezug – ohne die Möglichkeit zu reisen – ein ideeller blieb. Der Universalismus wiederum postuliert Werte, deren allgemeine Gültigkeit die Menschen verbinde. Marxist*innen jedoch dekonstruieren Werte als in die historischen und klassenspezifischen materiellen Verhältnisse eingebunden. Sie können damit unmöglich überhistorisch anerkannt werden und ihre Verallgemeinerung zementiert nur den Herrschaftsanspruch einer führenden Klasse. Darüber hinaus muss der Internationalismus von einem kapitalistischen Transnationalismus abgegrenzt werden, der Menschen gegen ihren Willen in die Migration führt und den Konkurrenzkampf unter den Arbeiter*innen auf eine globale Stufe hebt.

Der proletarische Internationalismus bewegt sich weiterhin im Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Während Karl Marx und Friedrich Engels im Kommunistischen Manifest die Rationalisierung des proletarischen Bewusstseins voraussagten, die in einer Erkennung des gemeinsamen Interesses aller Arbeiter*innen der Welt münden würde, war sich bereits der Marx des Kapitals bewusst, dass die bürgerliche Herrschaft eine Vielzahl an Fetischismen erschafft, welche die gesellschaftlichen Verhältnisse verschleiern. Bereits zu Beginn des Ersten Weltkrieges war Schluss mit dem Internationalismus der Zweiten Internationale. Es bedurfte daher nach Lenin einer Partei, welche das Klassenbewusstsein zu schaffen und zu artikulieren war. Diese Parteien entstanden jedoch in den konkreten gesellschaftlichen Bedingungen und mussten von den konkreten historischen Individuen verstanden werden. So musste auch das Klassenbewusstsein – selbst wenn es dem Wesen nach gleich war – unterschiedliche Formen in den einzelnen Nationen annehmen.

An diese Probleme möchte sich Davidson nun entlang der Problematisierung konkreter Bewältigung durch historische Bewegungen annähern. Den Autor*innen wurden Fragen gestellt, wie sich der Internationalismus in den jeweiligen Bewegungen entwickelt hat, ob er eine zwangsläufige Antwort auf Imperialismus ist, in welchem Verhältnis er zu den Begriffen Nation und Nationalismus steht, sowie nach internen Spannungsverhältnissen und denen gegenüber anderen Nationalismen.

Panafrikanismus zwischen Staat und Kontinent

Musab Younis, Autor des Buches On the Scale of the World, ist Experte auf dem Gebiet des Panafrikanismus. Afrika sei neben Südamerika und Asien historisch gesehen das Objekt des Imperialismus gewesen. Vice versa sei Afrika auch in der theoretischen Imperialismusanalyse nur als Objekt vorgekommen. Um sich jedoch vom Imperialismus zu befreien, bedürfe es einer politischen Bewegung, die Afrika als politisches Subjekt konstituieren könne. Als dieses habe die panafrikanische Bewegung zunächst von der imperialen Diskurspraxis gelernt, um kulturelle Gegenstrategien zu entwickeln. Ähnlich wie Marx, der in der British Library die bürgerlichen Klassiker studierte, um sie mit ihren eigenen Argumenten zu schlagen, habe eine afrikanische Elite an den Universitäten Europas studiert, was das rassistische System des Imperialismus am Laufen halte und wie man es zum Wanken bringen könnte.

Der Panafrikanismus sei deshalb als internationalistische Bewegung prädestiniert, weil die künstlich und teilweise mit der Schnur gezogenen Grenzen Afrikas ganz eindrücklich die überhistorischen Fantasien der Nationalisten transzendieren. Der Begriff der Nation sei dabei doppelt besetzt, indem er sich zum einen auf diese künstlichen Nationalstaaten als politische Entitäten bezieht und gleichzeitig eine afrikanische Nation manifestiert, die das Gemeinsame aller einzelnen Staaten repräsentiert. Diese Doppeldeutung der Nation birgt jedoch auch enormes Problempotential. Die aus dem Kolonialismus geerbten Konflikte genauso wie die verschiedenen Reaktionen auf die neokolonialen Kontrollmechanismen haben zu scharfen Debatten innerhalb und zwischen den Nationen geführt; manche Systeme wurden extrem autokratisch und stützten sich mehr auf das Militär als das Volksmandat. Wie sollte man mit solchen Regimen umgehen? Sollte man sie mit Hilfe der ehemaligen Kolonialherren auch gegen den Willen der nationalen Führer demokratisieren oder sollte man sie gegenüber westlicher Bevormundung verteidigen? Diese Kontroverse erleben wir gerade hautnah im Niger, früher entspann sie sich zum Beispiel an Liberia.

Der Internationalismus in Alexander Bogdanovs Proletkult

Maria Chehonadshih gehört nach eigenen Angaben zu einer intellektuellen Bewegung, die westliche Narrative über die Sowjetunion und den Warschauer Pakt aus dem Kalten Krieg dekonstruieren möchte. Dazu forscht sie insbesondere zu den prä- und poststalinschen Diskursen in der UdSSR. Die Sowjetunion stand während ihrer Entstehung in einem ganz besonderen Spannungsverhältnis zum Nationalismus. Gegründet auf den Trümmern eines klassischen Imperiums sollten die zusammengeschlossenen Nationen zwar ein weitgehendes Selbstbestimmungsrecht haben, aber gleichzeitig sollte die Diktatur des Proletariats den Nationalstaatsgedanken kontinuierlich abbauen. Die Diktatur des Proletariats wiederum wurde von einer hierarchisch und zentralistisch organisierten Partei geleitet, welche dem Selbstbestimmungsrecht sehr enge Grenzen ziehen konnte. Dieser Widerspruch werde heute von rechten und bürgerlichen Historikern gerne als klassischer Kolonialismus interpretiert, als Unterordnung nationaler Kollektive unter das barbarische Russland. Dass diese Verkürzung so keinen Bestand haben kann, versucht Chehonadskih an verschiedenen konkreten Erscheinungen der Sowjetunion plausibel zu machen.

Zum Beispiel an Alexander Bogdanovs Proletkult-Bewegung. Der Bolschewik der ersten Stunde, der noch vor der Oktoberrevolution die Partei verließ, versuchte eine Antwort auf den massenhaften Verrat der Sozialdemokratie am Internationalismus während des Ersten Weltkrieges zu finden. Er analysierte, dass der proletarische Internationalismus zu abstrakt für Arbeiter*innen sei, die sich weder Reisen noch höhere Bildung leisten könnten. Vielmehr müsse dem Nationalismus als ideologischer Scheineinheit der Bourgeoisie mit dem Proletariat durch ganz konkrete solidarische Organisation vor Ort begegnet werden. Proletariar*innen bräuchten eine eigene Kultur, eigene Geschäfte, eigene Vereine und eine eigenständige Form der Reproduktionsarbeit, die sich von der bürgerlichen Kleinfamilie und der bäuerlichen Großfamilie unterscheide. Unter der Diktatur des Proletariats sollte sich innerhalb dieser Gemeinschaften ein Egalitarismus entwickeln, der die materielle Bedingung für die psychologische Veränderung des Bewusstseins weg von einem nationalen und hin zu einem internationalen liefern könne. Die Verknüpfung dieser Gemeinschaften mit der internationalen Arbeiter*innenbewegung wurde über ein Staatsbürgerschaftverständnis der Sowjetunion hergestellt, die sie jede*r Arbeiter*in der Welt anbot, die sie wollte. Bogdanovs Proletkult-Bewegung konnte vor allen Dingen in der experimentellen Phase der Zwanziger Jahre große Bedeutung erlangen, wurde später jedoch ein Instrument der Uniformierung und der Extegration kleinbürgerlicher Intellektueller. Nationale Differenzen bauten sich nicht organisch ab, sondern sollten per Dekret einem prototypischen Sowjetbild weichen, das insbesondere bürgerliche und bäuerliche Schichten befremdete.

Islamischer Sozialismus auf den Schultern der Bauern

Der islamische Sozialismus ist bereits deshalb genuin internationalistisch, da die Umma, die Gemeinschaft aller Gläubigen, sich auf mehrere Länder und sogar mehrere Kontinente erstreckt. Maulana Bhashani, ein Aktivist und Intellektueller des islamischen Sozialismus, fügte dem sogar eine zeitliche Dimension hinzu. Geboren 1880 im indischen Bengalien kämpfte er zunächst für die Unabhängigkeit Pakistans von Indien und später für die Unabhängigkeit Bangladeschs von Pakistan. Mit seinem Zugang zum Internationalismus beschäftigte sich Layli Uddin. Bhashani stand religiös dem Suffismus nahe, soziologisch den Bauern und politisch dem Sozialismus. Er schloss sich zunächst der Khilafat-Bewegung an, welche die britische Herrschaft in Indien destabilisierte, wandelte sich aber zunehmend zu einem radikalen und militanten Kämpfer für eine Landreform. In den 1950er Jahren nahm er aus diesem Grund an einer Internationalismus-Konferenz der Labour-Partei teil, wo er u.a. Kontakte mit Web du Bois knüpfte. Ein wirkliches Erweckungserlebnis wurde jedoch erst seine Reise nach China in den frühen 60er Jahren. Hier traf und formierte sich eine Vielzahl südostasiatischer Revolutionäre – neben anderen Internationalisten wie den Black Panthern aus den USA -, von denen nicht wenige muslimisch geprägt waren. Er lernte hier einen Internationalismus kennen, indem der gemeinsame antiimperialistische Kampf die atheistischen oder bestenfalls konfuzianisch inspirierten chinesischen Kommunist*innen mit den religiös motivierten Guerillas verband. Ähnliche Erfahrungen machte er 1966 bei der Tricontinental-Konferenz auf Kuba.

Vergleichbar mit den proletarischen Solidargemeinschaften Bogdanovs sah Bhashani in den Dorfgemeinschaften der kapitalistischen Peripherie die Keimzellen des Internationalismus. Der Bezug auf den Boden vereint dabei sowohl konkreten Dorfgemeinschaften aller agrarisch geprägten Regionen und knüpft so das Band für eine gemeinsames politisches Bewusstsein. Ikonisch hier war das von Bhashani organisierte Festival in Kagmari 1957, einem kleinen Dorf nördlich von Dhaka. Pakistans Premierminister Hussain Shaheed Suhrawardy sollte hier eine Debatte gegen Bhashani führen, in der er die Aufrüstungspolitik verteidigen wollte. Angesichts der dörflichen Ästhetik, in der das von der Basis aus organisierte Festival gehalten war und das vorrangig von bäuerlichen Armen besucht wurde, vor denen man in der Hauptstadt selten sprach, musste Suhrawerdy eine bittere Niederlage gegen Bhashanis Beschwörung der Solidarität „der 95%“ hinnehmen. Es war laut. Es war schmutzig. Die einfachen Bauern schreckten nicht vor der Androhung von Gewalt zurück. Die kleinen Leute nahmen mitunter das erste Mal ihre Macht wahr, die nicht auf den Waffen des Staates, sondern in den eigenen Händen ruhte.

Die kurdische Befreiungsbewegung gestern und heute

Die kurdische Befreiungsbewegung konnte, so Dilar Diriks These, ob sie wollte oder nicht, nur international sein, da sich die mehrheitlich kurdisch bewohnten Gebiete auf vier Nationen – die Türkei, den Iran, den Irak und Syrien – verteilten. Sie empfand daher Kurdistan als Kolonie, und zwar nicht als Kolonie einer Nation, sondern als internationale Kolonie. Erschwerend kam hinzu, dass sowohl während als auch nach dem Kalten Krieg die einzelnen Länder verschiedenen politischen Lagern angehörten. Es war daher erstmal eine wichtige Forschungsarbeit türkischer Studierender, die Gemeinsamkeiten in Geschichte und Gesellschaft aller kurdischer Gemeinschaften unter den Bedingungen der Siebziger Jahre herauszuarbeiten, um den Grundstein der 1978 Kurdischen Arbeiterpartei PKK zu legen. Diese Bedingungsfaktoren führten dazu, dass sich die PKK von Beginn an eine internationale Öffentlichkeit wandte. Und diese internationale Verortung führte auch zu dem ideologischen Wandel, welche die kurdische Befreiungsbewegung durchlebte. Als der Marxismus-Leninismus noch das festeste Bindeglied der internationalen Solidarität war, verortete sich die PKK dort. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der liberalen Öffnung Chinas gewannen reformistische, kommunitaristische und post-marxistische Organisationsformen an Bedeutung, die insbesondere mit Öcalans Demokratischen Konföderalismus angesprochen werden sollten. Der Staat sollte nicht mehr offen bekämpft und ein neuer errichtet werden, sondern er sollte unterlaufen werden. Ökologie, Frauenbefreiung und radikale Demokratie stehen heute im Mittelpunkt der Propaganda und sind eher transnational als internationalistisch ausgerichtet. Damit hat die kurdische Bewegung erreicht, dass sie international eine breite Unterstützung in der Linken genießt, welche moralisch und materiell die lokale Organisation in Gemeinden, Räten und Kooperativen unterstützt. Dabei sieht die kurdische Bewegung Nichtkurd*innen in den entsprechenden Gebieten als potentielle Alliierte an, die in eigenen Unterorganisation mit vertreten sind. Diese Verwestlichung des politischen Kurses hat jedoch neben einigen Opportunitäten auch zu Problemen geführt. Waren PKK-Aktivisten früher straff organisiert, sehen heute viele aktive Kurd*innen ihre Engagement mehr als Teilzeitjob oder Hobby an. Zweitens ist in der westlichen Kultur immer noch ein postkolonialer Gestus enthalten, welcher der eigentlichen Zielsetzung der kurdischen Befreiung entgegensteht. Dieser ideologische Widerspruch lähmt die Bewegung überall dort, wo sie nicht in konkreten militärischen Abwehrkämpfen eingebunden ist. Drittens ist die Bewegung zu schwach, um das Ziel des demokratischen Konföderalismus tatsächlich zu erreichen. Während die militante Strategie der ML-PKK auf eine aktive Minorität ausgelegt war, ließe sich Öcalans Strategie nur mit einer extrem breiten Basis verwirklichen, die in alle Strukturen des Staates hineinwirken kann. Davon ist die Bewegung aber noch weit entfernt und Erdogan, Assad und co. Verstehen es immer wieder, einen hinreichenden Teil der Bevölkerung durch die Befriedigung von Partikularinteressen zu trennen.

Zusammenfassung

Die Diskussion zeigt bei allen Verschiedenheiten der hitorischen Umstände, der ideologischen Ausrichtungen und der sozialen Basis doch eine Gemeinsamkeit internationalistischer Bewegungen. Über all dort, wo sie mehr waren als papierne Türme intellektueller Zirkel, haben sie an den konkreten Solidaritätsstrukturen der einfachen Menschen angesetzt, anstatt einen abstrakten Kosmopolitismus zu vertreten. Seien es neue geschaffene urbane Strukturen wie bei Bogdanovs Proletkult, traditionelle Dorfgemeinschaften wie am Beispiel Bhashadis, sogar ganze Nationen wie im Panafrikanismus oder Übergangsformen wie die Kooperativen Kurdistans. Die Gemeinschaft in Vielfalt beruhte nicht auf einer abstrakten Vielfalt, sondern wurzelte in den kulturellen und ökonomischen Besonderheiten auf lokaler Ebene, an die sich die sozialen Strukturen angepasst hatten.

Die spannende Frage für eine Linke in den westlichen Ländern wäre, zu identifizieren, welche Netzwerke in Stadt und Land solche Solidaritätsstrukturen heute darstellen oder ob sie neu geschaffen werden müssten. Anschließend müsste über konkrete Interventionen in diesen Strukturen nachgedacht werden. Vielleicht hat der moderne Imperialismus des 21. Jahrhunderts diese hierzulande tatsächlich weitestgehend zerstört. Vielleicht ist der Sozialstaat die letzte verlässliche Solidaritätsstruktur in einer Gesellschaft, in der sich die Proletarier*innen mit nackten Augen anschauen müssten. Dann wäre der Kampf um die Staatsgewalt die beste Tat im Namen des Internationalismus.

Literatur:

Dirik, D.; Younis, M.; Chehonadskih, M.; Uddin, L. & Davidson, M. (2023): The Meanings of Internationalism: A Collective Discussion on Pan-African, Early Soviet, Islamic Socialist and Kurdish Internationalisms Across the 20th Century. In: Millennium: Journal of International Studies. Online First. DOI: 10.1177/03058298231175700.



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